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Kurzzusammenfassung/short summary
Inhaltsverzeichnis / table of contents
Eingrenzung des Themas
Zusammenfassung
Kurzzusammenfassung/short summary
Ein Leitmotiv römisch-antiker Architektur und
Skulptur, das im Mittelalter und in der Renaissance mit dem
Wiederaufleben der Monumentalskulptur zu neuer Bedeutung
gelangt, ist die Figurennische. In ihrer Entwicklung durch
die Jahrhunderte spiegelt sich geradezu exemplarisch der
wechselvolle Zusammenhang zwischen den künstlerischen
Gattungen der Architektur und der Skulptur, der in
nachantiker Zeit seit dem 12. Jahrhundert einer neuen
Synthese entgegengeführt wird.
Im Zentrum der vorliegenden Studie steht die Geschichte
der Statuennische in Italien vom 12. bis zum
15. Jahrhundert, von Antelami bis Donatello. Eine
epochenübergreifende Sicht des Themas wird
eröffnet durch ausführliche Exkurse zum
Nischenmotiv in der Antike, in der französischen Gotik
und in der Hochrenaissance. Ausgehend von einer breiten
Materialbasis und in eingehenden Analysen einzelner Werke
wird so ein gleichermaßen umfassendes wie
differenziertes Gesamtbild von der Entwicklung der
Figurennische im Mittelalter und in der Renaissance
gewonnen.
An main motif in antique Roman architecture und sculpture
is the niche for figures, which regained importance in the
Middle Ages and the Renaissance with the return of
monumental sculpturing. With its development over the
centuries, the niche is an excellent example of the divers
relationship between the artistic aspects of architecture
und sculpturing, which were brought to a new synthesis in
the post-antique era as of the 12th century.
This study is centered on the history of the niche in
Italy from the 12th up to the 15th century, from
Antelami to Donatello. A general introduction to the niche
down through the ages is opened by a detailed excurse to the
niche motif in the antique, French gothic, and renaissance
periods. A consummate and differentiated view of the niche
in the Middle Ages and the Renaissance is reached by a large
material collection and in depth analysis of individual
works.
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Inhaltsverzeichnis
/ table of contents
VORWORT
EINFÜHRUNG
- 1 Die Statuennische als Gegenstand kunstgeschichtlicher Forschung
2 Eingrenzung des Themas
3 Exkurs zur Terminologie
RÜCKBLICK
- 1 Die antike Figurennische
1.1 Zur Genese
1.2 Die Nische als reines Gliederungselement
1.3 Das Verhältnis von Figur und Nische
1.4 Rahmung und Innendekoration
2 Die Nische von der Spätantike bis zur Romanik
2.1 Die Nische als Gliederungselement
2.2 Die Verbindung von Figur und Nische in der Romanik
2.3 Die romanische Figurennische im Verband mit der Architektur
DIE ERSTEN MONUMENTALEN FIGURENNISCHEN IN DER MITTELALTERLICHEN KUNST ITALIENS
- 1 Die Nischen der Domfassade in Fidenza
1.1 Die Nischen und ihr Verband mit der Fassade
1.2 Form und Ausstattung der Nischen
1.3 Figur und Nische
2 Die Nischen des Baptisteriums in Parma
3 Exkurs: Die Fassadennischen von S. Vittoria bei Monteleone Sabina und die Formenanalogie von Fenster und Nische
DIE FIGURENNISCHE IM 13. JAHRHUNDERT
- 1 Antikenrezeption und Gotik: Die Nischen des Brückentors von Capua
1.1 Bau und Skulptur
1.2 Die Aufstellung der einzelnen Figuren
- Die Sitzfigur Friedrichs II. – Die kleinen gegiebelten Nischen im ersten Fassadengeschoß – Die Nischentondi für die Büsten
