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Barbara Stollberg-Rilinger, Thomas Weissbrich (Hgg.)

Die Bildlichkeit symbolischer Akte

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 28

2010, 432 Seiten, 17 Beiträge, 140 Abbildungen (32 Vierfarbabbildungen, 108 S/W-Abbildungen), Harteinband
2010, 432 pages, 17 essays, 140 figures (32 color figures, 108 b/w figures), hardcover

ISBN 978-3-930454-91-4
Preis/price EUR 58,–

17 × 24cm (B×H), 1200g


Kurzzusammenfassung:

Symbolische Akte haben in der Vormoderne stets eine starke visuelle Präsenz – als »spectacula« gelten den Zeitgenossen feierliche Umzüge und Krönungen, Prozessionen und Weihen. Ihr suggestiver Schauwert erweist sich dabei als Inszenierungsstrategie, die entscheidend zur wirksamen Vermittlung politischer und religiöser Botschaften beiträgt. Die Bildlichkeit symbolischer Akte lässt sich auf mehreren, eng miteinander verbundenen Ebenen beobachten: Einzelne Gesten und Gebärden der Akteure weisen bildliche Qualität auf, vor allem aber die komplexen Handlungsfolgen von Ritualen und Zeremonien. Sie werden als öffentlich sichtbare ›lebende‹ Bilder aufgeführt und auch als solche verstanden – das gegenseitige Sehen und Gesehenwerden ist für sie kennzeichnend. Auf performativer Ebene können darüber hinaus materielle Bilder in diese Handlungen einbezogen werden, sei es als Gegenstand religiöser Verehrung, zum Zwecke politischer Propaganda oder als repräsentative Erinnerungsmedien. Auf der Rezeptionsebene schließlich sind symbolische Akte ein prominentes Thema von Darstellungen in Publizistik, Historiografie und bildender Kunst. Ihre ephemere Bildlichkeit kann damit zumindest teilweise festgehalten werden, wobei sie freilich nach medialen Strategien geformt und (re)inszeniert wird.

Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes befassen sich mit diesen drei Aspekten der Bildlichkeit symbolischer Akte. Der Band dokumentiert eine internationale Tagung, die der Sonderforschungsbereich 496 »Symbolische Kommunikation und politische Wertesysteme« an der Universität Münster im Oktober 2007 veranstaltet hat. Sie diente unter anderem zur wissenschaftlichen Vorbereitung der Ausstellung »Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800–1800« im Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Die Beiträge aus unterschiedlichen fachlichen Disziplinen thematisieren anhand von ausgewählten Fallbeispielen Zusammenhänge und intermediale Wechselbeziehungen zwischen Bildern und Handlungen, Artefakten, Texten und Tönen. Den räumlichen und zeitlichen Rahmen der Untersuchungen bildet das »Alte Europa« vom frühen Mittelalter bis zur Französischen Revolution.

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Die Autoren und ihre Beiträge:

Barbara Stollberg-Rilinger (Münster):
Einleitung

Gerd Althoff (Münster):
Die Bilder der mittelalterlichen Historiografie

Gottfried Korff (Tübingen):
»Inkarnat der Seele«? –
Zehn Anmerkungen zur Materialität der Medialität in Norbert Elias' Zivilisationstheorie

Birgit Franke (Dortmund):
Die Sprache der Dinge in den Bildern und vor den Bildern –
Die Januarminiatur der »Très Riches Heures« und die französisch-burgundische Hofkunst

Philippe Bordes (Paris):
The Portrait in Armor in Bourbon France –
Artistic Challenge and Political Strategy from Louis XIV to Louis XVI

Ruth-E. Mohrmann (Münster):
Handwerk im FrÜhneuzeitlichen Bild

Jörg Jochen Berns (Marburg):
Bildterror –
Wirkungsintentionen und Wirksamkeitsgrenzen von Schreckbildern, insbesondere in der Frühen Neuzeit

Thomas Lentes (Münster):
Ereignis und Repräsentation –
Ein Diskussionsbeitrag zum Verhältnis von Liturgie und Bild im Mittelalter

Carsten-Peter Warncke (Göttingen):
Bildpropaganda der Reformationszeit

Werner Freitag (Münster):
Berühren, Bekleiden, Niederknien –
»Wunderthätige Gnadenbilder« im Zeitalter der Konfessionalisierung

Michaela Völkel (Dresden):
Vom Körperbild zum Erinnerungsbild –
Zum Bildgebrauch im fürstlichen Trauerzeremoniell der Frühen Neuzeit

Christine Tauber (Tübingen):
Die politisch-zeremonielle Nutzung der Grande Galerie in Fontainebleau durch François I.

