Elizabeth Harding, Michael Hecht (Hgg.)

Die Ahnenprobe in der Vormoderne

Selektion – Initiation – Repräsentation

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 37

2011, 450 Seiten, 16 Beiträge, 91/107 Abbildungen (91 Abbildung in s/w, 16 davon auch in Farbe), Harteinband
2011, 450 pages, 16 essays, 91/107 figures (91 figures in b/w, 16 of those also in full color), hardcover

ISBN 978-3-86887-006-0
Preis/price EUR 58,–

17 × 24cm (B×H), 1300g

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Aus dem Inhalt / from the book:

Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Näheres zu den Beiträgen


Kurzzusammenfassung:

Die Ahnenprobe gilt als ein wirksames Selektionsmittel spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Eliten, das im Zuge zunehmender Juridifizierung von ständischen Ordnungsvorstellungen an erheblicher Bedeutung gewann. In unterschiedlichen Kontexten diente sie als Nachweis einer geburtsständischen Qualität, womit sich zugleich bestimmte Gruppen den Zugang zu materiellen und politisch-sozialen Ressourcen exklusiv sicherten. Bildliche Darstellungen von Ahnenproben finden sich auch auf Grabsteinen, Porträts, alltäglichen Gebrauchsgegenständen und an Bauwerken.

Der Sammelband begreift das Denkmuster »Ahnenprobe« als eine vormoderne Ordnungsvorstellung von konstitutiver Geltungskraft und diskutiert ihre grundlegende Bedeutung für die Ständegesellschaft. Aus historischer und kunsthistorischer Perspektive werden anhand von Fallbeispielen aus unterschiedlichen Kontexten die Repräsentationsformen der Ahnenprobe sowie die kommunikative Praxis und deren Wandel in Europa und darüber hinaus in den Blick genommen. Die behandelten Themenfelder berühren Fragen der Ritual-, Wissens- und Verwandtschaftsforschung ebenso wie diejenigen Forschungsansätze, die sich mit Entscheidungsverfahren, Integrationsprozessen und Distinktionsstrategien bei Ständeversammlungen, in exklusiven Korporationen und am Fürstenhof beschäftigen.

* * *

Proofs of ancestry were a useful means of selection applied by late medieval and early modern elites and gained considerable importance in the course of the growing juridification of pre-modern hierarchical concepts of order. They provided proof of social affiliation in different contexts and were also used by certain groups for securing exclusive access to material and politico-social resources. Tombstones, portraits, objects of day-to-day use and buildings were visual representations of such proofs of ancestry.

In this collection of papers, the concept ›proof of ancestry‹ is described as a pre-modern idea of order with constitutive value and its fundamental importance for the Estate society is discussed. The various representations of proofs of ancestry, the communicative practice and the transformation of its use within and beyond the European context are discussed in historical and art-historical perspectives on the basis of case studies from various contexts. The topics covered deal with research questions on ritual, knowledge, kinship, decision-making and integration processes as well as strategies of distinction in estate assemblies, exclusive corporations and at the princely court.

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Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Elizabeth Harding / Michael Hecht:
Ahnenproben als soziale Phänomene des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine Einführung

DIE AHNENPROBE ALS REPRÄSENTATION VON VERWANDTSCHAFT

Simon Teuscher:
Verwandtschaft in der Vormoderne. Zur politischen Karriere eines Beziehungskonzepts

Inga Brinkmann:
Ahnenproben an Grabdenkmälern des lutherischen Adels im späten 16. und beginnenden 17. Jahrhundert

Volker Bauer:
Die gedruckte Ahnentafel als Ahnenformular. Zur Interferenz von Herrschafts-, Wissens- und Medienordnung in der Universalgenealogie des 17. Jahrhunderts

DIE AHNENPROBE IN STÄDTEN, DOMKAPITELN UND DAMENSTIFTEN IM ALTEN REICH

Knut Schulz:
Geburt, Herkunft und Integrität. Zur Handwerksehre vom 13. bis zum 16. Jahrhundert