- 2 Bedingungen für die Nischenbildung in der Skulptur und Architektur
2.1 Nicola und Giovanni Pisano
- Die Eckfiguren der Kanzeln – Die Sieneser Domfassade – Der Wimpergkranz des Pisaner Baptisteriums
- 2.2 Arnolfo di Cambio
- Die Tabernakelnischen am Ziborium von S. Paolo – Die Nischen des Annibaldi-Grabs in S. Giovanni in Laterano – Die Nischen der Florentiner Domfassade
DIE FIGURENNISCHE IM 14. JAHRHUNDERT
- 1 Die Tabernakelnische
1.1 Die Stephanusnische und die Nische des Johannes Evangelista an Orsanmichele in Florenz
- Die Nischen im Verband mit der Architektur – Die Struktur der Nischen
- 1.2 Die Nischen am Campanile in Florenz
1.3 Figur und Nische
1.4 Vorstufen und Vergleiche
- Die Nischen des Beltramo Porrina in Casole d'Elsa, Collegiata, und des Enrico Scrovegni in Padua, Arenakapelle – Die Nischen des Entwurfs für die Domfassade in Orvieto – Die Nischen an den Domlanghausflanken in Florenz – Die Nischen des Entwurfs der Baptisteriumsfassade in Siena
- 1.5 Die Nachfolge in der zweiten Hälfte des Trecento
- Die Nischen der Cappella di Piazza in Siena – Die Strebepfeilernischen am Langhaus des Doms von Lucca
- 2 Die Baldachinnische
2.1 Die Nische der Madonna della Rosa an Orsanmichele in Florenz
2.2 Die Nischenreihe an der Westwand des Duomo Nuovo in Siena
3 Das venezianische Muschelmotiv des Trecento
DIE FIGURENNISCHE IN DER FRÜHRENAISSANCE
- 1 Die Quattrocentonischen von Orsanmichele in Florenz
1.1 Die Lukasnische und ihre Nachfolge
1.2 Die Nische der Quattro Coronati
1.3 Die Georgs- und Eligiusnische
- Die Georgsnische – Die Eligiusnische
- 1.4 Die Jakobusnische
1.5 Die Ludwigs- und Matthäusnische
- Die Ludwigsnische im Verband mit der Architektur – Ludwigs- und Matthäusnische im Vergleich – Das Verhältnis von Figur und Nische
- 1.6 Zusammenfassung
2 Die Evangelistennischen an der Florentiner Domfassade
BEDEUTUNGS- UND FUNKTIONSWANDEL DER NISCHE IM 15. UND FRÜHEN 16. JAHRHUNDERT
ZUSAMMENFASSUNG
EXKURS: URSPRUNG UND GENESE DER GOTISCHEN NISCHE IN FRANKREICH
Literatur / Abbildungsnachweis
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EINGRENZUNG
DES THEMAS (ohne Anmerkung)
»Hier ist nicht von der Nische als wesentlichem
Teil eines Grundplans die Rede, also nicht von Apsiden, auch
nicht von jenen Nischen- oder Kapellenreihen, in welche
bisweilen die ganze Langwand einer Kirche aufgelöst
wird, sondern von der Nische für das Auge.« Jacob
Burckhardt, der die Wandnische des 16. Jahrhunderts
definiert, hebt darüber hinaus den Eigenwert der
figurenlosen Nische hervor, die mit den Fenstern im Wechsel
auftrete, »gleichviel ob ihr eine Statue gegönnt
sei oder nicht«. Eine Nische im eigentlichen Sinne ist
für Burckhardt nur die tiefe, halbzylindrische Nische,
die trotz mancher Ansätze schon in der Gotik erst das
16. Jahrhundert hervorgebracht habe. Burckhardts
Definition der Renaissancenische trifft sich mit derjenigen
für die mittelalterliche Nische in zwei grundlegenden
Punkten: In der Abgrenzung der Wandnische von der
Bodennische und in dem wichtigsten Kennzeichen einer Nische,
ihrer Einhöhlung in die Wand. Die mittelalterliche
Nische tritt jedoch in weitaus reicherer Ausformung auf.
Auch was ihre Funktion angeht, wäre die Definition
Burckhardts zu erweitern, denn im Mittelalter und bis ins
15. Jahrhundert hinein begegnet die Wandnische
ausschließlich als Figurenträger.