Thomas Weigel (Münster):
Der Venedig-Besuch des polnisch-französischen Königs Heinrich IV./III. in Text und Bild

Birgitte Bøggild Johannsen (Kopenhagen):
Visual Strategies for Staging a Coup d'état
Ritual and Pictorial Communication of the Absolutist Revolution in Denmark 1660

Jutta Götzmann (Münster):
Zwischen Realität und Idealität –
Kaiserinnenkrönungen und ihre künstlerische Rezeption in der Frühen Neuzeit

Hans-Ulrich Thamer (Münster):
Bilder und Inszenierungen politisch-religiöser Feste in der französischen Revolution

Jürgen Heidrich (Münster):
Authentizität und Symbol –
Spätmittelalterliche Musikalien und ihre Visualisierung

Personen- und Ortsregister

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Näheres zu den Beiträgen:

Gerd Althoff:
Die Bilder der mittelalterlichen Historiografie

Im Mittelalter richtete sich öffentliche Kommunikation in erster Linie an das Auge. In der Öffentlichkeit verständigte man sich durch Handlungen über die grundlegenden Prinzipien, auf denen die gesellschaftliche Ordnung basierte. Komplexe Aussagen konnten so in einer einzigen Handlung getroffen werden. Auf diese Weise wurden Rangverhältnisse, Zustimmung und Ablehnung, Rechte und Pflichten zum Ausdruck gebracht. Die öffentlich gezeigten visuellen und akustischen Informationen erkennen und bewerten zu können, war daher eine unverzichtbare Anforderung an Akteure und Zuschauer. Dieser Vorgang des Verstehens symbolischer Handlungen wird an ausgewählten Ritualen des Früh- und Hochmittelalters demonstriert. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob die Beschreibungen dieser Rituale in der Historiographie ebenfalls Bilder oder bildhafte Vorstellungen schufen und wie sie in diesem Falle die Bilder zu interpretieren half.

* * *

In the Middle Ages public communication was primarily meant to be seen. Agreement over the fundamental principles of the social order was reached in public by means of ritual acts. Complex statements could thus be achieved in a single act. Hierarchical relations, consent and refusal, rights and responsibilities could be given expression in this way. The ability to recognize and assess publicly displayed visual and acoustic information was therefore indispensable for both participant and observer. This process of understanding symbolic acts will be shown by means of selected rituals from the early and high Middle Ages. The question will be considered of whether contemporary historical descriptions of the rituals similarly created mental images and how, in this case, the descriptions helped to interpret the images.

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Gottfried Korff:
»Inkarnat der Seele«? – Zehn Anmerkungen zur Materialität der Medialität in Norbert Elias' Zivilisationstheorie

The recent discussion concerning the connection between the »material« and »visual« properties of things in the field of Anglo-Saxon cultural and social anthropology serves as a starting point for further inquiries into the »sensual« qualities and potentials of materiality regarding the formation of symbols. Things that fall under Norbert Elias's term »Zivilisationsgerät« and play an important role in his psycho- and socio-genetic inquiries in the early modern middle-European region are taken as examples. The category of materiality refers not only to visual qualities but also to concepts of presence-theory as they have recently been treated in cultural-anthropological research. Finally Elias's approach is related to the thing-analytical concepts of Bourdieu and Foucault.

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Birgit Franke:
Die Sprache der Dinge in den Bildern und vor den Bildern –
Die Januarminiatur der »Très Riches Heures« und die französisch-burgundische Hofkunst

An den französisch-burgundischen Höfen existierte ein breites Spektrum von profanen Bildmedien, die gleichermaßen der fürstlichen Repräsentation wie der Selbstvergewisserung und dem kulturellen Gedächtnis des Hochadels dienten. Die einzelnen Kunstwerke wurden stets in personalen, örtlichen und situativen Kontexten sowie in einem Ensemble von Artefakten gebraucht und wahrgenommen. Die Januar-Miniatur der »Très Riches Heures« des Jean de France (Stundenbuch von ca. 1410 bis 1416) vermittelt exemplarisch und zeichenhaft die Vielfalt der Hofkünste und deren performative Einbindung in nonverbale Interaktionen und kulturelle Sinnstiftungen. Die kunsthistorische Bildanalyse, für die weitere Kunstobjekte und Schriftquellen herangezogen werden, zeigt jedoch, dass hier nur die Suggestion eines Ereignisbildes en miniature erzeugt wird. Der Duc de Berry ist vielmehr als ein glänzender Initiator eines prominenten Festes inszeniert, der die Repräsentationskunst mit ihrem gesamten Zeichensystem und Kommunikationspotential adäquat zu instrumentalisieren weiß.

