Kurzzusammenfassung:
Symbolische Akte haben in der Vormoderne stets eine
starke visuelle Präsenz – als
»spectacula« gelten den Zeitgenossen feierliche
Umzüge und Krönungen, Prozessionen und Weihen. Ihr
suggestiver Schauwert erweist sich dabei als
Inszenierungsstrategie, die entscheidend zur wirksamen
Vermittlung politischer und religiöser Botschaften
beiträgt. Die Bildlichkeit symbolischer Akte lässt
sich auf mehreren, eng miteinander verbundenen Ebenen
beobachten: Einzelne Gesten und Gebärden der Akteure
weisen bildliche Qualität auf, vor allem aber die
komplexen Handlungsfolgen von Ritualen und Zeremonien. Sie
werden als öffentlich sichtbare lebende
Bilder aufgeführt und auch als solche verstanden
– das gegenseitige Sehen und Gesehenwerden ist
für sie kennzeichnend. Auf performativer Ebene
können darüber hinaus materielle Bilder in diese
Handlungen einbezogen werden, sei es als Gegenstand
religiöser Verehrung, zum Zwecke politischer Propaganda
oder als repräsentative Erinnerungsmedien. Auf der
Rezeptionsebene schließlich sind symbolische Akte ein
prominentes Thema von Darstellungen in Publizistik,
Historiografie und bildender Kunst. Ihre ephemere
Bildlichkeit kann damit zumindest teilweise festgehalten
werden, wobei sie freilich nach medialen Strategien geformt
und (re)inszeniert wird.
Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes befassen
sich mit diesen drei Aspekten der Bildlichkeit symbolischer
Akte. Der Band dokumentiert eine internationale Tagung, die
der Sonderforschungsbereich 496 »Symbolische
Kommunikation und politische Wertesysteme« an der
Universität Münster im Oktober 2007 veranstaltet
hat. Sie diente unter anderem zur wissenschaftlichen
Vorbereitung der Ausstellung »Spektakel der Macht.
Rituale im Alten Europa 800–1800« im
Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Die Beiträge aus
unterschiedlichen fachlichen Disziplinen thematisieren
anhand von ausgewählten Fallbeispielen
Zusammenhänge und intermediale Wechselbeziehungen
zwischen Bildern und Handlungen, Artefakten, Texten und
Tönen. Den räumlichen und zeitlichen Rahmen der
Untersuchungen bildet das »Alte Europa« vom
frühen Mittelalter bis zur Französischen
Revolution.
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Die Autoren und ihre Beiträge:
Barbara Stollberg-Rilinger (Münster):
Einleitung
Gerd Althoff (Münster):
Die Bilder der mittelalterlichen Historiografie
Gottfried Korff (Tübingen):
»Inkarnat der Seele«? –
Zehn Anmerkungen zur Materialität der Medialität in
Norbert Elias' Zivilisationstheorie
Birgit Franke (Dortmund):
Die Sprache der Dinge in den
Bildern und vor den Bildern –
Die Januarminiatur der »Très Riches Heures« und die
französisch-burgundische Hofkunst
Philippe Bordes (Paris):
The Portrait in Armor in Bourbon France –
Artistic Challenge and Political Strategy from
Louis XIV to Louis XVI
Ruth-E. Mohrmann (Münster):
Handwerk im FrÜhneuzeitlichen Bild
Jörg Jochen Berns (Marburg):
Bildterror –
Wirkungsintentionen und Wirksamkeitsgrenzen von
Schreckbildern, insbesondere in der Frühen Neuzeit
Thomas Lentes (Münster):
Ereignis und Repräsentation –
Ein Diskussionsbeitrag zum Verhältnis von Liturgie und
Bild im Mittelalter
Carsten-Peter Warncke (Göttingen):
Bildpropaganda der Reformationszeit
Werner Freitag (Münster):
Berühren, Bekleiden, Niederknien –
»Wunderthätige Gnadenbilder« im Zeitalter
der Konfessionalisierung
Michaela Völkel (Dresden):
Vom Körperbild zum Erinnerungsbild –
Zum Bildgebrauch im fürstlichen
Trauerzeremoniell der Frühen Neuzeit
Christine Tauber (Tübingen):
Die politisch-zeremonielle Nutzung
der Grande Galerie in Fontainebleau durch François I.