Definiert man die Nische als in die Mauer eingetiefte
Öffnung von halbrundem, polygonalem oder rechteckigem
Zuschnitt des Grundrisses, die im Aufriß rund- oder
spitzbogig sowie rechteckig sein kann, so ist sie in ihrer
reinsten Form erfaßt, in der sie als Figurennische
allerdings auch am seltensten erscheint. In der Antike ist
die Statuennische nach dem Bau ausgerichtet, der sie
trägt. Sie ist inkrustiert im Inneren und außen
mit einem Rahmen verblendet, während die Nische in der
rohen Form als reine Wandgliederung oder schlichte
Gebrauchsnische zur Aufstellung von Gegenständen
Verwendung fand. Auch in der mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Kunst ist die Figurennische zumeist
von einer Rahmung umgeben und kann innen eine Auskleidung
tragen, die wie eine dünne Schale die Mauer
ummantelt.
Aufgrund der Ausstattung und der Rahmung sind
Ähnlichkeiten zu und Überschneidungen mit anderen
Aufstellungsarten für Figuren, dem Tabernakel oder
Baldachin, insbesondere für die gotische Nische
gegeben, die zu Begriffsverwirrungen im Fach führten.
Sowohl die antike Kunstliteratur, die für den
Aufstellungsort der Statue in der Regel den Begriff der
aedicula verwendet, als auch mittelalterliche Quellen, die
bis ins 17. Jahrhundert hinein den Begriff des
Tabernakels mit dem der Nische synonym gebrauchen, zeigen,
daß nicht die Nischenhöhlung, sondern der Rahmen
als die eigentliche Auszeichnung für die Figur
angesehen wurde. Wenn es auch der historische Wortgebrauch
nahelegt, die Begriffe Nische und Tabernakel nicht allzu
streng voneinander zu trennen, so verlangt doch eine gewisse
Nachlässigkeit im modernen kunsthistorischen
Sprachgebrauch nach terminologischer Präzisierung. Eine
genauere begriffliche Unterscheidung ist zumal dann wichtig,
wenn sich mit dem unterschiedlichen Aufstellungsmodus das
Verhältnis der Figur zu Raum und Rahmen entscheidend
ändert und entwicklungsgeschichtliche Fragen eng mit
der Bestimmung der Nischenform verknüpft werden.
Während in der Forschung der Nischenbegriff auf die
verschiedensten Arten der Figureneinbindung ausgedehnt
wurde, geht es uns um eine genauere Abgrenzung dessen, was
als Nische bezeichnet werden kann. Die Statuennische in
vollem Sinne muß als eine künstlerisch gestaltete
Form und als eigenwertiges Gehäuse in Raumhaltigkeit
und Strukturierung erkennbar sein.
Die bisherigen Ausführungen zielten auf die
monumentale Nische in der großen Architektur.
Darüber darf nicht übersehen werden, daß
auch an Kleinarchitekturen die Figurennische als ornamentum
Aufnahme fand. Eine genaue Begrifflichkeit wird hier dadurch
erschwert, daß die Nische in der Kleinarchitektur als
Nischendarstellung im Relief Einzug hielt. Die mehr oder
weniger tiefe Nischung hinter der Figur impliziert jedoch
nicht immer einen selbständigen Figurenraum. Sie kann
auch ein adäquates Mittel zur Einbettung der Figuren in
den Grund sein. Die Bewertung einer solchen Nischung als
Vorstufe einer tatsächlichen Zusammenführung von
Figur und Nische birgt dabei immer die Gefahr eines
entwicklungsgeschichtlichen Fehlschlusses. Kurt Badt hat
sich gegen eine Überinterpretierung des Raumes in der
Kunstgeschichte gewandt. Statt abstrakter, je nach den
subjektiven Eindrücken wechselnder Raumbegriffe
führt Badt den Begriff »Ort« ein, der sich
erst durch die Dinge, die ihn füllen, definiert.
