Rolf Bartusel

»Der Generalstaatsanwalt braucht durchaus kein Jurist zu sein«

Die Transformation des Rechtswesens in Mecklenburg-Vorpommern, 1945–1952

2008, 370 Seiten, broschiert
2008, 370 pages, paperback

ISBN 978-3-930454-83-9
Preis/price EUR 42,–

17 × 24cm (B×H), 660g

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Aus dem Inhalt / from the book:

Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis

Kurzzusammenfassung:

Von Hitler direkt zu Stalin? Mit Blick auf die spätere DDR scheint es, als habe sich in Ostdeutschland 1945 der Übergang von einem Unrechtsstaat zum anderen unmittelbar vollzogen. Dabei wird übersehen, dass nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs zunächst alle Besatzungsmächte die Absicht erkennen ließen, den deutschen Rechtsstaat wieder aufzubauen. Mochte ein solches Vorgehen auf sowjetischer Seite auch mehr aus taktischem Kalkül heraus erfolgen, im Resultat unterschieden sich Ost und West zunächst nur wenig voneinander: Während sich alle Siegermächte die strafrechtliche Verfolgung von NS- und Kriegsverbrechen vorbehielten, wurden seit Herbst 1945 in der SBZ ebenso wie im Westen die bis 1933 gültigen Justizstrukturen reorganisiert. Anders als von den kommunistischen Remigranten um Walter Ulbricht gewollt, wies die Realpolitik der sowjetischen Militäradministration (SMAD) anfangs in eine scheinbar »bürgerliche« Richtung. Einzelne Neuentwicklungen wie das Volksrichter-Programm fügten sich zunächst weitgehend harmonisch in den entstehenden Rechtsstaatsrahmen ein.

Die Monographie untersucht am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns, welche Auswirkungen die politischen Freiräume nach 1945 im Rechtsbereich zeitigten und wie die KPD/SED-Machthaber den häufig ungewollten Entwicklungen entgegenzuwirken versuchten. Dabei drohten auch eindeutige Frontlinien zu verschwimmen. Selbst führende Kommunisten im Justizdienst wirkten angesichts der zu bewältigenden Aufgaben mitunter unsicher, ob sie der Parteidisziplin oder ihrem Professionsdenken folgen sollten.

Möglichkeiten und Grenzen kommunistischer Durchherrschung lassen sich am Beispiel der Justiz gleich aus zwei Perspektiven beleuchten: Als Relikt eines »bürgerlichen« Staatsverständnisses war der neue alte Rechtsstaat von Anfang an Ziel kommunistischer Penetration. Gleichzeitig wurde die Justiz gezwungen, eine zunehmend aktive Rolle bei der »Verschärfung des Klassenkampfes« (z.B. Wirtschaftsstrafgesetze, »Waldheimer Prozesse«) zu übernehmen.

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Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

1.1 Untersuchungsansatz
1.1.1 Herrschaft und Widerstand
1.1.2 Transformationsgesellschaft
1.1.3 Exkurs: Stalinistische Säuberungen
1.2 Geographische und chronologische Eingrenzung
1.3 Forschungsstand
1.4 Quellenlage und Archivsituation
1.5 Gliederung

2 Voraussetzungen für den justiziellen Neuaufbau in der SBZ 1945 – Eine Einführung

2.1 Divergierende Nachkriegsplanungen der Alliierten
2.2 Grundlagen sowjetisch-kommunistischer Justizkonzeptionen
2.2.1 Besonderheiten des sowjetischen Rechtssystems
2.2.2 Sowjetische Planungen und die Rolle der KPD im Moskauer Exil
2.3 Innerdeutsche Reformansätze für das Rechtswesen