Thomas Weigel (Münster):
Der Venedig-Besuch des polnisch-französischen Königs
Heinrich IV./III. in Text und Bild
Birgitte Bøggild Johannsen (Kopenhagen):
Visual Strategies for Staging a Coup d'état –
Ritual and Pictorial Communication of the Absolutist Revolution in Denmark 1660
Jutta Götzmann (Münster):
Zwischen Realität und Idealität –
Kaiserinnenkrönungen und ihre
künstlerische Rezeption in der Frühen Neuzeit
Hans-Ulrich Thamer (Münster):
Bilder und Inszenierungen politisch-religiöser
Feste in der französischen Revolution
Jürgen Heidrich (Münster):
Authentizität und Symbol –
Spätmittelalterliche Musikalien und ihre
Visualisierung
Personen- und Ortsregister
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Näheres zu den Beiträgen:
Gerd Althoff:
Die Bilder der mittelalterlichen Historiografie
Im Mittelalter richtete sich öffentliche
Kommunikation in erster Linie an das Auge. In der
Öffentlichkeit verständigte man sich durch
Handlungen über die grundlegenden Prinzipien, auf denen
die gesellschaftliche Ordnung basierte. Komplexe Aussagen
konnten so in einer einzigen Handlung getroffen werden. Auf
diese Weise wurden Rangverhältnisse, Zustimmung und
Ablehnung, Rechte und Pflichten zum Ausdruck gebracht. Die
öffentlich gezeigten visuellen und akustischen
Informationen erkennen und bewerten zu können, war
daher eine unverzichtbare Anforderung an Akteure und
Zuschauer. Dieser Vorgang des Verstehens symbolischer
Handlungen wird an ausgewählten Ritualen des Früh-
und Hochmittelalters demonstriert. Dabei wird der Frage
nachgegangen, ob die Beschreibungen dieser Rituale in der
Historiographie ebenfalls Bilder oder bildhafte
Vorstellungen schufen und wie sie in diesem Falle die Bilder
zu interpretieren half.
* * *
In the Middle Ages public communication was primarily
meant to be seen. Agreement over the fundamental principles
of the social order was reached in public by means of ritual
acts. Complex statements could thus be achieved in a single
act. Hierarchical relations, consent and refusal, rights and
responsibilities could be given expression in this way. The
ability to recognize and assess publicly displayed visual
and acoustic information was therefore indispensable for
both participant and observer. This process of understanding
symbolic acts will be shown by means of selected rituals
from the early and high Middle Ages. The question will be
considered of whether contemporary historical descriptions
of the rituals similarly created mental images and how, in
this case, the descriptions helped to interpret the images.
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Gottfried Korff:
»Inkarnat der Seele«? –
Zehn Anmerkungen zur Materialität der Medialität in
Norbert Elias' Zivilisationstheorie
The recent discussion concerning the connection between
the »material« and »visual« properties
of things in the field of Anglo-Saxon cultural and social
anthropology serves as a starting point for further
inquiries into the »sensual« qualities and
potentials of materiality regarding the formation of
symbols. Things that fall under Norbert Elias's term
»Zivilisationsgerät« and play an important
role in his psycho- and socio-genetic inquiries in the early
modern middle-European region are taken as examples. The
category of materiality refers not only to visual qualities
but also to concepts of presence-theory as they have
recently been treated in cultural-anthropological research.
Finally Elias's approach is related to the thing-analytical
concepts of Bourdieu and Foucault.
