Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Näheres zu den Beiträgen
Kurzzusammenfassung:
Die Ahnenprobe gilt als ein wirksames Selektionsmittel
spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher
Eliten, das im Zuge zunehmender Juridifizierung von
ständischen Ordnungsvorstellungen an erheblicher
Bedeutung gewann. In unterschiedlichen Kontexten diente sie
als Nachweis einer geburtsständischen Qualität,
womit sich zugleich bestimmte Gruppen den Zugang zu
materiellen und politisch-sozialen Ressourcen exklusiv
sicherten. Bildliche Darstellungen von Ahnenproben finden
sich auch auf Grabsteinen, Porträts, alltäglichen
Gebrauchsgegenständen und an Bauwerken.
Der Sammelband begreift das Denkmuster
»Ahnenprobe« als eine vormoderne
Ordnungsvorstellung von konstitutiver Geltungskraft und
diskutiert ihre grundlegende Bedeutung für die
Ständegesellschaft. Aus historischer und
kunsthistorischer Perspektive werden anhand von
Fallbeispielen aus unterschiedlichen Kontexten die
Repräsentationsformen der Ahnenprobe sowie die
kommunikative Praxis und deren Wandel in Europa und
darüber hinaus in den Blick genommen. Die behandelten
Themenfelder berühren Fragen der Ritual-, Wissens- und
Verwandtschaftsforschung ebenso wie diejenigen
Forschungsansätze, die sich mit Entscheidungsverfahren,
Integrationsprozessen und Distinktionsstrategien bei
Ständeversammlungen, in exklusiven Korporationen und am
Fürstenhof beschäftigen.
* * *
Proofs of ancestry were a useful means of selection
applied by late medieval and early modern elites and gained
considerable importance in the course of the growing
juridification of pre-modern hierarchical concepts of order.
They provided proof of social affiliation in different
contexts and were also used by certain groups for securing
exclusive access to material and politico-social resources.
Tombstones, portraits, objects of day-to-day use and
buildings were visual representations of such proofs of
ancestry.
In this collection of papers, the concept proof of
ancestry is described as a pre-modern idea of order
with constitutive value and its fundamental importance for
the Estate society is discussed. The various representations
of proofs of ancestry, the communicative practice and the
transformation of its use within and beyond the European
context are discussed in historical and art-historical
perspectives on the basis of case studies from various
contexts. The topics covered deal with research questions on
ritual, knowledge, kinship, decision-making and integration
processes as well as strategies of distinction in estate
assemblies, exclusive corporations and at the princely
court.
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Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Elizabeth Harding / Michael Hecht:
Ahnenproben als soziale Phänomene des
Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit.
Eine Einführung
DIE AHNENPROBE ALS REPRÄSENTATION VON VERWANDTSCHAFT
Simon Teuscher:
Verwandtschaft in der Vormoderne. Zur politischen Karriere
eines Beziehungskonzepts
Inga Brinkmann:
Ahnenproben an Grabdenkmälern des lutherischen Adels im
späten 16. und beginnenden 17. Jahrhundert
Volker Bauer:
Die gedruckte Ahnentafel als Ahnenformular. Zur Interferenz
von Herrschafts-, Wissens- und Medienordnung in der
Universalgenealogie des 17. Jahrhunderts
DIE AHNENPROBE IN STÄDTEN, DOMKAPITELN UND
DAMENSTIFTEN IM ALTEN REICH
Knut Schulz:
Geburt, Herkunft und Integrität. Zur Handwerksehre vom
13. bis zum 16. Jahrhundert
Ute Küppers-Braun:
»Allermaßen der teutsche Adel allezeit auf das
mütterliche Geschlecht fürnehmlich [...]