Ute Küppers-Braun:
»Allermaßen der teutsche Adel allezeit auf das mütterliche Geschlecht fürnehmlich [...] gesehen.« Ahnenproben des hohen Adels in Dom- und kaiserlich-freiweltlichen Damenstiften

Kurt Andermann:
Zur Praxis der Aufschwörung in südwestdeutschen Domstiften der Frühneuzeit

DIE AHNENPROBE IN RITTERSCHAFTEN IM ALTEN REICH

Joachim Schneider:
Die Ahnenprobe der Reichsburg und Ganerbschaft Friedberg in der Vormoderne. Überlieferung, Praxis und Funktion

Josef Matzerath:
Die Einführung der Ahnenprobe in der kursächsischen Ritterschaft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Andreas Müller:
Die Praxis der Ahnenprobe im deutschen Adel des 18. Jahrhunderts. Das Beispiel der Ritterschaft des kurkölnischen Herzogtums Westfalen

DIE AHNENPROBE AM WIENER HOF UND IN HABSBURGISCHEN TERRITORIEN

Gerard Venner:
Ahnenproben der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers im 17. Jahrhundert

Arnout Mertens:
Ahnenproben und Adelsdefinitionen in habsburgischen Territorien des 17. und 18. Jahrhunderts

William D. Godsey:
Adel, Ahnenprobe und Wiener Hof. Strukturen der Herrschaftspraxis Kaiserin Maria Theresias

DIE AHNENPROBE IN EUROPÄISCHER UND AUSSEREUROPÄISCHER PERSPEKTIVE

Moritz Trebeljahr:
Adel in vier Vierteln. Die Ahnenprobe im Johanniterorden auf Malta in der Vormoderne

Leonhard Horowski:
»Diese große Regelhaftigkeit muß Ihnen fremd erscheinen«. Versailles, Straßburg und die Kollision der Adelsproben

Nikolaus Böttcher:
Ahnenforschung in Hispanoamerika. «Blutsreinheit» und die Castas-Gesellschaft in Neu-Spanien im 18. Jahrhundert

English Summaries

Register

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Näheres zu den Beiträgen:

Elizabeth Harding / Michael Hecht:
Ahnenproben als soziale Phänomene des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine Einführung

Zusammenfassung

Die Einleitung gibt einen Überblick über die Verbreitung und Entwicklung der Ahnenprobe als Zulassungsverfahren, Initiationsritual und Repräsentation von Verwandtschaft. Gefragt wird dabei erstens nach den Mechanismen der Willensbildung, die im Zusammenhang mit der Selektion ausgemacht werden können. Diese werden im Hinblick auf die Handlungs- und Interpretationsräume der beteiligten Akteure beleuchtet. Zweitens lenkt der Aufsatz den Blick auf die symbolisch-performativen Arrangements der Ahnenprobe im Rahmen von Aufnahmeritualen und umreißt so die ordnungsstiftende Dimension des Phänomens. Drittens geht es um die Darstellungen von Ahnenproben jenseits der Aufnahmeverfahren, wobei insbesondere auf die Funeralkultur, die höfisch-adlige Standesrepräsentation sowie die juristische und genealogische Publizistik geschaut wird. In einem Ausblick erörtert die Einleitung die Grenzen des Denkmusters »Ahnenprobe« in funktionaler, in räumlicher und zeitlicher Perspektive.

Abstract

The introduction gives an overview of the geographical distribution of proofs of ancestry and their use as admission procedure, initiation ritual and representation of kinship. The paper begins by examining the mechanisms of decision-making that can be identified with regard to selection. These are discussed with reference to the actions and interpretations available to those involved. By focusing on symbolic and performative arrangements in the context of admission rituals, the introduction goes on to outline the impact of such proofs of ancestry on the social stratification. In a third part, representations of proofs of ancestry beyond the admission ritual are dealt with, in particular in funeral culture, representations of rank at court and in the nobility as well as in legal and genealogical writing. The limitations of the concept ›proof of ancestry‹ in terms of functionality, space and time are discussed in the final part of the introduction.