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Birgit Franke:
Die Sprache der Dinge in den
Bildern und vor den Bildern –
Die Januarminiatur der »Très Riches Heures« und die
französisch-burgundische Hofkunst
An den französisch-burgundischen Höfen
existierte ein breites Spektrum von profanen Bildmedien, die
gleichermaßen der fürstlichen Repräsentation
wie der Selbstvergewisserung und dem kulturellen
Gedächtnis des Hochadels dienten. Die einzelnen
Kunstwerke wurden stets in personalen, örtlichen und
situativen Kontexten sowie in einem Ensemble von Artefakten
gebraucht und wahrgenommen. Die Januar-Miniatur der
»Très Riches Heures« des Jean de France
(Stundenbuch von ca. 1410 bis 1416) vermittelt exemplarisch
und zeichenhaft die Vielfalt der Hofkünste und deren
performative Einbindung in nonverbale Interaktionen und
kulturelle Sinnstiftungen. Die kunsthistorische Bildanalyse,
für die weitere Kunstobjekte und Schriftquellen
herangezogen werden, zeigt jedoch, dass hier nur die
Suggestion eines Ereignisbildes en miniature erzeugt wird.
Der Duc de Berry ist vielmehr als ein glänzender
Initiator eines prominenten Festes inszeniert, der die
Repräsentationskunst mit ihrem gesamten Zeichensystem
und Kommunikationspotential adäquat zu
instrumentalisieren weiß.
* * *
At the French-Burgundian court there was a broad spectrum
of profane pictorial media, which served princely
representation as well as the self-assurance and cultural
memory of the high nobility equally. The individual works of
art were always used and perceived in personal, local; and
situational contexts as well as within ensembles of
artefacts. The January miniature of the Très
Riches Heures of Jean de France (a book of hours from
around 1410 to 1416) exemplifies and symbolizes the
diversity of courtly art and its performative integration
into non-verbal interactions and the creation of cultural
meanings. But the art historical analysis of the image, upon
which additional art objects and written sources are brought
to bear, reveals that only the suggestion of an event
depicted in miniature is generated here. Rather, much more,
the Duc de Berry is staged as the shining initiator of a
prominent festival, which the art of presentation with its
entire system of signs and communicative potential is able
to adequately instrumentalize.
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Philippe Bordes:
The Portrait in Armor in Bourbon France –
Artistic Challenge and Political Strategy from
Louis XIV to Louis XVI
This essay explores the aristocratic ideals and
historical attitudes implicit when armor is chosen for a
portrait and how recourse to this costume motif evolved from
the Renaissance to the French Revolution. With both artists
and sitters in mind, it surveys a variety of works and
relates visual representation to contemporary texts.
Competing notions of heroism are brought to bear on this
traditional symbol of princely authority. Evocative of the
legacy of chivalry and the foundations of aristocratic
privilege, the armored figure inspired nostalgia in
16th-century France. After being the norm in aristocratic
portraiture during the reign of Louis XIV, the wearing
of armor in portraiture was seen as vain theatricality in
the 18th century. The nobility rallied defensively
around this symbol of its lost grandeur, while the
revolutionaries vilified the emblem of the ancien
régime. It survived as an object of historical
interest for collectors, and in portraiture as an
unmistakable marker of masculinity.
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Ruth-E. Mohrmann:
Handwerk im FrÜhneuzeitlichen Bild
Das frühneuzeitliche Handwerk ist reich an
symbolischen Akten, die vor allem die Übergangsrituale
vom Lehrling über den Gesellen zum Meister betreffen.
Auch die Gerichtsbarkeit der Zünfte war an strenge
Formalien gebunden und die außergerichtliche
Schlichtung der zahlreichen Konflikte unter Handwerkern
kannte ebenfalls eine stark differenzierte formalisierte
Vielfalt. Die Vielzahl symbolischer Akte ist jedoch
höchst selten im Medium des Bildes festgehalten worden.