* * *

At the French-Burgundian court there was a broad spectrum of profane pictorial media, which served princely representation as well as the self-assurance and cultural memory of the high nobility equally. The individual works of art were always used and perceived in personal, local; and situational contexts as well as within ensembles of artefacts. The January miniature of the Très Riches Heures of Jean de France (a book of hours from around 1410 to 1416) exemplifies and symbolizes the diversity of courtly art and its performative integration into non-verbal interactions and the creation of cultural meanings. But the art historical analysis of the image, upon which additional art objects and written sources are brought to bear, reveals that only the suggestion of an event depicted in miniature is generated here. Rather, much more, the Duc de Berry is staged as the shining initiator of a prominent festival, which the art of presentation with its entire system of signs and communicative potential is able to adequately instrumentalize.

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Philippe Bordes:
The Portrait in Armor in Bourbon France –
Artistic Challenge and Political Strategy from Louis XIV to Louis XVI

This essay explores the aristocratic ideals and historical attitudes implicit when armor is chosen for a portrait and how recourse to this costume motif evolved from the Renaissance to the French Revolution. With both artists and sitters in mind, it surveys a variety of works and relates visual representation to contemporary texts. Competing notions of heroism are brought to bear on this traditional symbol of princely authority. Evocative of the legacy of chivalry and the foundations of aristocratic privilege, the armored figure inspired nostalgia in 16th-century France. After being the norm in aristocratic portraiture during the reign of Louis XIV, the wearing of armor in portraiture was seen as vain theatricality in the 18th century. The nobility rallied defensively around this symbol of its lost grandeur, while the revolutionaries vilified the emblem of the ancien régime. It survived as an object of historical interest for collectors, and in portraiture as an unmistakable marker of masculinity.

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Ruth-E. Mohrmann:
Handwerk im FrÜhneuzeitlichen Bild

Das frühneuzeitliche Handwerk ist reich an symbolischen Akten, die vor allem die Übergangsrituale vom Lehrling über den Gesellen zum Meister betreffen. Auch die Gerichtsbarkeit der Zünfte war an strenge Formalien gebunden und die außergerichtliche Schlichtung der zahlreichen Konflikte unter Handwerkern kannte ebenfalls eine stark differenzierte formalisierte Vielfalt. Die Vielzahl symbolischer Akte ist jedoch höchst selten im Medium des Bildes festgehalten worden.

Allerdings sind Handwerker der unterschiedlichsten Berufe mit ihren Geräten und Werkzeugen in zahllosen frühneuzeitlichen Bildquellen präsent. Es wird deshalb nach der Dingsymbolik der Geräte und Produkte gefragt sowie nach der eloquentia corporis, dem in die Körper eingeschriebenen Expertenwissen. Bildquellen hierfür sind das Mendelsche Hausbuch, das Ammansche und das Weigelsche Ständebuch sowie Francesco Curtis Handwerksdarstellungen u.a.m. Einige wenige vor allem Nürnberger Bildbeispiele zeigen singuläre symbolische Akte handwerklichen Selbstverständnisses – Tänze, festliche Umzüge und Duelle –, machen in ihrer Interpretation aber die Brüchigkeit vorschneller Rückschlüsse deutlich.

* * *

Early-modern trade is rich in symbolic acts, above all those concerning the rituals of transition from apprentice through journeyman to master. The guilds' jurisdiction was also bound by strict formalities and the non-juridical arbitration of the numerous conflicts among tradesmen was similarly characterized by a strictly differentiated and formalized diversity. But the large number of symbolic acts, however, is very seldom recorded in the medium of the image.

On the other hand a great variety of tradesmen with their equipment and tools are present in countless early modern visual sources. This essay thus inquires into the symbolism of the equipment and products as well as the eloquentia corporis, the expertise inscribed upon the body. Visual sources for this include the Mendel Hausbuch, Amman's Ständebuch, Weigel's Ständebuch, and Francesco Curtis's representations of the trades. A few visual examples, particularly those from Nuremberg, display singular symbolic acts of tradesmen's understanding of themselves – dances, festive processions, and duels – but their interpretation makes clear the frailty of premature conclusions.