Da die Kleinform der Nische ähnlichen
Entwicklungsgesetzen unterworfen ist wie die monumentale
Nische, kann sie nicht ganz aus der Betrachtung
ausgeklammert werden. Im Zentrum dieser Arbeit steht jedoch
die Figurennische, die eindeutig in die Wand gehoben, zur
Aufnahme einer Statue bestimmt ist und sich in ihren
Ausmaßen nach der Figur richtet. Sie ist von der
großen Bodennische zu trennen, da diese
– auch wenn sie am Außenbau als
Raumkörper nicht in Erscheinung tritt – in
ihrer raumerweiternden Funktion eher zur Apsis oder Exedra
in Beziehung zu setzen ist und zudem im Mittelalter nicht
als Figurenträger fungierte. Weitgehend ausgeklammert
bleibt ferner die vereinzelte Figurennische als Ehrenmal
oder Grabmal. Nur soweit diese Einzelnischen für die
Entwicklung der Nische allgemein nach Struktur und Formengut
von Bedeutung sind, werden auch sie berücksichtigt.
Primär jedoch geht es nicht um die Nische, die als
bloßes Versatzstück einer schon bestehenden
Architektur angeheftet wird, wobei ihr Ort mehr oder weniger
beliebig und ihre Form austauschbar sein können,
sondern um die Statuennische als einem integralen
Bestandteil der Architektur, der sich auf deren
Gesamterscheinung nachhaltig auswirkt oder deren Entwurf
entscheidend prägt.
Die Untersuchung beschränkt sich auf eine Geschichte
der Figurennische in Italien. Die Beweggründe dieser
Begrenzung können angesichts mittelalterlicher
Mobilität keine rein topographischen sein, sondern
erklären sich aus der anders gearteten Qualität
der italienischen Figurennische, die sich
phänomenologisch in der Monumentalität integraler
Nischenkonzepte und entwicklungsgeschichtlich in der weitaus
größeren Variationsbreite zu erkennen gibt. Vor
allem aber spielt die italienische Nische die zentrale Rolle
im Schnittpunkt architektonischer und figuraler Erfindungen,
an deren Ende die Renaissance steht – wenn auch
nicht als Zielvorgabe –, und die eine
folgerichtige Entwicklung – wenn auch keine
kontinuierliche – sichtbar werden lassen.
Die Eingrenzung des Zeitraums wird durch das Material
nahegelegt. Mit dem Auftreten der ersten italienischen
Figurennische in monumentaler Form in Fidenza ist eine
untere und mit der Ausformung der ersten Renaissancenische,
der Ludwigsnische an Orsanmichele in Florenz, eine obere
Grenze gesetzt. Damit wird im Mittelpunkt des Interesses die
mittelalterliche, speziell die gotische Figurennische
stehen. Die zeitliche Einschränkung erlaubt aber auch,
einen Blick über die Grenzen hinaus auf die antike und
die romanische Nische als mögliche Vorstufen zu werfen.
Da die Vorbildhaftigkeit gerade der antiken Nische leicht
überschätzt werden kann, steht die italienische
Figurennische des 13. und 14. Jahrhunderts im
Spannungsfeld zwischen Antikenrezeption und
französisch-gotischem Einfluß zur Diskussion. Ein
Exkurs zur Entstehung der gotischen Nische in Frankreich ist
dazu unerläßlich. Als Ausblick wird ferner die
Nische der Hochrenaissance zur Sprache kommen, die
– obwohl stereotyper im Formengut – im
Vergleich zu den früheren Nischen eine neue Wertigkeit
in der Architektur erlangt, wie es Burckhardt in der
eingangs zitierten Stelle bereits angedeutet hat.