gesehen.« Ahnenproben des hohen Adels in Dom- und
kaiserlich-freiweltlichen Damenstiften
Kurt Andermann:
Zur Praxis der Aufschwörung in südwestdeutschen
Domstiften der Frühneuzeit
DIE AHNENPROBE IN RITTERSCHAFTEN IM ALTEN REICH
Joachim Schneider:
Die Ahnenprobe der Reichsburg und Ganerbschaft Friedberg in
der Vormoderne. Überlieferung, Praxis und
Funktion
Josef Matzerath:
Die Einführung der Ahnenprobe in der
kursächsischen Ritterschaft in der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts
Andreas Müller:
Die Praxis der Ahnenprobe im deutschen Adel des
18. Jahrhunderts. Das Beispiel der Ritterschaft des
kurkölnischen Herzogtums Westfalen
DIE AHNENPROBE AM WIENER HOF UND IN HABSBURGISCHEN
TERRITORIEN
Gerard Venner:
Ahnenproben der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers
im 17. Jahrhundert
Arnout Mertens:
Ahnenproben und Adelsdefinitionen in habsburgischen
Territorien des 17. und 18. Jahrhunderts
William D. Godsey:
Adel, Ahnenprobe und Wiener Hof. Strukturen der
Herrschaftspraxis Kaiserin Maria Theresias
DIE AHNENPROBE IN EUROPÄISCHER UND
AUSSEREUROPÄISCHER PERSPEKTIVE
Moritz Trebeljahr:
Adel in vier Vierteln. Die Ahnenprobe im Johanniterorden auf
Malta in der Vormoderne
Leonhard Horowski:
»Diese große Regelhaftigkeit muß Ihnen
fremd erscheinen«. Versailles, Straßburg und die
Kollision der Adelsproben
Nikolaus Böttcher:
Ahnenforschung in Hispanoamerika. «Blutsreinheit»
und die Castas-Gesellschaft in Neu-Spanien im
18. Jahrhundert
English Summaries
Register
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Näheres zu den Beiträgen:
Elizabeth Harding / Michael Hecht:
Ahnenproben als soziale Phänomene des
Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine Einführung
Zusammenfassung
Die Einleitung gibt einen Überblick über die
Verbreitung und Entwicklung der Ahnenprobe als
Zulassungsverfahren, Initiationsritual und
Repräsentation von Verwandtschaft. Gefragt wird dabei
erstens nach den Mechanismen der Willensbildung, die im
Zusammenhang mit der Selektion ausgemacht werden
können. Diese werden im Hinblick auf die Handlungs- und
Interpretationsräume der beteiligten Akteure
beleuchtet. Zweitens lenkt der Aufsatz den Blick auf die
symbolisch-performativen Arrangements der Ahnenprobe im
Rahmen von Aufnahmeritualen und umreißt so die
ordnungsstiftende Dimension des Phänomens. Drittens
geht es um die Darstellungen von Ahnenproben jenseits der
Aufnahmeverfahren, wobei insbesondere auf die Funeralkultur,
die höfisch-adlige Standesrepräsentation sowie die
juristische und genealogische Publizistik geschaut wird. In
einem Ausblick erörtert die Einleitung die Grenzen des
Denkmusters »Ahnenprobe« in funktionaler, in
räumlicher und zeitlicher Perspektive.
Abstract
The introduction gives an overview of the geographical
distribution of proofs of ancestry and their use as
admission procedure, initiation ritual and representation of
kinship. The paper begins by examining the mechanisms of
decision-making that can be identified with regard to
selection. These are discussed with reference to the actions
and interpretations available to those involved. By focusing
on symbolic and performative arrangements in the context of
admission rituals, the introduction goes on to outline the
impact of such proofs of ancestry on the social
stratification. In a third part, representations of proofs
of ancestry beyond the admission ritual are dealt with, in
particular in funeral culture, representations of rank at
court and in the nobility as well as in legal and
genealogical writing. The limitations of the concept
proof of ancestry in terms of functionality,
space and time are discussed in the final part of the
introduction.
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Simon Teuscher:
Verwandtschaft in der Vormoderne. Zur politischen Karriere eines
Beziehungskonzepts
Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert die langfristige Entwicklung der
Verwandtschaft zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit. Er
geht zunächst kritisch auf herkömmliche
historische Narrative über den Niedergang der
Verwandtschaft im Zuge von Modernisierungsprozessen ein.