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Simon Teuscher:
Verwandtschaft in der Vormoderne. Zur politischen Karriere eines Beziehungskonzepts

Zusammenfassung

Der Beitrag diskutiert die langfristige Entwicklung der Verwandtschaft zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit. Er geht zunächst kritisch auf herkömmliche historische Narrative über den Niedergang der Verwandtschaft im Zuge von Modernisierungsprozessen ein. Diesen wird ein alternatives Entwicklungsmodell entgegengesetzt, das die produktive Rolle der Verwandtschaft in Prozessen der Staatsbildung betont. Grundlegend hierfür waren auch neue gelehrte Konzeptionalisierungen, die Verwandtsein physiologisch nicht mehr mit geteiltem Fleisch, sondern mit geteiltem Blut in Verbindung setzten. Damit bahnten sie einem stärker an Linearität und intergenerationeller Konstanz orientierten Verwandtschaftsverständnis den Weg, das – so wird am Schluss gezeigt – im Lauf der Neuzeit selbst in kommunalen politischen Ordnungsvorstellungen tragende Funktionen erhielt.

Abstract

The paper discusses the long-term development of kinship from the Middle Ages to the modern era. First, conventional historical narratives on the decline of kinship over the course of modernisation are critically examined. An alternative model stressing the productive role of kinship in state building processes is then proposed. This was based among other things on the dissemination of new physiological concepts of kinship as being not of the same flesh, but of the same blood. Thus the way was paved for a concept of kinship with a greater focus on linearity and intergenerational consistency. The final part of this paper will show that over the course of the modern era, this concept grew to take on a fundamental role in communal political concepts of order.

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Inga Brinkmann:
Ahnenproben an Grabdenkmälern des lutherischen Adels im späten 16. und beginnenden 17. Jahrhundert

Zusammenfassung

Hinsichtlich der Gestaltung von Grablegen und Grabdenkmälern lässt sich bei reichsunmittelbarem und landsässigem Adel lutherischer Konfession eine relative Einheitlichkeit beobachten. Beide Gruppen verfolgten in gleichem Maße weltlich- repräsentative Ziele und griffen zu diesem Zweck auf dieselben Mittel bei der Gestaltung von Sepultur und Begräbnisfeier zurück. Dazu gehörte umfangreicher heraldischer Schmuck, zumeist in Form der Sechzehnahnenprobe. Dieses Phänomen darf allerdings nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit der Trauerpublizistik zu sehen sowie in den größeren Kontext herrschaftlicher Inanspruchnahme des öffentlichen Kirchenraums einzuordnen.

Abstract

The design of burial places and memorial gravestones of the immediate and mediate nobility of Lutheran confession is relatively uniform. Both groups had secular-representative aims in mind, which translated into applying the same means for designing their sepulchral and funeral rites. This included extensive heraldic ornamentation, mostly in the shape of proofs of ancestry displaying sixteen quarterings. This phenomenon, however, is not to be considered in isolation, but in relation to funeral sermons and should also be placed in the wider context of the occupation of public ecclesiastical space by the ruling class.

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Volker Bauer:
Die gedruckte Ahnentafel als Ahnenformular. Zur Interferenz von Herrschafts-, Wissens- und Medienordnung in der Universalgenealogie des 17. Jahrhunderts

Zusammenfassung

Der Beitrag beschäftigt sich mit Modellen für die Ordnung, Darstellung und Vermittlung genealogischen Wissens in den Druckwerken der Frühen Neuzeit und fragt nach den spezifischen Stärken und Schwächen der Ahnentafel als Instrument zur Veranschaulichung genealogischer Verhältnisse. Im Gegensatz zu anderen Aufzeichnungsformen stellt die Ahnentafel ein festdefiniertes Formular dar, wodurch sie zu einer stabilen, damit aber auch einfachen, leicht zu reproduzierenden und marktgängigen Darstellungsweise avancierte. Zugleich war sie ein effektives Mittel dynastischer Repräsentation, denn die Ahnentafel visualisiert ganz unverstellt die Akkumulation dynastischen Kapitals in der Person des Probanden und bezieht zu diesem Zweck (anders als Stammtafeln/-bäume) die kognatische Vorfahrenschaft ein.