Die vorliegende Arbeit will die Figurennische in ihrer
Doppelfunktion als architektonisches Gliederungsmotiv und
als Aufstellungsort einer Figur beleuchten. Sie versucht
dabei, die in der wechselseitigen Beziehung von Skulptur und
Architektur gegebenen Voraussetzungen für die Bildung
von Nischen aufzudecken. Die Untersuchung kann keine rein
motivgeschichtlich orientierte sein, die sich zwanglos
– wie etwa die Geschichte des
Kapitells – in die große Entwicklung der
Architektur als deren logisches Derivat einreihte. Schon das
Material, das sich nicht in einer dichten Reihe darbietet,
verschließt sich einer solchen Vorgehensweise. Auch
wenn daher eine erschöpfende Erfassung des gesamten,
vor allem in der Qualität zu heterogenen und für
eine Entwicklung irrelevanten Bestands nicht angestrebt ist,
soll sich aus dem Blickwinkel der hinlänglich bekannten
Hauptvertreter der italienischen Figurennische das Bild der
Nische in Italien durch Einarbeitung eines reicheren als des
bisher veröffentlichten Materials
vervollständigen. Neben den wichtigsten Beispielen
werden Nischen vorgestellt, die zumeist als Epigonen ihrer
bedeutenderen Vorgänger zu werten sind, aber in ihrer
variierenden Eigenleistung weitere Facetten der jeweiligen
Stilepoche beisteuern. Eine den Rahmen der Themenstellung
überschreitende Beschäftigung mit Einzelproblemen
der Datierung, der Zuschreibung und Rekonstruktion nicht
mehr im originalen Bestand erhaltener Nischen wird
gegebenenfalls für ein tiefergehendes Verständnis
des Phänomens Nische unerläßlich sein.
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ZUSAMMENFASSUNG
(Ohne Anmerkungen)
Die Figurennische des italienischen Mittelalters stellt
sich in ihrer Gestalt und Struktur sowie in ihrem
Verhältnis zur Architektur als heterogenes Gebilde dar.
Zu unterschiedlich waren die von der Architektur und von der
Skulptur gestellten Bedingungen, zu verschieden jeweils die
Intentionen der Künstler. Die gotische Nische wird in
Italien kein sich durchsetzendes Mittel zur Aufstellung von
Statuen wie in Frankreich. Die Gründe dafür sind
primär in den anders gewichteten Aufgaben der Plastik
zu suchen. In Italien fehlt die Hauptaufgabe der
französischen figuralen Plastik, die Gewändefigur,
die zu einer bestimmten Stilstufe die Ausprägung von
Gewändenischen als einer lange konstanten Portalform
zeitigte. Stattdessen hat die Nische in Italien
außerhalb des Portals, in der flachen Wand oder am
Strebepfeiler, ihren Ort. Sie kann je nach den Anforderungen
des architektonischen Orts und skulpturalen Programms als
einzelne, aber auch in der Reihung auftreten. Darin
unterscheidet sie sich noch nicht von der französischen
Nische. Die italienische Nische kommt jedoch im Gegensatz zu
jener mitsamt ihrer Statue vorrangig als einzelne zur
Wirkung, selbst wenn sie in ein übergreifendes
Architektursystem – wie am Capuaner
Brückentor oder am Campanile in Florenz –
eingebunden wird.
Eine kontinuierliche Entwicklung ist zumindest im
13. Jahrhundert nicht zu verzeichnen, vielmehr endet
der Weg oftmals in einer Sackgasse. So am Dom zu Fidenza,
dessen antikisierende Nischen in ihrer halbrund
einschwingenden Gestalt, die erst um 1220 an der Domfassade
entstanden und die um einige Jahrzehnte älteren
Wandpfeilerstatuen des Antelami aufnahmen, ebensowenig
rezipiert wurden wie die gotischen Kastennischen am
Baptisterium in Parma. Zum erstenmal aber seit der Romanik
und wegweisend für die künftige Entwicklung war in
Parma und Fidenza wieder zwischen der gliedernden
Großform der Bodennische und der Wandnische als
Figurenträger unterschieden und die Statuennische als
Modul einer Fassadengestaltung verwendet worden. Auch das
Capuaner Brückentor, an dem ein für Italien
ungewöhnliches, die gesamte Fassade erfassendes
Nischensystem ausgeformt wurde, ist aufgrund seines
ungewöhnlichen Skulpturenprogramms ein Einzelfall
geblieben. Die arkadengerahmte, verschattete Mauernische am
Brückentor bleibt als Einzelnische bis weit ins
Trecento hinein eine bescheidene Möglichkeit der
Statuenaufstellung in der Wand. Nicola Pisano orientiert
sich an der französischen Baldachinfigur. Ihm ist dabei
jedoch die Einbindung der Figur in einen festen
architektonischen Rahmen kein Anliegen, was sich aus seiner
gleichzeitigen Orientierung an der Antike erklären mag.
