Zum Inhalt:
Der Körper ist derzeit das Leitthema vieler
Debatten, als wollte man sich in der Furcht, seinen Begriff
zu verlieren, noch einmal versichern. Gentechnologie und
kosmetische Chirugie unterwerfen ihn einer neuen
Verfügbarkeit, während Cyberspace und Internet zur
Flucht aus dem Körper einladen. Der Beitrag
verläßt diese Zeitgenössische Szene, um die
nie endende Dynamik der Körperthematik durch die
Geschichte zu verfolgen. Der Körper ist nur das stets
wechselnde Bild, das man sich von ihm macht oder das man an
ihm festmacht. Die Kulturgeschichte des Körpers ist
eine Bildgeschichte im wörtlichen und übertragenen
Sinne. Da der Körper immer gegeben war, hat man ihn
immer anders gesehen. Darin erschließt sich ein
Grundgesetz jeder Anthropologie. Der Körper ist dabei
nicht bloß selbstbezogen als Natur und Organismus,
sondern Träger und Agent des Menschen, der sich im
Körper ausdrückt und am Körper definiert
wird. In diesem Sinne ist das Körperbild mit dem
Menschenbild untrennbar verbunden.
Zum Autor:
Geboren am 7. Juli 1935 in Andernach. Promotion an der
Universität Mainz. 1962–64 Stipendiat an der
Harvard University, 1965 Habilitation an der
Universität Hamburg. 1969–80 Professor für
Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg,
Gastprofessuren an den Universitäten Basel und Wien.
1980–93 Professor für Kunstgeschichte an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, in dieser
Zeit Visiting Professor in Harvard und an der Columbia
University in New York (Meyer Schapiro Professor). Seit 1993
Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an
der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. 1994/95
Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Mitglied der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Academia
Europaea, der Medieval Academy of America und der American
Academy of Arts and Sciences. Mitglied im Orden Pour le
mérite.
Wichtigste Publikationen: Die Oberkirche von San
Francesco in Assisi (1977); Das Bild und sein Publikum im
Mittelalter (1981); Das Ende der Kunstgeschichte? (1983);
Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter
der Kunst (1990); Das Ende der Kunstgeschichte. Eine
Revision nach Zehn Jahren (1995); (mit C. Kruse), Die
Erfindung des Gemäldes (1995); Das unsichtbare
Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst (1998);
Identität im Zweifel. Ansichten der deutschen Kunst
(1999); Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine
Bildwissenschaft.
Besprechungen:
Neue Zürcher Zeitung – Feuilleton –
Samstag, 27.07.2002, Nr.172, 52
Körperbilder
lx. Es sei verräterisch, dass die Klage über
den Verlust des Menschen heute simultan mit der Klage
über den Verlust des Körpers geäussert werde.
Der Kunsthistoriker Hans Belting will es nicht bei diesen
mit »seltsamer Einmütigkeit«
geäusserten Befindlichkeiten bewenden lassen. In einem
ausführlichen Essay untersucht er die Relationen
zwischen »Menschenbild und Körperbild«.
Zunächst: Kann man einen Körper überhaupt auf
ein Bild reduzieren? Wir tun dies aber mit
Selbstverständlichkeit dort, wo wir zu Bildern greifen,
sobald wir vom Körper zu sprechen beginnen. Dabei sei
auf ein weiteres Paradox hinzuweisen: Je mehr heute der
Körper von Biologie, Genetik und Neurowissenschaften
erforscht wird, desto weniger steht er uns in einem
einzigen, symbolkräftigen Bild zur Verfügung. Wer
heute – angesichts der sogenannt
»technischen Möglichkeiten« –
davon spreche, einen »neuen Menschen« zu
züchten, spreche eigentlich davon, dem (alten) Menschen
einen neuen Körper zu geben. Nur eben: Wenig ist
darüber nachgedacht worden, dass die bisherige
Geschichte der Menschendarstellung eine Geschichte der
Körperdarstellung gewesen ist. Daraus lasse sich
schliessen, dass der Mensch so ist, wie er im Körper
erscheint. Jedenfalls sei das Dreieck Mensch –
Körper – Bild nicht auflösbar, wolle man
nicht riskieren, alle drei Bezugsgrössen zu verlieren.
– Der Essay findet sich in einer von der Gerda Henkel
Stiftung herausgegebenen Publikation über das »Bild des Menschen in den
Wissenschaften«.
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