Diesen wird ein alternatives Entwicklungsmodell
entgegengesetzt, das die produktive Rolle der Verwandtschaft
in Prozessen der Staatsbildung betont. Grundlegend
hierfür waren auch neue gelehrte
Konzeptionalisierungen, die Verwandtsein physiologisch nicht
mehr mit geteiltem Fleisch, sondern mit geteiltem Blut in
Verbindung setzten. Damit bahnten sie einem stärker an
Linearität und intergenerationeller Konstanz
orientierten Verwandtschaftsverständnis den Weg, das
– so wird am Schluss gezeigt – im Lauf der
Neuzeit selbst in kommunalen politischen
Ordnungsvorstellungen tragende Funktionen erhielt.
Abstract
The paper discusses the long-term development of kinship
from the Middle Ages to the modern era. First, conventional
historical narratives on the decline of kinship over the
course of modernisation are critically examined. An
alternative model stressing the productive role of kinship
in state building processes is then proposed. This was based
among other things on the dissemination of new physiological
concepts of kinship as being not of the same flesh, but of
the same blood. Thus the way was paved for a concept of
kinship with a greater focus on linearity and
intergenerational consistency. The final part of this paper
will show that over the course of the modern era, this
concept grew to take on a fundamental role in communal
political concepts of order.
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Inga Brinkmann:
Ahnenproben an Grabdenkmälern des lutherischen Adels im späten 16.
und beginnenden 17. Jahrhundert
Zusammenfassung
Hinsichtlich der Gestaltung von Grablegen und
Grabdenkmälern lässt sich bei reichsunmittelbarem
und landsässigem Adel lutherischer Konfession eine
relative Einheitlichkeit beobachten. Beide Gruppen
verfolgten in gleichem Maße weltlich-
repräsentative Ziele und griffen zu diesem Zweck auf
dieselben Mittel bei der Gestaltung von Sepultur und
Begräbnisfeier zurück. Dazu gehörte
umfangreicher heraldischer Schmuck, zumeist in Form der
Sechzehnahnenprobe. Dieses Phänomen darf allerdings
nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im
Zusammenhang mit der Trauerpublizistik zu sehen sowie in den
größeren Kontext herrschaftlicher Inanspruchnahme
des öffentlichen Kirchenraums einzuordnen.
Abstract
The design of burial places and memorial gravestones of
the immediate and mediate nobility of Lutheran confession is
relatively uniform. Both groups had secular-representative
aims in mind, which translated into applying the same means
for designing their sepulchral and funeral rites. This
included extensive heraldic ornamentation, mostly in the
shape of proofs of ancestry displaying sixteen quarterings.
This phenomenon, however, is not to be considered in
isolation, but in relation to funeral sermons and should
also be placed in the wider context of the occupation of
public ecclesiastical space by the ruling class.
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Volker Bauer:
Die gedruckte Ahnentafel als Ahnenformular. Zur Interferenz
von Herrschafts-, Wissens- und Medienordnung in der
Universalgenealogie des 17. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit Modellen für
die Ordnung, Darstellung und Vermittlung genealogischen
Wissens in den Druckwerken der Frühen Neuzeit und fragt
nach den spezifischen Stärken und Schwächen der
Ahnentafel als Instrument zur Veranschaulichung
genealogischer Verhältnisse. Im Gegensatz zu anderen
Aufzeichnungsformen stellt die Ahnentafel ein
festdefiniertes Formular dar, wodurch sie zu einer stabilen,
damit aber auch einfachen, leicht zu reproduzierenden und
marktgängigen Darstellungsweise avancierte. Zugleich
war sie ein effektives Mittel dynastischer
Repräsentation, denn die Ahnentafel visualisiert ganz
unverstellt die Akkumulation dynastischen Kapitals in der
Person des Probanden und bezieht zu diesem Zweck (anders als
Stammtafeln/-bäume) die kognatische Vorfahrenschaft
ein.
Abstract
The paper deals with models for the structuring,
representation and communication of genealogical knowledge
in early modern prints and looks at the specific strengths
and weaknesses of the genealogical table as an instrument
for visualising genealogical relationships. Unlike other
means of recording, the genealogical table had a clearly
defined standard form. It thus advanced to become an
established form of representation, which was also simple in
form, easy to reproduce and marketable. At the same time,
the genealogical table became an efficient means of dynastic
representation in its undisguised visualisation of the
accumulation of dynastic capital in the person of the
proband, to which end cognate ascendants were taken into
account – unlike tables of descendants.
