Aus dem Inhalt / from the book:
Inhaltsverzeichnis
Einleitung (Auszug)
Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung
- 1. Zur Forschungssituation
2. Differenzen und Gemeinsamkeiten: drei Jahrhunderte
Bühnenpräsenz allegorischer Figuren
- 2.1. Jesuitentheater: Allegorien in Spielen und Periochen
2.2. Die Erfurter Moralität (vor 1448) und
Male tuta Securitas (Mitte 17. Jh.) –
ein Vergleich
II. Deutung und Darstellung von Emotionen und emotionalem
Handeln
- 1. Die moderne Emotionsforschung
2. Affekttheorien der Frühen Neuzeit
III. Affekte auf der Bühne: Die Schauspiellehre des
Jesuiten Franciscus Lang
- 1. Dichtungstheoretische Grundannahmen
2. Darstellung von Affekten durch Sprache, Gestik,
Körperhaltung, Mimik (mit Blick auf ihre rhetorischen
und ikonographischen Quellen)
3. Darstellung von Affekten durch symbolisch-allegorische
Zwischenspiele (exhibitiones scenicae)
4. Darstellung von Affekten durch allegorische Figuren: Der
Katalog der Imagines Symbolicae und seine
Hauptquellen (Jacob Masen / Cesare Ripa)
IV. Begierde und lasterhafte Affekte als
Bühnenfiguren
- 1. Historische Anschauungen zu lasterhaften
Affekten und zur Begierde
2. Werbung, Verführung, Streit: die Einflußnahme
lasterhafter (Affekt-)Personifikationen auf Spielfiguren und
Publikum
- 2.1. Werbung im Tugend-Lasterkampf und
Publikumsverführung: Die Voluptatis cum Virtute
disceptatio des Chelidonius (1515), die Comedia,
darin die göttin Pallas die tugend und die göttin
Venus die wollust verficht [...] von Hans Sachs (1530)
und das Zwischenspiel Der Strytt Veneris und
Palladis von Jakob Funkelin (1550)
2.2. Verführung von Bühnenfiguren: Der
Euripus von Levin Brecht und Der irdisch
Pilgerer von Johannes Heros
2.3. Das virtuose Spiel mit allen Formen der Allegorie: die
Vita Comoedia des Franz von Hildesheim
2.4 Verkürzung und Separierung: Der Spiegel
weiblicher Zucht und Ehr von Jacob Ayrer und
Shakespeares Much Ado About Nothing
V. Gewissen, Reue, Umkehr und Buße als
Bühnenfiguren
- 1. Das Gewissen als komplexes Phänomen
- 1.1. Historische Positionen zum Gewissen
2. Reue, Buße und Umkehr als Folgen
- 2.1. Historische Positionen zu Reue und Buße
3. Poenitentia, Metanoea und Conscientia auf der Bühne:
ausgewählte Dramen
- 3.1. Belehrungsträger, brutale Furie und
mütterlicher Beistand: Reue und Gewissen in der
Erfurter Moralität (vor 1448) und im
Prodigus des Ludovicus Crucius (1568)
3.2. Wechselnde Erscheinungen einer Prüfinstanz: Die
Conscientia im Mercator des Thomas Naogeorg
(1539)
3.3. Visualisierung eines psychischen Prozesses: Die
Conscientia im Judas Iscariotes des Thomas
Naogeorg (1552)
3.4. Objektivierende Abstraktion statt Polemik: Gewissen und
Reue in der Hypocrisis des Wilhelm Gnaphaeus
(1544)
VI. Allegorische Personifikationen auf der Bühne des
Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit:
Synoptische Auflistung ihrer Funktionen und
Anwendungsgebiete
- A. Formen und Funktionen
1. Beförderung des Verständnisses
- 1.1. Die Nutzung der Personifikationsallegorien zum
Verständnis sprachlicher Explikationen
1.2. Die Nutzung der Personifikationsallegorien zum
Verständnis der Handlung
2. Beförderung der Deutung und Wertung
- 2.1. Die Nutzung allegorischer Figuren als Sprachrohre
- 2.1.1. In der Haupthandlung
2.1.2. In Pro- und Epilogen
2.1.3. In Zwischenspielen (Chören, Reyen)
2.2. Personifikationsallegorien als Garanten für
Eindeutigkeit
3. Medium der Verkürzung, Verdichtung, Substitution
- 3.1. Die Nutzung der allegorischen Personifikation
als Ersatz für sprachliche Explikation(en)
3.2. Die Nutzung allegorischer Personifikation als Ersatz
für Handlungen
3.3. Allegorien und allegorische Figuren zur Wahrung der
Schicklichkeit (Die Darstellung des nicht Aufführbaren,
des offen nicht Zeigbaren)
3.4. Allegorische Figuren in ihren bündelnden
Funktionen
- 3.4.1. Bündelung von Eigenschaften
3.4.2. Bündelung von Vorstellungen / Sachverhalten
3.4.3. Stellvertreter
4. Medium der Visualisierung
- 4.1. Die Verwendung allegorischer Figuren zur
Visualisierung von Unsichtbarem
4.2. Die Modellfunktion von Personifikationsallegorien
(Visualisierung von Zusammenhängen durch Modelle)
5. Medium der Abstraktion
- 5.1. Allegorische Personifikationen zur Verhüllung
von Angriffen
5.2. Allegorien und allegorische Figuren zur Vermeidung von
Polemik
6. Allegorische Personifikationen in ihrer Funktion als
künstlich zusammengesetzte Figuren
- 6.1. Allegorische Figuren als Mischwesen aus