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Jörg Jochen Berns:
Bildterror –
Wirkungsintentionen und Wirksamkeitsgrenzen von Schreckbildern, insbesondere in der Frühen Neuzeit

An drei literarischen Exempeln – dem antiken Medusa-Mythologem, den biblischen Darstellungen der Monsterwesen Behemoth und Leviathan im Buch Hiob sowie an den legendären ›Versuchungen des heiligen Antonius‹, wie sie Athanasius niederschrieb – werden physiologische, psychologische und frömmigkeitsdidaktische Schreckszenerien kenntlich gemacht. Deren bildkünstlerische Umsetzung im Zeitraum des 15. bis 17. Jahrhunderts erweist sich in Schreckdarstellung wie Schreckvermittlung als hilflos, bis mit kinästhetischen Bildinszenierungen – zum Beispiel mittels marionettenhafter Figurinen, Geschützverlarvungen, künstlicher Himmelszeichen, laterna magica-Projektionen – Schrecken wahrnehmungsphysiologisch kalkuliert, technisch inszeniert, gesteigert und perpetuiert werden können. Damit ineins wird die religiöse Symbolik von Schrecken zunehmend banalisiert. Horrorstrategien der modernen Kino-, TV- und Internet-Kinästhetik vollenden und pervertieren die frühneuzeitlichen Schreckinszenierungsversuche.

* * *

Using three literary examples – the antique Medusa mythologem, the Biblical representations of the monstrous beings Behemoth and Leviathan in the Book of Job as well as Athanasius's account of the legendary »Temptation of Saint Anthony« – physiological, psychological, and devotional-didactic scare scenarios will be identified. The transfer of these into visual and artistic form during the period of the 15th through the 17th centuries proved to be ineffective at representing and conveying these scare scenarios until, by means of kinaesthetic staging – for example with marionette-like figures, concealed artillery, artificial celestial signs, laterna magica projections – it was possible for fright to be calculated in terms of perceptual psychology, to be staged technically, and to be intensified and perpetuated. Correspondingly, the religious symbolism of fright was increasingly trivialized. The horror strategies of modern cinema, television, and internet kinaesthesia bring to their conclusion and pervert the early modern attempts at staging fright.

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Thomas Lentes:
Ereignis und Repräsentation –
Ein Diskussionsbeitrag zum Verhältnis von Liturgie und Bild im Mittelalter

The medieval liturgy of the Mass was shaped above all as a ritual of the memoria passionis and considered a ritual reenactment of the Last Supper and the passion of Christ. This article proposes an understanding of the medieval alliance of liturgy and image that relates these two modes of representation of the live of Christ. It starts with a paradox: although the liturgical space was filled with various kinds of images, they were not used in the ritual itself. Instead, they connect to the ritual of the Mass by framing it in space and time, giving the space of the ritual a specific aura, visualizing its content, and perpetuating the ritual ephemera. Finally through meditation, the image turns the beholder of the ritual from a mere spectator into an active participant. Images in this sense did not only illustrate the ritual but themselves became performative, stimulating in the beholder the same experience of real presence that the liturgy of the Mass performed. Last but not least the article proposes to study this liturgical habitus of images, instead of focusing exclusively on the functional aspects of the alliance of liturgy and image in the Middle Ages.

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Carsten-Peter Warncke:
Bildpropaganda der Reformationszeit

The age of the Reformation constitutes a landmark in the history of the image. For the first time pictures were used as weapons, above all by the Protestants, who developed illustrated broadsheets and pamphlets as a medium of mass communication. Combining texts and pictures made it possible to convey messages of high complexity and thus the pictorial representation of rituals played a great part. Works like Cranach's woodcuts for the most famous protestant pamphlet, Luther's »Passional«, the broadsheets illustrated by an unknown artist, the one created by Georg Pencz, »Zweierley predig« (Two Kinds of Sermon), and Sebald Beham, »Ein neuwer Spruch« (A New Sentence), show how typical pictorial elements like composition and iconography add specific meanings to the messages delivered by the text. In most cases the pictures of the pamphlets and broadsheets are no mere illustrations but communicate the intended content.