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Knut Schulz:
Geburt, Herkunft und Integrität. Zur Handwerksehre vom 13. bis zum 16. Jahrhundert
Zusammenfassung
In vielen – durchaus nicht in allen –
Städten der Vormoderne galten eheliche Geburt,
»ehrliche« Herkunft (Gegenbegriff:
»unehrliche« Berufe und Tätigkeiten) und
Integrität als Voraussetzung für den Erwerb des
Zunft- und mitunter auch des Bürgerrechts. Dies war
seit dem 15. Jahrhundert zunehmend mittels eines
schriftlichen Zeugnisses, zum Teil unter Einbeziehung der
Eltern und Großeltern (Ahnenprobe), nachzuweisen.
Darin dokumentiert sich das wachsende Bedürfnis nach
Ausformung einer spezifischen Standesehre des jeweiligen
Zunfthandwerks und der Gesellengruppen. Man orientierte sich
nicht zuletzt am Stadtadel bzw. Patriziat und schuf auf
diesem Wege eine Abgrenzung nach unten. In dem Beitrag
werden Entwicklungslinien und Einschnitte hinsichtlich der
Zulassungsbedingungen herausgearbeitet und die zünftige
Abschließungstendenzen mit der Handwerksehre in
Verbindung gebracht.
* * *
Abstract
In many but by far not all pre-modern towns, applicants
had to fulfil certain preconditions before they could join a
guild or, occasionally, become a citizen, such as being born
in wedlock, being of reputable descent (as
opposed to being of a disreputable trade or
occupation) and of having an upright character. From the
fifteenth century onwards it became more and more common to
require proof in the shape of a written document,
occasionally with reference to parents and grandparents
(proof of ancestry). This expresses the increasing need felt
by the guilds and groups of journeymen to develop a specific
code of honour befitting their class and rank. These groups
took the urban nobility and patriciate as reference points,
closing themselves off from lower classes as a result. The
paper describes the developments and the breaks in these
admission requirements and correlates them with trends in
the closure of guilds and the craftsman's concept of
honour.
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Ute Küppers-Braun:
»Allermaßen der teutsche Adel allezeit auf das
mütterliche Geschlecht fürnehmlich [...]
gesehen.« Ahnenproben des hohen Adels in Dom- und
kaiserlich-freiweltlichen Damenstiften
Zusammenfassung
In der Vormoderne standen einige Frauenstifte nur
Angehörigen des katholischen hohen Adels offen.
Für den Zugang wurde nicht der Nachweis
ritterbürtiger Adelsqualität, sondern die
Aufschwörung der edlen und von Diensten freien
Abstammung gefordert. Im Beitrag wird argumentiert, dass die
Überprüfung der Stiftsfähigkeit zugleich eine
Aussage über die Ebenbürtigkeit der aufgenommenen
Damen mit potentiellen späteren Heiratskandidaten
darstellte. Stand für die Stifte zunächst die
Abgrenzung zum niederen Adel im Vordergrund, so richtete
sich das Aufnahmeverfahren schließlich vorwiegend
gegen Personen aus neu in den Hochadel aufgestiegenen
Häusern.
* * *
Abstract
In pre-modern times, several women's convents only
admitted members of the Catholic high nobility. Admission
was not based on proving knightly descent, but required the
solemn adjuration of noble descent that was free of duties.
The paper argues that by verifying a female applicant's
admission requirements in this way, her status for a
potential marriage was also proved. Whereas the orders were,
initially, mostly interested in dissociation from the lower
nobility, the admission procedure was later used largely to
exclude members of houses that had only recently joined the
ranks of the higher nobility.
