Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Rezensionen
Kurzzusammenfassung:
Die Studie bietet erstmal eine Geschichte ländlicher
Begräbnisplätze im späten Mittelalter und in
der Frühen Neuzeit. Anhand der Kirchhöfe des
Münsterlandes wird deutlich, wie wenig sich die
Meistererzählungen der Memorial- und
Sepulkralkulturforschung hier wiederfinden – ging es
doch hier im Gefolge der Reformation nicht um
Individualisierung und Säkularisierung, sondern um
zunehmende Kollektivierung und Intensivierung transzendenter
Sinnbezüge. Auch die Aufklärungszeit stand in
dieser Kontinuität. Den Schlüssel für diese
Erkenntnis bieten die auf dem Kirchhof abgehaltenen
Rituale.
Neben der Siedlungs- und Sozialgeschichte der
Kirchhöfe mitten in den Kirchorten und den Konflikten
zwischen Gemeinden und einzelnen Gemeindegliedern stehen vor
allem die qualitativen und quantitativen Veränderungen
der Liturgien in den einzelnen Gemeinden, ihre Deutungen und
sozialen Wirkungen im Zentrum der Arbeit. Während die
Autoritäten in ihrem Bemühen, den Kirchhof als
heiligen Raum zu profilieren, auf lange Sicht gesehen
scheiterten, sind hier Institutionalisierungsvorgänge
zu fassen, die als der wesentliche Prozess innerhalb der
katholischen Konfessionalisierung anzusehen sein
dürften.
Die Arbeit möchte auch Anregungen dafür geben,
frühneuzeitliche Konfessionsgeschichte als
Kulturgeschichte zu schreiben und insbesondere
Konfessionalisierung jenseits obrigkeitlichen Zwangs als
einen Prozess der sinn- und gemeinschaftsstiftenden
Ritualisierung zu begreifen.
[nach oben / to the top]
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Einleitung
A. Forschungskontext, Theorie und Vorgehen
- 1. Forschungssituation
- 1.1 Säkularisierung? Sepulkral- und
Memorialkultur in der Frühen Neuzeit
1.2 Zwischen Zwang und Handlungsaktualisierung: Konfessionalisierung in der jüngeren Forschung
2. Religiöse Ordnung als institutionelle und rituelle
Praxis
3. Konfessionalisierung und Sepulkralkultur:
Operationalisierung und Gliederung
4. Untersuchungsraum und Quellen
B. Kirchhof und Sepulkralkultur als Teil des
konfessionellen Wertesystems
- 1. Vorgeschichte: Mittelalter und Reformation
- 1.1 Immunität und Interdikt: Die
spätmittelalterliche Statutengesetzgebung
1.2 Lokales Wachstum und Heterogenität:
Kirchhofliturgien im Spätmittelalter
1.3 Die Entstehung protestantischer Sepulkralkulturen
2. Zwischen Beharrung und Reform: Die katholische Antwort
- 2.1 Religiöse Gestaltungsversuche im Bistum
Münster 1500 bis 1800
2.2 Jenseitsbekenntnis und Disziplin: Gemäßigte
Reaktionen bis um 1600
2.3 Kein Gedächtnis ohne Bekenntnis: Die
Gegenreformation auf den Kirchhöfen
2.4 Sepulkralkulturelle Werte und Normen in Diskurs und Gesetz 1600 bis 1800
- 2.4.1 Armenseelenkult: Die Toten und der Kirchhof
im religiösen Diskurs
2.4.2 Die Ausdifferenzierung der Verhaltensnormierungen nach
1600
2.4.3 Der Kirchhof als Ort institutionalisierter Heiligkeit
2.4.4 Rubrizierung und Entinstitutionalisierung: Das 18. Jahrhundert
3. Zusammenfassung
C. Raum-, Ding- und Leibsymbole zwischen Profanität
und Heiligkeit: Kirchhöfe als Bestandteile der
Kirchdörfer, ihre Ausstattung und Nutzung
- 1. Topographie und Gesellschaftlichkeit, Grenzen und Markierungen: Strukturen und Entwicklungstendenzen der permanenten Ordnungssymbolisierung