Allerdings sind Handwerker der unterschiedlichsten Berufe
mit ihren Geräten und Werkzeugen in zahllosen
frühneuzeitlichen Bildquellen präsent. Es wird
deshalb nach der Dingsymbolik der Geräte und Produkte
gefragt sowie nach der eloquentia corporis, dem in
die Körper eingeschriebenen Expertenwissen. Bildquellen
hierfür sind das Mendelsche Hausbuch, das Ammansche und
das Weigelsche Ständebuch sowie Francesco Curtis
Handwerksdarstellungen u.a.m. Einige wenige vor allem
Nürnberger Bildbeispiele zeigen singuläre
symbolische Akte handwerklichen Selbstverständnisses
– Tänze, festliche Umzüge und
Duelle –, machen in ihrer Interpretation aber die
Brüchigkeit vorschneller Rückschlüsse
deutlich.
* * *
Early-modern trade is rich in symbolic acts, above all
those concerning the rituals of transition from apprentice
through journeyman to master. The guilds' jurisdiction was
also bound by strict formalities and the non-juridical
arbitration of the numerous conflicts among tradesmen was
similarly characterized by a strictly differentiated and
formalized diversity. But the large number of symbolic acts,
however, is very seldom recorded in the medium of the image.
On the other hand a great variety of tradesmen with their
equipment and tools are present in countless early modern
visual sources. This essay thus inquires into the symbolism
of the equipment and products as well as the eloquentia
corporis, the expertise inscribed upon the body. Visual
sources for this include the Mendel Hausbuch, Amman's
Ständebuch, Weigel's Ständebuch, and
Francesco Curtis's representations of the trades. A few
visual examples, particularly those from Nuremberg, display
singular symbolic acts of tradesmen's understanding of
themselves – dances, festive processions, and
duels – but their interpretation makes clear the
frailty of premature conclusions.
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Jörg Jochen Berns:
Bildterror –
Wirkungsintentionen und Wirksamkeitsgrenzen von
Schreckbildern, insbesondere in der Frühen Neuzeit
An drei literarischen Exempeln – dem antiken
Medusa-Mythologem, den biblischen Darstellungen der
Monsterwesen Behemoth und Leviathan im Buch Hiob sowie an
den legendären Versuchungen des heiligen
Antonius, wie sie Athanasius
niederschrieb – werden physiologische,
psychologische und frömmigkeitsdidaktische
Schreckszenerien kenntlich gemacht. Deren
bildkünstlerische Umsetzung im Zeitraum des 15. bis
17. Jahrhunderts erweist sich in Schreckdarstellung wie
Schreckvermittlung als hilflos, bis mit kinästhetischen
Bildinszenierungen – zum Beispiel mittels
marionettenhafter Figurinen, Geschützverlarvungen,
künstlicher Himmelszeichen, laterna
magica-Projektionen – Schrecken
wahrnehmungsphysiologisch kalkuliert, technisch inszeniert,
gesteigert und perpetuiert werden können. Damit ineins
wird die religiöse Symbolik von Schrecken zunehmend
banalisiert. Horrorstrategien der modernen Kino-, TV- und
Internet-Kinästhetik vollenden und pervertieren die
frühneuzeitlichen Schreckinszenierungsversuche.
* * *
Using three literary examples – the antique
Medusa mythologem, the Biblical representations of the
monstrous beings Behemoth and Leviathan in the Book of Job
as well as Athanasius's account of the legendary
»Temptation of Saint Anthony« –
physiological, psychological, and devotional-didactic scare
scenarios will be identified. The transfer of these into
visual and artistic form during the period of the 15th
through the 17th centuries proved to be ineffective at
representing and conveying these scare scenarios until, by
means of kinaesthetic staging – for example with
marionette-like figures, concealed artillery, artificial
celestial signs, laterna magica
projections – it was possible for fright to be
calculated in terms of perceptual psychology, to be staged
technically, and to be intensified and perpetuated.
Correspondingly, the religious symbolism of fright was
increasingly trivialized. The horror strategies of modern
cinema, television, and internet kinaesthesia bring to their
conclusion and pervert the early modern attempts at staging
fright.