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Kurt Andermann:
Zur Praxis der Aufschwörung in südwestdeutschen Domstiften der
Frühneuzeit
Zusammenfassung
Mittels unterschiedlich streng gehandhabter
Zulassungsbedingungen monopolisierte der Adel der
Frühneuzeit den Zugriff auf finanziell und politisch
gleichermaßen wertvolle Domstiftspfründen. Der
Beitrag beschäftigt sich mit den domkapitelischen
Normen, der Aufnahmepraxis sowie der Gestalt und dem Inhalt
der im Rahmen einer feierlichen Zulassung
(Aufschwörung) vorgelegten Wappenahnentafeln am
Beispiel der Domkapitel von Speyer und Konstanz. Durch
Vergleiche mit anderen oberdeutschen Kapiteln wird so die
Flexibilität des Adels im Umgang mit dieser
geburtsständisch höchst anspruchsvollen und hoch
politischen Angelegenheit verdeutlicht.
Abstract
The early modern nobility monopolised access to both
financially and politically profitable cathedral chapter
prebends by means of a more or less strict application of
admission requirements. Using the example of the cathedral
chapters of Speyer and Constance, the paper discusses the
norms set by the chapters, the entry system itself as well
as the form and contents of emblazoned pedigrees produced on
the occasion of admission ceremonies (adjuration). These
findings are compared with other cathedral chapters from
southern Germany, thus illustrating the nobility's flexible
approach in handling this politically and socially demanding
issue.
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Joachim Schneider:
Die Ahnenprobe der Reichsburg und Ganerbschaft Friedberg in der
Vormoderne. Überlieferung, Praxis und Funktion
Zusammenfassung
Im Fall des Burgmannenverbands der Reichsburg Friedberg
bieten sich interessante Einblicke in die
Funktionalität der Ahnenprobe: Obgleich sie in einer
gewissen Konkurrenz zur Erbfolge -- d.h. dem
Übertragungsrecht der Zulassungsberechtigung von einem Vater
auf den Sohn oder Schwiegersohn -- stand, spielte die
mehrschichtige schriftliche Erfassung aller Ahnenproben
über Jahrhunderte hinweg eine wichtige, wenn nicht
sogar die zentrale Rolle für die Dokumentation von
Traditionalität und Homogenität des sozialen
Verbandes. Zugleich fällt auf, dass die Bereitschaft
des Leitungsgremiums der Ganerbschaft, ein neues Mitglied
aufzunehmen, im Laufe der Jahrhunderte für die
Zulassung immer entscheidender wurde. Die Ahnenprobe wurde
so zu einem Vehikel für das Leitungsgremium, um
stellvertretend für die gesamte Ganerbschaft
Souveränität und Selbstbestimmung zu
demonstrieren.
Abstract
The example of the burgmann company of the imperial
castle (Reichsburg) in Friedberg provides interesting
insights into the functionality of proofs of ancestry. The
multilayered written documentation of all proofs of ancestry
across centuries was of crucial, if not of central
importance for documenting the traditionalism and
homogeneity of a social group. This holds true despite the
fact that, to a certain extent, admission rules competed
with succession regulations, i.e. the entitlement of
transferring admission authority from father to son or
son-in-law. It is, furthermore, striking that, over the
course of the centuries, the Ganerbschaft council's
willingness to admit a new member emerged as a tool of ever-
increasing importance. Proofs of ancestry became an
instrument by means of which the council could demonstrate
sovereignty and self-determination – on behalf of the
entire Ganerbschaft.
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Josef Matzerath:
Die Einführung der Ahnenprobe in der
kursächsischen Ritterschaft in der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Einführung der Ahnenprobe
bei der sächsischen Ritterschaft und die Argumente, die
für eine Abschließung der Korporation ins Feld
geführt wurden. Aus ihnen wird ersichtlich, dass es der
Ritterschaft weniger um ökonomische Ressourcen, sondern
in zentraler Weise um eine Binnendifferenzierung innerhalb
des Adels sowie die Wahrung der adligen Ehre ging. Die
Ahnenprobe trug zur Gruppenkonstituierung bei, indem sie
für den landtagsfähigen Adel eine
generationenübergreifend vernetzte Leistungsbilanz
behauptete. Insofern diente die Ahnenprobe der
Gemeinschaftsbildung und Ausgrenzung. Zugleich wird auch
deutlich, dass bei der Umsetzung dieses Selektionsprinzips
nicht formale Kriterien zu Grunde gelegt wurden, sondern die
sich abschließende Gemeinschaft recht kulant mit
bekannten Familien umging.