Abstract

The paper deals with models for the structuring, representation and communication of genealogical knowledge in early modern prints and looks at the specific strengths and weaknesses of the genealogical table as an instrument for visualising genealogical relationships. Unlike other means of recording, the genealogical table had a clearly defined standard form. It thus advanced to become an established form of representation, which was also simple in form, easy to reproduce and marketable. At the same time, the genealogical table became an efficient means of dynastic representation in its undisguised visualisation of the accumulation of dynastic capital in the person of the proband, to which end cognate ascendants were taken into account – unlike tables of descendants.

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Knut Schulz:
Geburt, Herkunft und Integrität. Zur Handwerksehre vom 13. bis zum 16. Jahrhundert

Zusammenfassung

In vielen – durchaus nicht in allen – Städten der Vormoderne galten eheliche Geburt, »ehrliche« Herkunft (Gegenbegriff: »unehrliche« Berufe und Tätigkeiten) und Integrität als Voraussetzung für den Erwerb des Zunft- und mitunter auch des Bürgerrechts. Dies war seit dem 15. Jahrhundert zunehmend mittels eines schriftlichen Zeugnisses, zum Teil unter Einbeziehung der Eltern und Großeltern (Ahnenprobe), nachzuweisen. Darin dokumentiert sich das wachsende Bedürfnis nach Ausformung einer spezifischen Standesehre des jeweiligen Zunfthandwerks und der Gesellengruppen. Man orientierte sich nicht zuletzt am Stadtadel bzw. Patriziat und schuf auf diesem Wege eine Abgrenzung nach unten. In dem Beitrag werden Entwicklungslinien und Einschnitte hinsichtlich der Zulassungsbedingungen herausgearbeitet und die zünftige Abschließungstendenzen mit der Handwerksehre in Verbindung gebracht.

* * *

Abstract

In many but by far not all pre-modern towns, applicants had to fulfil certain preconditions before they could join a guild or, occasionally, become a citizen, such as being born in wedlock, being of ›reputable‹ descent (as opposed to being of a ›disreputable‹ trade or occupation) and of having an upright character. From the fifteenth century onwards it became more and more common to require proof in the shape of a written document, occasionally with reference to parents and grandparents (proof of ancestry). This expresses the increasing need felt by the guilds and groups of journeymen to develop a specific code of honour befitting their class and rank. These groups took the urban nobility and patriciate as reference points, closing themselves off from lower classes as a result. The paper describes the developments and the breaks in these admission requirements and correlates them with trends in the closure of guilds and the craftsman's concept of honour.

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Ute Küppers-Braun:
»Allermaßen der teutsche Adel allezeit auf das mütterliche Geschlecht fürnehmlich [...] gesehen.« Ahnenproben des hohen Adels in Dom- und kaiserlich-freiweltlichen Damenstiften

Zusammenfassung

In der Vormoderne standen einige Frauenstifte nur Angehörigen des katholischen hohen Adels offen. Für den Zugang wurde nicht der Nachweis ritterbürtiger Adelsqualität, sondern die Aufschwörung der edlen und von Diensten freien Abstammung gefordert. Im Beitrag wird argumentiert, dass die Überprüfung der Stiftsfähigkeit zugleich eine Aussage über die Ebenbürtigkeit der aufgenommenen Damen mit potentiellen späteren Heiratskandidaten darstellte. Stand für die Stifte zunächst die Abgrenzung zum niederen Adel im Vordergrund, so richtete sich das Aufnahmeverfahren schließlich vorwiegend gegen Personen aus neu in den Hochadel aufgestiegenen Häusern.

* * *

Abstract

In pre-modern times, several women's convents only admitted members of the Catholic high nobility. Admission was not based on proving knightly descent, but required the solemn adjuration of noble descent that was free of duties. The paper argues that by verifying a female applicant's admission requirements in this way, her status for a potential marriage was also proved. Whereas the orders were, initially, mostly interested in dissociation from the lower nobility, the admission procedure was later used largely to exclude members of houses that had only recently joined the ranks of the higher nobility.