Personifikation und Mensch
6.2. Allegorische Figuren als Mischwesen aus Personifikation
und Teufel oder Dämon
6.3. Allegorische Personifikationen als wandlungsfähige
Kunstfiguren (wandelbare Identitäten)
- B. Effekte
1. Innere Effekte
- 1.1. Allegorische Figuren als Autoritäten
1.2. Allegorische Figuren im Dienste der
Emotionalisierung
1.3. Die Personifikationsallegorie in ihrer unmittelbaren
Wirksamkeit (sine intermedio)
2. Äußere (technische) Effekte
- 2.1. Der Einsatz allegorischer Elemente zur
Entspannung und als intellektuelles Vergnügen
2.2. Allegorien und allegorische Figuren im Dienste der
Schaulust
2.3. Allegorische Figuren zur Aufschwellung des
Spielpersonals
VII. Der Rückzug allegorischer Figuren von der
Bühne: Grenzbereiche, Sonder- und
Übergangsformen
- 1. Graduelle Ablösung vom rein Allegorischen
2. Aussonderung der allegorischen Figuren
VIII. Schluß: Einige generelle Überlegungen
zum Verschwinden der Personifikationsallegorien von den
Bühnen
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Einleitung (Auszug)
Ein bemerkenswertes Phänomen des europäischen
Theaters im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ist
die starke Zunahme allegorischer Personifikationen (Affekte,
Tugenden, Laster, Wahrheit, Tod u.ä.) auf der
Bühne: Vielgestaltig und in großer Zahl
beherrschen sie nicht selten das Spielgeschehen. Begegnete
man einzelnen dieser Figuren bereits im Drama des
Hochmittelalters – etwa der Heuchelei und der
Ketzerei im Tegernseer Ludus de Antichristo, der
Ecclesia und der Synagoga in der Frankfurter
Dirigierrolle oder dem Tod im Alsfelder
Passionsspiel –, brechen sie ab dem
Spätmittelalter fast massenhaft in die europäische
Theaterkultur ein, um nach einer etwa dreihundert Jahre
währenden, sehr intensiven Wirkungsphase im Laufe des
18. Jahrhunderts nahezu vollständig wieder zu
verschwinden. Wie läßt sich dies erklären?
Ihren Funktionen nach erinnern sie einerseits an den antiken
Deus ex machina, andererseits an die
Protagonisten des Tugend-Laster-Kampfes im spätantiken
Epos Psychomachia. Sie gehen jedoch weit
darüber hinaus, wenn sie – wie das vielfach
durchaus geschieht – im Spiel psychische Prozesse
der menschlichen Bühnenfiguren sinnlich faßbar
machen und gesellschaftliche Werte- und Ordnungssysteme
repräsentieren.
Auch im deutschen Sprachraum ist die Zahl der
überlieferten Theaterstücke, die allegorisches
Personal führen, viel größer als man dem
Forschungsinteresse und dem Stand der wissenschaftlichen
Untersuchungen nach vermuten würde. Ihr Auftreten
beschränkt sich keineswegs auf das Schauspiel
Lohensteins, Gryphius' und einiger weiterer prominenter
Barockautoren, die diesen besonderen Figurentypus in ihren
Dramen häufig verwenden und der dort entsprechend gut
untersucht ist. Vielgestaltig und in großer Zahl
beherrschen Figuren wie die Gottesfurcht, das Gewissen,
Tugenden, Laster, Affekte und viele andere mehr im
Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit das
Bühnengeschehen in zahlreichen Spielen –
volkssprachlichen wie lateinischen. Das Phänomen
allegorischer Spielfiguren ist nicht nur mehrsprachig, es
zieht sich auch durch die verschiedensten Spieletypen: die
teils volkssprachigen, teils lateinischen religiösen
Spiele in der Tradition des mittelalterlichen geistlichen
Theaters, die humanistischen Dramen, die der antiken
Komödie und Tragödie nacheifern, die konfessionell
eingefärbten Bibeldramen und die Theaterstücke der
Jesuiten. Einen Höhepunkt erreicht das Auftreten der
Personifikationen in der theatralischen Großform der
Moralitäten-Spiele. Da Deutschland jedoch nicht zu den
klassischen Zentren dieser Untergattung gehört (man
ging bislang davon aus, daß nahezu keine nennenswerten
deutschen Moralitäten überliefert sind), fehlen
entsprechende Untersuchungen und damit offenbar auch das
Forschungsinteresse an ihrem Hauptgegenstand, der
Personifikationsallegorie.
Was war die spezifische Leistung dieses so
vielfältig auftretenden Figurentypus', dieser
theatralen Sonderform, die – wenn auch nur
für einen begrenzten Zeitraum – zu einem
nahezu unentbehrlichen Kunstmittel wurde? Die vorliegende
Arbeit versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden,
indem sie sich darum bemüht, möglichst viele
verschiedene Anwendungstechniken und spezielle Leistungen
der allegorischen Figuren im dramatischen Genre
herauszuarbeiten.
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