* * *
Abstract
The paper explores the introduction of proofs of ancestry
among the knights of the Electorate of Saxony and the
arguments brought forward in favour of the corporation's
closure. What they reveal is that the knights were not so
much interested in economic resources but, first and
foremost, in a form of differentiation within the nobility
and in ensuring their noble honour. Proofs of ancestry
ensured that a section of the nobility was entitled to take
part in the estate assemblies and documented a balance of
services that spun over generations. In this respect, proofs
of nobility lead to both community formation and exclusion.
It also becomes apparent that the implementation of this
principle of selection was not based on formal criteria, as
the community was rather accommodating towards well-known
families.
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Andreas Müller:
Die Praxis der Ahnenprobe im deutschen Adel des
18. Jahrhunderts. Das Beispiel der Ritterschaft des
kurkölnischen Herzogtums Westfalen
Zusammenfassung
Exemplarisch wird am Beispiel der Ritterschaft des
Herzogtums Westfalens gezeigt, wie im 18. Jahrhundert
der katholische Niederadel Westfalens das Instrument der
Ahnenprobe tatsächlich handhabte. Dabei zeigt sich,
dass die adlige Korporation bei der Durchführung von
Ahnenproben über einen großen Spielraum
verfügte, den sie wohl zu nutzen wusste. So wird
hinsichtlich unterschiedlicher Anwärter aus heimischen,
auswärtigen, nobilitierten sowie patrizischen
Geschlechtern deutlich gemacht, dass zwar prinzipiell an
einer konsequenten Anwendung der Bestimmungen zur Ahnenprobe
festgehalten wurde, man sich gerade im Falle politischer
Erwägungen aber auch darüber hinwegsetzen
konnte.
* * *
Abstract
The paper discusses the use of proofs of ancestry by the
Catholic lower nobility in the eighteenth-century by
examining the knights of the Duchy of Westphalia. It shows
that when processing proofs of ancestry, noble corporations
had considerable leeway and were well versed in making
extensive use of it. In principle, proofs of ancestry were
consistently required from different applicants from local,
foreign, ennobled and patrician houses, but political
considerations in particular could lead to them being
ignored as well.
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Gerard Venner:
Ahnenproben der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers im
17. Jahrhundert
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die Mechanismen der Grenzziehung bei
der Ritterschaft des geldrischen Oberquartiers in den
Mittelpunkt und untersucht exemplarisch anhand einzelner
Fallbeispiele das Vorgehen der an der Ahnenprobenpraxis
beteiligten Akteure und die Wege der Entscheidungsfindung.
Über den Hebel der Ahnenprobe wurden dort ständische
Grenzen fest- und fortgeschrieben. Diese Gemeinschaft
entwickelte sich dabei allerdings nicht zu einer streng
geschlossenen Korporation; vielmehr integrierte der Adel
Personenkreise, den seine benachbarten Standesgenossen
ausschlossen.
Abstract
The paper centers on the mechanisms of separation among
the knights of Upper Guelders and explores the behaviour
patterns of actors involved in the practice of proving
nobility and the decision-making process by means of
individual case studies. Here, proofs of ancestry served as
a lever for defining and adjusting status boundaries. The
community, nevertheless, did not develop into a strictly
closed corporation; in fact, the nobility integrated
applicants which were excluded by other noble groups.
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Arnout Mertens:
Ahnenproben und Adelsdefinitionen in habsburgischen Territorien des
17. und 18. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Die Forschung zum Adel der Südlichen Niederlande
bescheinigt diesem eine ständische Offenheit. Diese
Einschätzung ist jedoch angesichts der
ökonomischen und ideologischen Bedeutung, die der
adligen Abstammung in der Frühen Neuzeit beigemessen
wurde, zu hinterfragen, was auch der Blick auf den Hof, die
adligen Stifte und die Ständeversammlungen
bestätigt. Denn die monarchische Nobilitierungspraxis
hatte keine Auflösung ständischer Unterschiede zur
Folge, sondern der alte Adel antwortete auf diese
Entwicklung mit einer Stärkung seiner adligen
Identität und ganz unterschiedlichen
Zulassungsbedingungen zu den von ihm dominierten
Institutionen.