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Kurt Andermann:
Zur Praxis der Aufschwörung in südwestdeutschen Domstiften der Frühneuzeit

Zusammenfassung

Mittels unterschiedlich streng gehandhabter Zulassungsbedingungen monopolisierte der Adel der Frühneuzeit den Zugriff auf finanziell und politisch gleichermaßen wertvolle Domstiftspfründen. Der Beitrag beschäftigt sich mit den domkapitelischen Normen, der Aufnahmepraxis sowie der Gestalt und dem Inhalt der im Rahmen einer feierlichen Zulassung (Aufschwörung) vorgelegten Wappenahnentafeln am Beispiel der Domkapitel von Speyer und Konstanz. Durch Vergleiche mit anderen oberdeutschen Kapiteln wird so die Flexibilität des Adels im Umgang mit dieser geburtsständisch höchst anspruchsvollen und hoch politischen Angelegenheit verdeutlicht.

Abstract

The early modern nobility monopolised access to both financially and politically profitable cathedral chapter prebends by means of a more or less strict application of admission requirements. Using the example of the cathedral chapters of Speyer and Constance, the paper discusses the norms set by the chapters, the entry system itself as well as the form and contents of emblazoned pedigrees produced on the occasion of admission ceremonies (adjuration). These findings are compared with other cathedral chapters from southern Germany, thus illustrating the nobility's flexible approach in handling this politically and socially demanding issue.

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Joachim Schneider:
Die Ahnenprobe der Reichsburg und Ganerbschaft Friedberg in der Vormoderne. Überlieferung, Praxis und Funktion

Zusammenfassung

Im Fall des Burgmannenverbands der Reichsburg Friedberg bieten sich interessante Einblicke in die Funktionalität der Ahnenprobe: Obgleich sie in einer gewissen Konkurrenz zur Erbfolge -- d.h. dem Übertragungsrecht der Zulassungsberechtigung von einem Vater auf den Sohn oder Schwiegersohn -- stand, spielte die mehrschichtige schriftliche Erfassung aller Ahnenproben über Jahrhunderte hinweg eine wichtige, wenn nicht sogar die zentrale Rolle für die Dokumentation von Traditionalität und Homogenität des sozialen Verbandes. Zugleich fällt auf, dass die Bereitschaft des Leitungsgremiums der Ganerbschaft, ein neues Mitglied aufzunehmen, im Laufe der Jahrhunderte für die Zulassung immer entscheidender wurde. Die Ahnenprobe wurde so zu einem Vehikel für das Leitungsgremium, um stellvertretend für die gesamte Ganerbschaft Souveränität und Selbstbestimmung zu demonstrieren.

Abstract

The example of the burgmann company of the imperial castle (Reichsburg) in Friedberg provides interesting insights into the functionality of proofs of ancestry. The multilayered written documentation of all proofs of ancestry across centuries was of crucial, if not of central importance for documenting the traditionalism and homogeneity of a social group. This holds true despite the fact that, to a certain extent, admission rules competed with succession regulations, i.e. the entitlement of transferring admission authority from father to son or son-in-law. It is, furthermore, striking that, over the course of the centuries, the Ganerbschaft council's willingness to admit a new member emerged as a tool of ever- increasing importance. Proofs of ancestry became an instrument by means of which the council could demonstrate sovereignty and self-determination – on behalf of the entire Ganerbschaft.