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Werner Freitag:
Berühren, Bekleiden, Niederknien –
»Wunderthätige Gnadenbilder« im Zeitalter der Konfessionalisierung

Heiligenbilder und Kreuzdarstellungen standen im Mittelpunkt von Wallfahrten. Mit Hilfe der Bilder beabsichtigen die Pilger, Gott anzubeten und seine Hilfe zu erflehen, aber auch die Heiligen zu verehren und sich ihrer Fürbitte (intercessio) zu vergewissern. Diese religiöse Kommunikation fand vor und mit den Bildern mittels rituell-liturgischer Handlungen und individueller Gebete statt. Der Aufsatz schildert zunächst die typischen Abläufe und religiösen Akte einer Wallfahrt, um dann den Spezifika der Bilderverehrung im 17. und 18. Jahrhundert nachzugehen. Anhand von Marienwallfahrten in den katholischen Fürstbistümern Westfalens geht es zunächst um das Anliegen von Bischöfen, Ordensgemeinschaften und Pfarrklerus, in Anlehnung an das Konzil von Trient magische Kommunikation (superstitio) auszuschließen: Die Bilder sollten im Rahmen der Wallfahrten keinesfalls angebetet werden; vielmehr ging es darum, das Bild als Verweis auf den Heiligen herauszustellen. Deshalb wurden die Wegstrecken der Prozessionen mit den Bildern verkürzt, die Symbolfunktion in der Katechese erläutert und die Kultbilder in die neuen, barocken Altäre integriert. Doch dass die Wallfahrtsbilder sich von den vielen anderen Bildern im Kirchengebäude unterschieden, blieb gemeinsame Überzeugung von Klerus und Laien. Deshalb verlief die Neuausrichtung der religiösen Kommunikation so erfolgreich. Für das Zeitalter der katholischen Konfessionalisierung kennzeichnend waren die ›disziplinierten‹ Wallfahrtsprozessionen, der enge Zusammenhang von Messopfer, Beichte und Kommunion (Empfang der Eucharistie) sowie die Nutzung von Andachtsbüchern bei der Andacht vor dem Bild. Die religiöse Kommunikation zwischen dem Pilger und der im Bild dargestellten Gottesmutter (Jungfrau Maria) fand im Opfern von Kerzen und Votivgaben vor dem Bild ihren rituellen Abschluss; die Pilger nahmen die Antwort Mariens und damit Gottes in Gestalt des Wunders und anderer Hilfen für die Nöte des Alltags wahr.

* * *

Images of saints and representations of the cross played a central role in pilgrimages. With the help of such images pilgrims desired to worship God and entreat his help, but also to venerate the saints and insure their intercession (intercessio). This religious communication took place in front of and with images by means of ritual-liturgical acts and individual prayers. This essay begins with a description of the typical course of events and religious acts of a pilgrimage in order to then examine the specifics of image veneration in the 17th and 18th centuries. On the basis on Marian pilgrimage in the Catholic prince-bishopric of Westphalia, the essay will look at the attempt by bishops, the religious orders and the parish clergy, following the Council of Trent, to exclude magical communication (superstitio): in the context of pilgrimage, the images should absolutely not be worshipped; rather, the image was supposed to present a reference to the saint. For this reason, processional routes with images were shortened, their symbolic function was explained in the catechesis, and the cult images were integrated into the new, baroque altars. But both the clergy and the laity remained convinced that pilgrimage images differed from the many other images in the church building. This is why the process of reorienting religious communication was so successful. The period of Catholic confessionalization was characterized by »disciplined« pilgrimage processions; a close relationship between the sacrifice of the Mass, confession, and the receipt of the Eucharist; and the use of devotional books in practicing devotion before an image. The religious communication between the pilgrim and the Virgin Mary represented in the image reached its ritual conclusion in the donation of candles and votive offerings before the image; the pilgrims perceived Mary's answer – and thus God's – in the form of miracles and other forms of everyday help in their hour of need.

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Michaela Völkel:
Vom Körperbild zum Erinnerungsbild – Zum Bildgebrauch im fürstlichen Trauerzeremoniell der Frühen Neuzeit

The use of images during early modern princely funeral ceremonials was strongly influenced by contemporary theories of visual representation. According to the Renaissance artists' distinction between imago and effigies already the dead princely body on display was understood as an effigies and thus as the first »image« of the ceremony. Further iconic representations of the deceased followed, such as his or her coat of arms, regalia, portraits, pictures of virtues and deeds, and, since each icon was replaced by another during the course of the ceremony, the spectators experienced this rite of passage as a transition of images. By the end of the ceremonial the primary effigies, the dead body, has been transformed into an image, that is, a work of art (by the chosen modus of representation, for example the medal-like en face portrait, explicitly revealed as such) appropriate to be kept in collective memory.