- 1.1 Siedlungsgeschichte und Sozialtopographie im
Spätmittelalter
1.2 Innere und äußere Grenzen: Versuch einer
Typologie
1.3 Grenzen und Grenzverschiebungen
- 1.3.1 Einfriedungen
1.3.2 Ein geschlossenes Raumensemble als Regelfall?
1.3.3 Grenzverschiebungen ohne topographische Markierungen?
1.3.4 Die Verweltlichung der Kirchhöfer
1.4 Armenversorgung und Gewährleistung des Kults:
Kirchhofgebäude und gemeindlicher Ressourcenzwang
1.5 Wissensvermittlung versus Sakralität: Schulen
1.6 Dorfarmut, Dienstleistung, Protoindustrialisierung: Die
Bewohner
1.7 Funktionalität und Schlichtheit: Raum- und Dingsymbole
- 1.7.1 Einfriedungen, Durchgänge und Wege
1.7.2 Erblich und »gemein«: Gräberfelder
1.7.3 Ermunterung zur Andacht: Religiöse Zeichen und
Beinhäuser
1.7.4 Ausgegrenzt und verschwiegen: Heidenkirchhöfe
1.7.5 Fehlende Organisation und wenig Besserung: Tendenzen in den Kirchenrechnungen
2. Institutionelle Verhaltensweisen der Parochianen
- 2.1 Die Gegenreformation: Einblicke in die
Gesellschaftlichkeit konfessioneller Ordnung
2.2 Kirchhofdelikte im Send: Allgemeine
Entwicklungstendenzen
2.3 Geschichten des Scheiterns
- 2.3.1 Ambulantes in coemeterio und
Konfliktaustrag
2.3.2 Die Abschließung des locus sacer
2.3.3 Ökonomische Nutzungen
2.4 Tanz und Spiel: Profane Vergemeinschaftungsformen
2.5 Grabkonflikte
2.6 Zwischen Kompromiss und Zuspitzung: Der Ausschluss vom Kirchhof
- 2.6.1 Entweihungen
2.6.2 Die Eingrenzung des Gedächtnisverlustes: Die
ungetauften Kinder
2.6.3 Moralität und Naturerscheinungen:
Selbstmörder und Verbrecher
2.6.4 Die Juden
2.7 Ende des 18. Jahrhunderts: Die Verschärfung der Zustände
3. Zusammenfassung
D. Ritualisierte Jenseitshilfen: Kirchhofliturgien
- 1. Zwischen Gewährleistung und
Diversifizierung: Ritualausstattungen
2. Regelmäßige Trauer- und Gedächtnisrituale
- 2.1 Von Beliebigkeit zu territorialer
Homogenität: Die Restitution der Begräbnis- und
Gedächtnisliturgien
2.2 Individueller Heilsdienst zwischen Formular und Lebenswelt: Das Begräbnis
- 2.2.1 Autonome Adaptionen: Kinder- und
Wöchnerinnenbegräbnis
2.2.2 Zur Integration indexikaler Verkörperungen: Begräbnis und sozialer Status
2.3 Individueller und allgemeiner Gräbergang bei
Totenmessen
2.4 Bruderschaftliche Kirchhofandachten
2.5 Gemeindliche Kirchhofprozessionen
- 2.5.1 Die Ausgangslage
2.5.2 Die processiones extraordinariae
2.5.3 Regelmäßige Kirchhofprozessionen im 17. und
18. Jahrhundert
2.5.4 Partizipation und Repräsentation: Zum Erfolg von
Kirchhofprozessionen
2.5.5 Ausgewichen und standgehalten: Die Aufklärung
3. Die metaperformativen Verstetigungsleistungen der Kirchhofliturgien
- 3.1 Sünde und Sühne, Gottes Vergeltung
und Gnade
3.2 Totengedenken als geistliches Bewirken
3.3 Totengedenken als Präsenzkultur
4. Zusammenfassung
E. Ländliche Sepulkral- und Memorialkultur in der
katholischen Konfessionalisierung: Zusammenfassung und
Ausblick
Anhang
Tabellen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ortsregister
[nach oben / to the top]
Rezensionen:
»Die opulente Dissertation von Jan Brademann
untersucht die frühneuzeitliche Sepulkralkultur im
Erzbistum Münster und widmet sich damit dem
ländlichen Raum, der in der Forschung bislang
weitestgehend ausgeblendet wurde. [...].«
»[...] Brademann zeichnet in seiner
hervorragenden Dissertation ein vitales Bild vom
frühneuzeitlichen Kirchhof und nimmt wichtige
Quantifizierungen für die [...] Typologie oder die
soziostrukturelle Belegung der Gräberfelder vor
[...].«
Barbara Happe: Historischen Zeitschrift, Heft 299/1
(2015), S. 199f.
[nach oben / to the top]
|