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Josef Matzerath:
Die Einführung der Ahnenprobe in der kursächsischen Ritterschaft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht die Einführung der Ahnenprobe bei der sächsischen Ritterschaft und die Argumente, die für eine Abschließung der Korporation ins Feld geführt wurden. Aus ihnen wird ersichtlich, dass es der Ritterschaft weniger um ökonomische Ressourcen, sondern in zentraler Weise um eine Binnendifferenzierung innerhalb des Adels sowie die Wahrung der adligen Ehre ging. Die Ahnenprobe trug zur Gruppenkonstituierung bei, indem sie für den landtagsfähigen Adel eine generationenübergreifend vernetzte Leistungsbilanz behauptete. Insofern diente die Ahnenprobe der Gemeinschaftsbildung und Ausgrenzung. Zugleich wird auch deutlich, dass bei der Umsetzung dieses Selektionsprinzips nicht formale Kriterien zu Grunde gelegt wurden, sondern die sich abschließende Gemeinschaft recht kulant mit bekannten Familien umging.

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Abstract

The paper explores the introduction of proofs of ancestry among the knights of the Electorate of Saxony and the arguments brought forward in favour of the corporation's closure. What they reveal is that the knights were not so much interested in economic resources but, first and foremost, in a form of differentiation within the nobility and in ensuring their noble honour. Proofs of ancestry ensured that a section of the nobility was entitled to take part in the estate assemblies and documented a balance of services that spun over generations. In this respect, proofs of nobility lead to both community formation and exclusion. It also becomes apparent that the implementation of this principle of selection was not based on formal criteria, as the community was rather accommodating towards well-known families.

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Andreas Müller:
Die Praxis der Ahnenprobe im deutschen Adel des 18. Jahrhunderts. Das Beispiel der Ritterschaft des kurkölnischen Herzogtums Westfalen

Zusammenfassung

Exemplarisch wird am Beispiel der Ritterschaft des Herzogtums Westfalens gezeigt, wie im 18. Jahrhundert der katholische Niederadel Westfalens das Instrument der Ahnenprobe tatsächlich handhabte. Dabei zeigt sich, dass die adlige Korporation bei der Durchführung von Ahnenproben über einen großen Spielraum verfügte, den sie wohl zu nutzen wusste. So wird hinsichtlich unterschiedlicher Anwärter aus heimischen, auswärtigen, nobilitierten sowie patrizischen Geschlechtern deutlich gemacht, dass zwar prinzipiell an einer konsequenten Anwendung der Bestimmungen zur Ahnenprobe festgehalten wurde, man sich gerade im Falle politischer Erwägungen aber auch darüber hinwegsetzen konnte.

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Abstract

The paper discusses the use of proofs of ancestry by the Catholic lower nobility in the eighteenth-century by examining the knights of the Duchy of Westphalia. It shows that when processing proofs of ancestry, noble corporations had considerable leeway and were well versed in making extensive use of it. In principle, proofs of ancestry were consistently required from different applicants from local, foreign, ennobled and patrician houses, but political considerations in particular could lead to them being ignored as well.

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Gerard Venner:
Ahnenproben der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers im 17. Jahrhundert

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Mechanismen der Grenzziehung bei der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers in den Mittelpunkt und untersucht exemplarisch anhand einzelner Fallbeispiele das Vorgehen der an der Ahnenprobenpraxis beteiligten Akteure und die Wege der Entscheidungsfindung. Über den Hebel der Ahnenprobe wurden dort ständische Grenzen fest- und fortgeschrieben. Diese Gemeinschaft entwickelte sich dabei allerdings nicht zu einer streng geschlossenen Korporation; vielmehr integrierte der Adel Personenkreise, den seine benachbarten Standesgenossen ausschlossen.

Abstract

The paper centers on the mechanisms of separation among the knights of Upper Guelders and explores the behaviour patterns of actors involved in the practice of proving nobility and the decision-making process by means of individual case studies. Here, proofs of ancestry served as a lever for defining and adjusting status boundaries. The community, nevertheless, did not develop into a strictly closed corporation; in fact, the nobility integrated applicants which were excluded by other noble groups.