Abstract
Given the practical and ideological advantages of a pure
noble pedigree, it seems appropriate to question the
emphasis historians have put on the openness of the nobility
in the Southern Netherlands. Concentrating on the
monarchical court, collegiate foundations and Estate
Assemblies gives a very different view. The princely
bestowal of noble titles did not result in a fusion of the
various noble groups or of nobles and non-noble elites in
the Southern Low Countries. On the contrary, the multiple
ennoblements of the seventeenth and eighteenth centuries
pushed the aristocracy to strengthen its corporate identity
and, by various means, to tighten the admission conditions
of the noble institutions it dominated.
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William D. Godsey:
Adel, Ahnenprobe und Wiener Hof. Strukturen der Herrschaftspraxis
Kaiserin Maria Theresias
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Umstände, die zur
Einführung einer förmlichen Ahnenprobe als
Zulassungsvoraussetzung zum Wiener Hof (und so zur Nähe
zum Herrscher) durch Kaiserin Maria Theresa im Jahr 1754
geführt haben. Im ersten Teil werden die
Hintergründe kurz umrissen und im zweiten näher
auf die normativen Vorgaben zum Umgang mit der Ahnenprobe
eingegangen. Der dritte Abschnitt widmet sich der
eigentlichen Zulassungspraxis und der Handhabung der
Ahnenproben. Abschließend wird der Versuch
unternommen, die Ahnenprobenpraxis in den sozialen und
politischen Kontext einzubetten. Zu zeigen ist, dass diese
Neuerung das genealogische Profil der später für
ihre Exklusivität bekannten transterritorialen
Habsburger Aristokratie schärfte. Auslöser dieser
Entwicklung scheinen weniger die von der Forschung
konstatierten adligen Abschottungsbemühungen
(»Aristocratic Reaction«) in Zeiten wichtiger
politischer Reformen zu sein. Vielmehr ist die
Einführung der Ahnenprobe Staatsbildungsprozessen
zuzuschreiben, die ihrerseits zu einer weiteren
Fragmentierung des Adels führten.
* * *
Abstract
This article explores the circumstances surrounding the
introduction of formal pedigrees for admission to the Court
of Vienna (and thus access to the ruler) by the Empress
Maria Theresa in 1754. In an initial section, the historical
background to this development is briefly considered.
Secondly, the normative provisions governing the use of the
pedigree at the Viennese Court are outlined. This is
followed, thirdly, by a look at the actual practice of
admissions to Court on the basis of proof of ancestry.
Finally, an attempt is made to place the use of pedigrees at
Court in the broader political and social context. This
innovation hardened up the later famously exclusive
genealogical and social contours of the trans-territorial
Habsburg aristocracy. But it is less attributable to an
aristocratic reaction in a period of important
political reform than to processes of state-building that
further fragmented the nobility.
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Moritz Trebeljahr:
Adel in vier Vierteln. Die Ahnenprobe im Johanniterorden auf Malta in
der Vormoderne
Zusammenfassung
In Fragen der Beurteilung von Adel und der Nobilitierung
kam dem Johanniterorden der Vormoderne die Rolle einer
Schiedsinstanz über Erfolg oder Scheitern von
Familienstrategien zu. Die Ahnenprobe war das normativ
bedeutendste Instrument, den elitären und adligen
Charakter der Gemeinschaft der Ritter zu stärken und
unliebsame Bewerber abzuwehren. Die Anforderungen im
Aufnahmeprozess der Johanniter gestalteten sich jedoch
flexibel. Ausschlaggebend für die politisch-soziale
Ausrichtung des Ordens und entscheidender als die Statuten
waren die spezifischen Gegebenheiten in den nationalen und
regionalen Ordensbesitzungen und vor allem die Qualität
der mikropolitischen Verbindungen, die den Beteiligten
für die Durchsetzung ihrer Interessen zur
Verfügung standen, wie am Beispiel einzelner
Zulassungskonflikte und den Grenzen päpstlicher
Günstlingspolitik gezeigt wird.