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Christine Tauber:
Die politisch-zeremonielle Nutzung der Grande Galerie in Fontainebleau durch François I.

Über den konkreten politischen und zeremoniellen Einsatz der Galerie von Fontainebleau, der Hauptresidenz des französischen Königs François I., erfährt man aus Schriftquellen fast nichts. Eine Analyse ihrer künstlerischen Ausstattung durch Rosso Fiorentino und seine Mitarbeiter belegt jedoch schlagend, dass der König das Vorzeigen seiner Galerie in mehrfacher Hinsicht als demonstrativen Herrschaftsakt nutzte: Er beanspruchte nicht nur die alleinige Schlüsselgewalt und damit die exklusive Zugänglichkeit zu diesem Raum, sondern führte auch jedem Besucher erneut seine alleinige Deutungshoheit über die von ihm geförderte Kunst vor Augen. Die Galerie verfolgt eine Strategie gezielt eingesetzter Verschlüsselung und Hermetisierung. Sie zielt auf intellektuelle und ästhetische Überforderung des Betrachters. Die Verweigerung einer durchgängig erschließbaren, inhaltlichen Programmatik ist hier Programm und wurde vom Herrscher im Sinne einer politischen Überlegenheitsdemonstration eingesetzt.

* * *

Written sources reveal almost nothing about the concrete political and ceremonial use of the gallery of Fontainebleau, the primary residence of the French king François I. But an analysis of its artistic furnishings by Rosso Fiorentino and his collaborators conclusively proves that the king used the showing of his gallery as a demonstrative act of rule in several respects: He not only claimed sole power of the keys and thus exclusive control over access to this space, but also emphasized anew to each visitor his prerogative as sole interpreter of the art he had commissioned. The gallery pursues a strategy of intentional encoding and hermeticization. It aims at overwhelming the viewer intellectually and aesthetically. The rejection of a generally comprehensible program in terms of content is the program here and is employed by the ruler as a demonstration of political superiority.

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Thomas Weigel:
Der Venedig-Besuch des polnisch-französischen Königs Heinrich IV./III. in Text und Bild

Unter denjenigen Bildzeugnissen, die den im Juli 1574 erfolgten Staatsbesuch Heinrichs III. in Venedig ex post schildern, kommt dem wohl 1593 entstandenen monumentalen Gemälde Andrea Vicentinos in der Sala delle Quattro Porte des venezianischen Dogenpalastes aufgrund seines propagandastrategisch besonders wirkungsvollen Anbringungsortes eine hervorragende Bedeutung zu. Im Vergleich mit den unmittelbar nach dem Ereignis publizierten literarischen Berichten erweist sich die bildliche Darstellung des Empfangszeremoniells als teilweise unzuverlässig, und zwar insbesondere mit Blick auf einige der im Vordergrund dargestellten Persönlichkeiten, die keineswegs sämtlich bei der fürstlichen Entrata zugegen waren oder doch zumindest nicht alle in der dargestellten protokollarischen Funktion agiert hatten. Das Gemälde bietet demnach weniger ein in allen Teilen wahrheitsgetreues bildliches Protokoll des historischen Ereignisses als vielmehr – neben anderen, staatspolitisch wichtigen Funktionen – partiell ein Medium der Selbstrepräsentation bestimmter Parteigänger und hochverdienter Repräsentanten der Republik, die zwar ihr Ziel, ins Dogenamt aufzusteigen, allesamt verfehlt hatten, aber dennoch auf ein visuelles Memorialzeugnis in der Höhle des Löwen nicht verzichten mochten.

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Among the visual documents describing ex post Henry III's Venetian state visit in July of 1574, the monumental painting – probably of 1593 – by Andrea Vicentino in the Sala delle Quattro Porte of the Venetian Doge's palace possesses an outstanding importance due to the particularly effective propagandistic significance of the place it is displayed. Compared to literary accounts published immediately after the event, the visual representation of the reception ceremonial proves in places to be unreliable, particularly with respect to some of the persons represented in the foreground. Certainly not all of these persons were present during the princely entrata, or at least did not all function in the ceremonial protocol represented. Thus, in addition to other important functions in terms of state politics, the painting offers less a completely accurate visual record of the historical events than, at least in part, a medium for the self-presentation of specific party members and outstanding representatives of the republic. While none of them attained their goal of rising to the office of Doge they nonetheless did not want to forgo a visual memorial document in the den of the lion.