Seinem Sohn Giovanni gelingt dagegen mit den einzigartigen
Nischen an der Sieneser Domfassade eine Verbindung von
Skulptur und Architektur, die sowohl der Expressivität
und Freiheit seiner Standfiguren als auch der inkrustierten
Fassade Rechnung trägt. Den ebenso der
Fassadengliederung wie der Figureneinbindung des Giovanni
Pisano dienenden Architekturmotiven ist ein langes Nachleben
beschert, das – vermittelt über Orvieto und
in der Verbindung mit der tiefer einschwingenden
französischen Baldachinnische – die
eigentümlichen Nischenhülsen am Duomo Nuovo in
Siena hervorbringt. Die für Italien charakteristische
Diskrepanz von Mauernische und Inkrustation und der
Kompromiß bei ihrer Verschmelzung konnten nirgends
besser zum Ausdruck kommen als in den Sieneser Nischen.
In der »Nischenstadt« Florenz hält sich
die Nische dauerhaft, seit Arnolfo di Cambio sie an der
Domfassade eingeführt hat, und strahlt, nicht ohne ihr
Formengewand zu wechseln, über die Stadt und
später die Toskana aus. Als Ausgangspunkt einer
scheinbar geradlinigen Entwicklung wird der
Renaissancenische im trecentesken Florenz an einem einzigen
Bau, an Orsanmichele, der Boden bereitet. Doch ist es nicht
zuletzt der besonderen Aufgabe und den säumigen
Auftraggebern zu verdanken, daß der gotische
Nischenzyklus von Orsanmichele die erste Renaissancenische
aufnehmen konnte.
Bereits Arnolfo di Cambio schuf monumentale
Figurennischen für das wandhafte Sockelgeschoß
seiner Florentiner Domfassade. Die Nischen haben sich nicht
erhalten, doch lassen sie sich – wie im
übrigen die Anteile Arnolfos an der gesamten
Domfassade – aus des Meisters
Bildhauerarchitektur rekonstruieren. Die breiten, wohl
für Sitzfiguren geschaffenen Nischen der Domfassade
haben ihr Ebenbild im kleinen Format in den Nischen des
Annibaldi-Grabs, die zweifellos in Arnolfos Werk einzureihen
sind. Die Domfassade und ihre Nischen sind uns indirekt
durch ein Mosaik Cavallinis aus S. Maria in Trastevere
tradiert, das den Formenschatz der arnolfianischen
Domfassade reflektiert. Die statischen Kästen, die
Arnolfo schuf, stehen in Einklang mit seiner Architektur,
die vom Gegensatz körperhaft-massiger, wandhaft-glatter
und kristallin-starrer Bauglieder geprägt wird.
Daß diese unverschmolzen nebeneinander existieren
können, demonstriert die Formenvielfalt der Florentiner
Domfassade in den ersten beiden, Arnolfo zuzuschreibenden
Geschossen. Arnolfos Wandnischen sind im Gegensatz zu seinen
Statuentabernakeln schattige Nischenkästen ohne
ausgeprägte eigene Räumlichkeit, in der Figur und
Nische zu einer reliefhaften Einheit verwachsen.