3 Widersprüchliche Signale (1945 bis 1948)

3.1 Unter neuer Herrschaft
3.1.1 Verwaltungsneuaufbau unter drei Besatzungsmächten
3.1.2 Die Entnazifizierung des Justizapparats
3.1.3 Sowjetische Strafverfolgung trotz deutscher Gerichte
3.1.4 Ungenaue Richtlinien der Alliierten für das Rechtswesen
3.2 Neue Ideen und alte Strukturen
3.2.1 SMAD, SED und die Justizverwaltung
3.2.1.1 Machtkampf zwischen Parteiapparat und Justizverwaltung
3.2.1.2 Die zentrale SED-Justizabteilung setzt ihren Führungsanspruch durch
3.2.2 Das Gerichtswesen
3.2.2.1 Landgerichte als Zentren des Neuaufbaus
3.2.2.2 Kompetenzenverlust des Oberlandesgerichts zugunsten der Landesverwaltung
3.2.3 Die Staatsanwaltschaft
3.2.3.1 »Der Generalstaatsanwalt braucht durchaus kein Jurist zu sein.«
3.2.3.2 Vorübergehende Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen
3.3 Die Volksrichter
3.3.1 Ausbildung und Aufgaben der Volksrichter
3.3.1.1 Widersprüchliche Entwicklungstendenzen im ersten Volksrichterlehrgang
3.3.1.2 Fachliche Qualifikation oder politisches Bewußtsein?
3.3.2 Die neuen Juristen in der Praxis
3.4 Ansätze für eine ›andere‹ Justiz
3.4.1 Personelle Säuberungen
3.4.2 Die ›Unabhängigkeit‹ der Richter
3.4.3 Die parlamentarische Auseinandersetzung um die Justiz
3.4.4 Justizpraxis, 1. Teil – Sowjetische Befehle und deutsches Recht
3.4.4.1 SMAD-Befehl Nr. 160 gegen »Sabotage und Diversionshandlungen«
3.4.4.2 SMAD-Befehl Nr. 201 zur Verfolgung von NS- und Kriegsverbrechen
3.5 Ergebnisse

4 Vom Rechtsstaat zur Gesetzlichkeit (1948)

4.1 Die justizpolitische Umbruchsituation 1947/48
4.1.1 Politische Rahmenbedingungen
4.1.2 Justiz erstmals als ›Chefsache‹: Die SED-Tagungen im Januar 1948
4.2 »Die Kader entscheiden alles!«
4.3 Gegen Unabhängigkeit und Überparteilichkeit
4.4 Vom Föderalismus zum Zentralismus
4.4.1 Machtwechsel in Berlin: Von Schiffer zu Fechner
4.4.2 Die Entmachtung der Länder
4.5 Justizpraxis 2. Teil: Stabilisierung der Herrschaft
4.5.1 Die Wirtschaftsstrafgesetzgebung
4.5.2 Verfahren mit politischem Hintergrund
4.6 Ergebnisse

5 Auf dem Weg in den Sozialismus (1949 bis 1952)

5.1 SED und DJV durchdringen den Landesjustizapparat
5.1.1 Die kontrollierte Rechtsprechung
5.1.2 Neue Funktionseliten gegen ›alte‹ Juristen
5.1.2.1 Ungleichmäßige Säuberung im Justizapparat
5.1.2.2 Neue Führungskader mit alten Problemen
5.1.3 Die permanente Säuberung
5.1.4 Die SED und ihre Mitglieder im Rechtswesen
5.2 Der strukturelle Umbau des Rechtswesens
5.2.1 Die Verselbstständigung der Staatsanwaltschaft
5.2.2 Neuorientierung bei der Juristenausbildung?
5.2.3 Die Rechtsanwaltschaft
5.3 Justizpraxis, 3. Teil: Klassenkampf
5.3.1 Die Beteiligung des mecklenburgischen Justizapparats an den Waldheimer Prozessen
5.3.2 Die Schauprozesse
5.4 Ergebnisse

6 Zusammenfassung

7 Abkürzungsverzeichnis

8 Literaturverzeichnis

8.1 Nichtgedruckte Quellen
8.2 Gedruckte Quellen
8.3 Literatur

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