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Birgitte Bøggild Johannsen:
Visual Strategies for Staging a Coup d'état
Ritual and Pictorial Communication of the Absolutist Revolution in Denmark 1660

With reference to the contemporary debate on the coups d'état (in particular Gabriel Naudé) and in accordance with recent evaluations of the political change of constitution in Denmark, the paper argues for a rereading of the ceremonial of the homage or swearing of oaths to the hereditary king (»Arvehyldingen«) on 18 October 1660. It regards this event as an instrument of vital importance in an absolutist master plan, an instrument that visually stages the concordia communis and the translation of power in the garments of tradition and continuity by means of the traditional ritual of homagium, yet that adjusts it to the changed agenda, which, however, at the indicative moment remains concealed by means of a strategy of dissimulation. Within the frameworks of inter-medial transposition or »mediale Verdopplung« the article further discusses pictorial representations of the act, focusing in particular upon paintings by Wolfgang Heimbach (1666) and attributed to Michael van Haven (probably from the early 1670s), both at Rosenborg Castle in Copenhagen. The staging of the voluntary translation of power acquired a similar visual expression in the composition of both works, dominated by the emphasis on the crowd present, though subtly segregating the royal family by means of linear perspective and the effects of light and colour. The subsequent ritual and pictorial staging of the coup d'état of 1660 is discussed in an epilogue, focusing in particular upon the first – and last – centenary of absolutism in 1760, showing no restrictions or dissimulations whatsoever and focusing expressively upon the person of the monarch, who, however, in reality chose to absent himself from the event. This moment of remembrance is finally contrasted to the staging of the death of absolutism in 1848–49, brought about by a new bloodless coup d'état, yet from below, the king's dual status as actor and agent of power has now split into dissociated concepts, reducing the monarch into a politically neutral, though identity-creating, symbol of the nation.

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Jutta Götzmann:
Zwischen Realität und Idealität –
Kaiserinnenkrönungen und ihre künstlerische Rezeption in der Frühen Neuzeit

Der Beitrag widmet sich der Kaiserin in der Frühen Neuzeit, die innerhalb des Wahl- und Krönungsrituals des 17. und 18. Jahrhunderts nur selten ins Zentrum der Wahrnehmung rückte. Die Kaiserinnenkrönung stellte im Alten Reich kein Einsetzungsritual im engeren Sinne dar. Sie war mit keinem Statuswandel verbunden und implizierte nicht das Recht auf die Regierungsgewalt, womit sie sich von europäischen Monarchien wie England, Schweden oder Dänemark unterschied. Der Krönungsakt diente stärker repräsentativen Interessen und wurde im 17. und 18. Jahrhundert zunehmend eine Inszenierung der kaiserlichen Hofgesellschaft. Zudem bestätigte die Krönung den hohen Rang und die besonderen Privilegien der Kaiserin.

Die Studie setzt unter den frühneuzeitlichen Kaiserinnenkrönungen den Fokus auf Eleonora Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg. Ihre 1690 in Augsburg erfolgte Krönung ist nicht nur in Chroniken und Flugschriften dokumentiert, sondern wurde innerhalb eines monumentalen Ausstattungszyklus für Schloss Bensberg bei Köln künstlerisch rezipiert. Die erhaltenen Ölskizzen dokumentieren die künstlerische Auseinandersetzung mit dem rituellen Ereignis und seine Transformation in ein Bildsujet. In der offensichtlichen Auseinandersetzung mit dem Medici-Zyklus von Peter Paul Rubens setze der beauftragte Künstler Giovanni Antonio Pellegrini eine Bildtradition fort, die bis in die Napoleonische Ära Gültigkeit besaß.

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The essay is devoted to the early modern empress, who was seldom the centre of attention in the election and coronation ritual of the 17th and 18th centuries. In the Holy Roman Empire the coronation of the empress did not represent an investiture with power in the strict sense. It was not tied to a change in status and did not imply a right to any authority to rule, which differentiated it from European monarchies such as those of England, Sweden, or Denmark. The act of coronation served more presentational interests and in the 17th and 18th centuries increasingly became a vehicle for the staging of imperial courtly society. It served additionally as a confirmation of the empress's high rank and special privileges.