Erst mit den Pfeilernischen von Orsanmichele und den
Nischenreihen am Campanile wird den Figuren ein klar
umgrenzter, einsehbarer Raum als ein eigenes, konkretes
Gehäuse zugeteilt. Die Nische verschmilzt mit dem
gotischen Statuentabernakel. Vorstufen dieser polygonal
gebrochenen, von einer Wimpergarkade gerahmten Nische waren
in Frankreich schon um 1250 ausgebildet, eine Form, von der
Italien bis ins Trecento hinein unberührt blieb. Doch
ist die neue Räumlichkeit der Florentiner Nischen als
ein Gehäuse für die Figur, die neben ihrer
bildhaften, durch einen Rahmen ausgezeichneten Erscheinung
am Pfeiler auch ein strukturiertes Inneres auszeichnet,
nicht aus der vorangegangenen oder zeitgleichen Architektur,
sondern aus der Malerei Giottos herzuleiten, die an die
französische Entwicklung anknüpfte und erstmals
den geschlossenen Figurenraum in die italienische Kunst
einführte. Obwohl Giotto selbst weder die
Campanilenischen noch die Nischen von Orsanmichele
geschaffen haben kann, ist es doch sein Erbe, das, von
Andrea Pisano vermittelt, in den Nischen weiterwirkt. Die
gotischen Nischen von Orsanmichele sind keine
Zentralräume, keine Baldachinnischen wie das Tabernakel
der Madonna della Rosa, das eine Ausnahme im ganzen
Nischenzyklus darstellt, sondern kleine, tabernakelartige
Gehäuse in den Pfeilern, die konzentrisch die Figuren
umfassen und sie hinter den Rahmen
zurückschließen. Die Baldachinnische, welche die
Figur in streng vertikalem Achsenbezug zentriert, spielt
für die italienische Kunst eine sekundäre,
vorwiegend auf den venezianischen Bereich begrenzte
Rolle.
Im Quattrocento ändert sich die Struktur der Nischen
an Orsanmichele im Sinne einer Verstärkung des
trecentesken Formenapparates. Der verstärkte
Schematismus der in mehreren Stufen aufgebauten Gliederung
des Nischenraums wirkt sich auch auf die in gotischem
Schwung aufgebauten Figuren aus. Der Markus des Donatello
dagegen beansprucht in seinem Aufbau nicht das
Nischengerüst, sondern den konzentrisch ummantelnden
Nischenraum und den Nischenrahmen, dem er sich in der
Drehung entgegensetzt. Dieser neue Ansatz ist in der flachen
und unverzierten Georgsnische gesteigert, indem dort
konsequent das starre Nischengerüst aufgegeben wurde
und die Nische als freier Bewegungsraum für die Statue
wirkt. Zugunsten einer besseren Präsentation der
Nischenstatue läßt sich zugleich eine
Klärung der Formen feststellen, die das Auftreten des
Ludwigstabernakels als der ersten Renaissancenische bereits
anzukündigen scheint. Doch ist für Donatellos
Statuen die Renaissancenische weder letztes Ziel noch eine
beliebig austauschbare Folie wie in der folgenden
Jahrhunderthälfte. Obwohl die Ludwigsnische speziell
für die Ludwigsfigur geschaffen wurde, ist sie als
Figurenraum, dem zwingende Achsenbezüge fehlen,
vielseitiger nutzbar als das gotische Figurentabernakel.
Verrocchios Christus-Thomas-Gruppe macht dies evident.
Im italienischen Mittelalter hat die Nische
ausschließlich als Wandnische am Außenbau
weitergelebt und war zudem ohne Ausnahme Figurenträger.
Ein grundlegender Bedeutungs- und Funktionswandel der Nische
setzt erst mit der Architektur der Frührenaissance ein.
Die Wandnische als Figurennische und die Bodennische als
kapellenartiges Gliederungselement beginnen sich nun zu
vermischen. Das architektonische Motiv der Nische als
Ornament wird selbständig und erfährt auch ohne
die Figur eine Aufwertung. Die figurenbesetzte Nische
dagegen wird aus der großen Architektur in den Bereich
der Reliefskulptur verbannt. Selbst in der Fassadenskulptur,
für die es nur wenige Beispiele gibt, bleibt die
figurierte Nische im ausgehenden Quattrocento der Kleinkunst
entlehnt. Neue Impulse für die Entwicklung der
Fassadennische wären möglicherweise von der
Fassade von S. Lorenzo in Florenz ausgegangen, wenn
Michelangelo sie hätte vollenden können.
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