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Arnout Mertens:
Ahnenproben und Adelsdefinitionen in habsburgischen Territorien des 17. und 18. Jahrhunderts

Zusammenfassung

Die Forschung zum Adel der Südlichen Niederlande bescheinigt diesem eine ständische Offenheit. Diese Einschätzung ist jedoch angesichts der ökonomischen und ideologischen Bedeutung, die der adligen Abstammung in der Frühen Neuzeit beigemessen wurde, zu hinterfragen, was auch der Blick auf den Hof, die adligen Stifte und die Ständeversammlungen bestätigt. Denn die monarchische Nobilitierungspraxis hatte keine Auflösung ständischer Unterschiede zur Folge, sondern der alte Adel antwortete auf diese Entwicklung mit einer Stärkung seiner adligen Identität und ganz unterschiedlichen Zulassungsbedingungen zu den von ihm dominierten Institutionen.

Abstract

Given the practical and ideological advantages of a pure noble pedigree, it seems appropriate to question the emphasis historians have put on the openness of the nobility in the Southern Netherlands. Concentrating on the monarchical court, collegiate foundations and Estate Assemblies gives a very different view. The princely bestowal of noble titles did not result in a fusion of the various noble groups or of nobles and non-noble elites in the Southern Low Countries. On the contrary, the multiple ennoblements of the seventeenth and eighteenth centuries pushed the aristocracy to strengthen its corporate identity and, by various means, to tighten the admission conditions of the noble institutions it dominated.

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William D. Godsey:
Adel, Ahnenprobe und Wiener Hof. Strukturen der Herrschaftspraxis Kaiserin Maria Theresias

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht die Umstände, die zur Einführung einer förmlichen Ahnenprobe als Zulassungsvoraussetzung zum Wiener Hof (und so zur Nähe zum Herrscher) durch Kaiserin Maria Theresa im Jahr 1754 geführt haben. Im ersten Teil werden die Hintergründe kurz umrissen und im zweiten näher auf die normativen Vorgaben zum Umgang mit der Ahnenprobe eingegangen. Der dritte Abschnitt widmet sich der eigentlichen Zulassungspraxis und der Handhabung der Ahnenproben. Abschließend wird der Versuch unternommen, die Ahnenprobenpraxis in den sozialen und politischen Kontext einzubetten. Zu zeigen ist, dass diese Neuerung das genealogische Profil der später für ihre Exklusivität bekannten transterritorialen Habsburger Aristokratie schärfte. Auslöser dieser Entwicklung scheinen weniger die von der Forschung konstatierten adligen Abschottungsbemühungen (»Aristocratic Reaction«) in Zeiten wichtiger politischer Reformen zu sein. Vielmehr ist die Einführung der Ahnenprobe Staatsbildungsprozessen zuzuschreiben, die ihrerseits zu einer weiteren Fragmentierung des Adels führten.

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Abstract

This article explores the circumstances surrounding the introduction of formal pedigrees for admission to the Court of Vienna (and thus access to the ruler) by the Empress Maria Theresa in 1754. In an initial section, the historical background to this development is briefly considered. Secondly, the normative provisions governing the use of the pedigree at the Viennese Court are outlined. This is followed, thirdly, by a look at the actual practice of admissions to Court on the basis of proof of ancestry. Finally, an attempt is made to place the use of pedigrees at Court in the broader political and social context. This innovation hardened up the later famously exclusive genealogical and social contours of the trans-territorial Habsburg aristocracy. But it is less attributable to an ›aristocratic reaction‹ in a period of important political reform than to processes of state-building that further fragmented the nobility.

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Moritz Trebeljahr:
Adel in vier Vierteln. Die Ahnenprobe im Johanniterorden auf Malta in der Vormoderne

Zusammenfassung

In Fragen der Beurteilung von Adel und der Nobilitierung kam dem Johanniterorden der Vormoderne die Rolle einer Schiedsinstanz über Erfolg oder Scheitern von Familienstrategien zu. Die Ahnenprobe war das normativ bedeutendste Instrument, den elitären und adligen Charakter der Gemeinschaft der Ritter zu stärken und unliebsame Bewerber abzuwehren. Die Anforderungen im Aufnahmeprozess der Johanniter gestalteten sich jedoch flexibel. Ausschlaggebend für die politisch-soziale Ausrichtung des Ordens und entscheidender als die Statuten waren die spezifischen Gegebenheiten in den nationalen und regionalen Ordensbesitzungen und vor allem die Qualität der mikropolitischen Verbindungen, die den Beteiligten für die Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung standen, wie am Beispiel einzelner Zulassungskonflikte und den Grenzen päpstlicher Günstlingspolitik gezeigt wird.