Among the early modern empress coronations, this study focuses on that of Eleonora Magdalena Theresia of Pfalz-Neuburg (Palatinate-Neuberg). Her coronation of 1690 in Augsburg was documented not only in chronicles and pamphlets, but was adapted artistically in a monumental decorative cycle for Schlöss Bensberg near Cologne. The surviving oil sketches document the artistic confrontation with the ritual event and its transformation into a pictorial subject. In its clear dialogue with Peter Paul Rubens' Medici cycle, Giovanni Antonio Pellegrini, the artist commissioned to create the work, continues a pictorial tradition that retained legitimacy into the Napoleonic era.

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Hans-Ulrich Thamer:
Bilder und Inszenierungen politisch-religiöser Feste in der französischen Revolution

Untersucht werden die Rolle von Bildern im Ritual, die visuelle Qualität von Ritualen und die Darstellung von politischen Festen und Umzügen im Medium des Bildes. Sowohl in den aktuellen Ereignisbildern wie in den späteren Historienbildern lassen sich Umdeutungen von Ritualen beobachten. Die Visualisierung der symbolisch-rituellen Akten in der Druckgrafik verband sich mit einer verbalen Deutung zu einem politisch-propagandistischen Gesamtkunstwerk, das die Mehrteiligkeit und Synchronität der politischen Inszenierungen darstellen und auf eine eindeutige Botschaft reduzieren sollte. Die vergleichende Bildanalyse verdeutlicht die Ideologisierung der Interpretationen, die die Inszenierungen in der zeitgenössischen Wahrnehmung erfahren und die die für die Moderne charakteristische Ambivalenz und rasche Verfallszeit von Deutungen erkennen lassen.

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Already quite early in the history of occidental polyphony, musical notation appears in contexts that reveal further interpretative levels and that add new motifs to the original goal of notation, which was not surprisingly very narrowly conceived and served principally the performance and/or preservation of music. In these examples, supplementary pictorial elements frequently appear together with the actual musical notation, resulting in a visual enrichment that raises fundamental questions about the evaluation of musical and contextual elements: Is there a shift that occurs between substantial and accidental? Is the music or the image central? Can one expect a loss of authenticity of the musical work of art in favour of different interpretative aims? Is this a matter of an intentional expansion, even contravention by means of symbolic communicative content? The text examines, from various perspectives, the contexts of use and representation in which musical notation in the Middle Ages and early modern period appears.

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Jürgen Heidrich:
Authentizität und Symbol –
Spätmittelalterliche Musikalien und ihre Visualisierung

Bereits früh in der Geschichte der abendländischen Mehrstimmigkeit erscheint die musikalische Notation in Kontexten, die weitere Interpretationsebenen eröffnen und die ursprünglich naturgemäß sehr eng gefasste Intention der Aufzeichnung, die prinzipiell der Aufführung und/oder Bewahrung von Musik gilt, mit unterschiedlichen Motiven erweitern. Zu der eigentlichen Notenschrift treten in diesen Fällen oftmals ergänzende bildhafte Elemente, es erfolgt eine visuelle Anreicherung, die grundsätzliche Fragen nach der Gewichtung musikalischer und kontextueller Elemente provoziert: Geschieht eine Verschiebung von Substanz und Akzidenz? Steht die Musik oder das Bild im Zentrum? Ist ein Verlust der Authentizität des musikalischen Kunstwerks zugunsten anders gerichteter Deutungsabsichten zu gewärtigen? Handelt es sich um die gezielte Erweiterung, vielleicht sogar Konterkarierung durch symbolische Kommunikationsgehalte? Der Text untersucht aus verschiedenen Perspektiven, in welchen Gebrauchs- und Repräsentationszusammenhängen musikalische Notate im Mittelalter und der frühen Neuzeit aufscheinen.

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Already quite early in the history of occidental polyphony, musical notation appears in contexts that reveal further interpretative levels and that add new motifs to the original goal of notation, which was not surprisingly very narrowly conceived and served principally the performance and/or preservation of music. In these examples, supplementary pictorial elements frequently appear together with the actual musical notation, resulting in a visual enrichment that raises fundamental questions about the evaluation of musical and contextual elements: Is there a shift that occurs between substantial and accidental? Is the music or the image central? Can one expect a loss of authenticity of the musical work of art in favour of different interpretative aims? Is this a matter of an intentional expansion, even contravention by means of symbolic communicative content? The text examines, from various perspectives, the contexts of use and representation in which musical notation in the Middle Ages and early modern period appears.

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