Abstract
The pre-modern Order of Saint John had the role of an
arbitral authority over judgements of nobility and
ennoblement and, thus, great influence on the success or
failure of family strategies. In normative terms, proofs of
ancestry were both the core means for strengthening the
elitist and noble character of this community of knights as
well as for excluding unwanted applicants. The requirements
of the Order of Saint John's admission procedure were,
nevertheless, flexible. The specific situation in the
national and regional possessions of the Order had a far
greater influence on the political and social orientation of
the Order than its statutes. The quality of these
micro-political relationships was of particular importance
in this context as it provided the parties involved with a
means of enforcing their interests. The paper illustrates
this fact using the example of individual admission
conflicts and the limits of the papal protégé
system.
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Leonhard Horowski:
»Diese große Regelhaftigkeit muß Ihnen fremd
erscheinen«. Versailles, Straßburg und die Kollision der Adelsproben
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht, welchen Einfluss die
strukturellen Unterschiede zwischen dem deutschen und
französischen Adelsnachweis auf die französische
Ost-Expansion des 17. und 18. Jahrhunderts hatten. Nach
einer kurzen Darstellung der französischen Wahrnehmung
des angeblich viel strengeren deutschen Systems wird der
Blick auf die französischen preuves de noblesse
gerichtet, bei denen lediglich die väterliche
Abstammung interessierte und die untrennbar mit einer
adligen Kultur relativ exogamer Heiratskreise verknüpft
waren. Anschließend thematisiert der Beitrag am
Beispiel des Bistums Straßburg, wie dies die
französische »Invasion« einer deutschen
Institution fast verhinderte und wie in der Folge eine
kleine Klientelgruppe mittels der Betonung ihres
genealogischen Kapitals zu Macht kam.
* * *
Abstract
This article aims to explore the impact of fundamental
structural differences between the German and French systems
of proving nobility on France's 17th and 18th century
eastward expansion. After a short summary of French views on
the supposedly more rigid German system, it analyses the
relevance of French preuves de noblesse which were
only concerned with patrilinear ancestry and became
irrevocably linked to an aristocratic culture of relatively
exogamous marriages. It then uses the case of the bishopric
of Strasbourg to show how this made the necessary
»invasion« of a powerful German institution by
Frenchmen almost fail and thus allowed a minute faction of
French courtiers to establish lasting positions of power
simply by instrumentalising previously irrelevant
genealogical capital.
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Nikolaus Böttcher:
Ahnenforschung in Hispanoamerika. »Blutsreinheit«
und die Castas-Gesellschaft in Neu-Spanien im
18. Jahrhundert
Zusammenfassung
Die spanische Eroberung Amerikas stellte die spanische
Krone vor neue Herausforderungen, weshalb sie neue Formen
der politischen und sozialen Kontrolle entwickelte. Infolge
dessen wurde die Bevölkerung der Indias nicht nur durch
Religion, sondern auch durch ständische Unterschiede
geformt. Das Konzept der Reinheit des Blutes (limpieza de
sangre) diente den spanischen Autoritäten als ein
Instrument der Integration und Distinktion. Fallstudien zu
Neuspanien des 17. und 18. Jahrhunderts verdeutlichen
diese Kontrollmechanismen und deren Auswirkungen auf die
koloniale Gesellschaft. Besondere Aufmerksamkeit wird den
Veränderungen, die die Begriffe »Reinheit«
und »Rasse« durchliefen, geschenkt.
* * *
Abstract
The Spanish conquest of the Americas brought new social
realities forcing the Spanish Crown to seek alternative
forms of political and social control. As a result, the
society in the »Indies« was shaped not only on the
fundaments of religion but also of social segregation. The
concept of »purity of blood« (limpieza de
sangre) served the Spanish authorities as an instrument
of integration and exclusion. Case studies from New Spain in
the 17th and 18th centuries showcase these mechanisms
of control and their effects on the colonial society.
Special attention is paid to the change of the terms
»purity« and »race«.
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