Abstract

The pre-modern Order of Saint John had the role of an arbitral authority over judgements of nobility and ennoblement and, thus, great influence on the success or failure of family strategies. In normative terms, proofs of ancestry were both the core means for strengthening the elitist and noble character of this community of knights as well as for excluding unwanted applicants. The requirements of the Order of Saint John's admission procedure were, nevertheless, flexible. The specific situation in the national and regional possessions of the Order had a far greater influence on the political and social orientation of the Order than its statutes. The quality of these micro-political relationships was of particular importance in this context as it provided the parties involved with a means of enforcing their interests. The paper illustrates this fact using the example of individual admission conflicts and the limits of the papal protégé system.

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Leonhard Horowski:
»Diese große Regelhaftigkeit muß Ihnen fremd erscheinen«. Versailles, Straßburg und die Kollision der Adelsproben

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht, welchen Einfluss die strukturellen Unterschiede zwischen dem deutschen und französischen Adelsnachweis auf die französische Ost-Expansion des 17. und 18. Jahrhunderts hatten. Nach einer kurzen Darstellung der französischen Wahrnehmung des angeblich viel strengeren deutschen Systems wird der Blick auf die französischen preuves de noblesse gerichtet, bei denen lediglich die väterliche Abstammung interessierte und die untrennbar mit einer adligen Kultur relativ exogamer Heiratskreise verknüpft waren. Anschließend thematisiert der Beitrag am Beispiel des Bistums Straßburg, wie dies die französische »Invasion« einer deutschen Institution fast verhinderte und wie in der Folge eine kleine Klientelgruppe mittels der Betonung ihres genealogischen Kapitals zu Macht kam.

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Abstract

This article aims to explore the impact of fundamental structural differences between the German and French systems of proving nobility on France's 17th and 18th century eastward expansion. After a short summary of French views on the supposedly more rigid German system, it analyses the relevance of French preuves de noblesse which were only concerned with patrilinear ancestry and became irrevocably linked to an aristocratic culture of relatively exogamous marriages. It then uses the case of the bishopric of Strasbourg to show how this made the necessary »invasion« of a powerful German institution by Frenchmen almost fail and thus allowed a minute faction of French courtiers to establish lasting positions of power simply by instrumentalising previously irrelevant genealogical capital.

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Nikolaus Böttcher:
Ahnenforschung in Hispanoamerika. »Blutsreinheit« und die Castas-Gesellschaft in Neu-Spanien im 18. Jahrhundert

Zusammenfassung

Die spanische Eroberung Amerikas stellte die spanische Krone vor neue Herausforderungen, weshalb sie neue Formen der politischen und sozialen Kontrolle entwickelte. Infolge dessen wurde die Bevölkerung der Indias nicht nur durch Religion, sondern auch durch ständische Unterschiede geformt. Das Konzept der Reinheit des Blutes (limpieza de sangre) diente den spanischen Autoritäten als ein Instrument der Integration und Distinktion. Fallstudien zu Neuspanien des 17. und 18. Jahrhunderts verdeutlichen diese Kontrollmechanismen und deren Auswirkungen auf die koloniale Gesellschaft. Besondere Aufmerksamkeit wird den Veränderungen, die die Begriffe »Reinheit« und »Rasse« durchliefen, geschenkt.

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Abstract

The Spanish conquest of the Americas brought new social realities forcing the Spanish Crown to seek alternative forms of political and social control. As a result, the society in the »Indies« was shaped not only on the fundaments of religion but also of social segregation. The concept of »purity of blood« (limpieza de sangre) served the Spanish authorities as an instrument of integration and exclusion. Case studies from New Spain in the 17th and 18th centuries showcase these mechanisms of control and their effects on the colonial society. Special attention is paid to the change of the terms »purity« and »race«.

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