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Thomas Lentes:
Ereignis und Repräsentation –
Ein Diskussionsbeitrag zum Verhältnis von Liturgie und
Bild im Mittelalter
The medieval liturgy of the Mass was shaped above all as
a ritual of the memoria passionis and considered a
ritual reenactment of the Last Supper and the passion of
Christ. This article proposes an understanding of the
medieval alliance of liturgy and image that relates these
two modes of representation of the live of Christ. It starts
with a paradox: although the liturgical space was filled
with various kinds of images, they were not used in the
ritual itself. Instead, they connect to the ritual of the
Mass by framing it in space and time, giving the space of
the ritual a specific aura, visualizing its content, and
perpetuating the ritual ephemera. Finally through
meditation, the image turns the beholder of the ritual from
a mere spectator into an active participant. Images in this
sense did not only illustrate the ritual but themselves
became performative, stimulating in the beholder the same
experience of real presence that the liturgy of the Mass
performed. Last but not least the article proposes to study
this liturgical habitus of images, instead of focusing
exclusively on the functional aspects of the alliance of
liturgy and image in the Middle Ages.
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Carsten-Peter Warncke:
Bildpropaganda der Reformationszeit
The age of the Reformation constitutes a landmark in the
history of the image. For the first time pictures were used
as weapons, above all by the Protestants, who developed
illustrated broadsheets and pamphlets as a medium of mass
communication. Combining texts and pictures made it possible
to convey messages of high complexity and thus the pictorial
representation of rituals played a great part. Works like
Cranach's woodcuts for the most famous protestant pamphlet,
Luther's »Passional«, the broadsheets illustrated
by an unknown artist, the one created by Georg Pencz,
»Zweierley predig« (Two Kinds of Sermon), and
Sebald Beham, »Ein neuwer Spruch« (A New
Sentence), show how typical pictorial elements like
composition and iconography add specific meanings to the
messages delivered by the text. In most cases the pictures
of the pamphlets and broadsheets are no mere illustrations
but communicate the intended content.
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Werner Freitag:
Berühren, Bekleiden, Niederknien –
»Wunderthätige Gnadenbilder« im Zeitalter
der Konfessionalisierung
Heiligenbilder und Kreuzdarstellungen standen im
Mittelpunkt von Wallfahrten. Mit Hilfe der Bilder
beabsichtigen die Pilger, Gott anzubeten und seine Hilfe zu
erflehen, aber auch die Heiligen zu verehren und sich ihrer
Fürbitte (intercessio) zu vergewissern. Diese
religiöse Kommunikation fand vor und mit den Bildern
mittels rituell-liturgischer Handlungen und individueller
Gebete statt. Der Aufsatz schildert zunächst die
typischen Abläufe und religiösen Akte einer
Wallfahrt, um dann den Spezifika der Bilderverehrung im 17.
und 18. Jahrhundert nachzugehen. Anhand von
Marienwallfahrten in den katholischen
Fürstbistümern Westfalens geht es zunächst um
das Anliegen von Bischöfen, Ordensgemeinschaften und
Pfarrklerus, in Anlehnung an das Konzil von Trient magische
Kommunikation (superstitio) auszuschließen: Die
Bilder sollten im Rahmen der Wallfahrten keinesfalls
angebetet werden; vielmehr ging es darum, das Bild als
Verweis auf den Heiligen herauszustellen. Deshalb wurden die
Wegstrecken der Prozessionen mit den Bildern verkürzt,
die Symbolfunktion in der Katechese erläutert und die
Kultbilder in die neuen, barocken Altäre integriert.
Doch dass die Wallfahrtsbilder sich von den vielen anderen
Bildern im Kirchengebäude unterschieden, blieb
gemeinsame Überzeugung von Klerus und Laien. Deshalb
verlief die Neuausrichtung der religiösen Kommunikation
so erfolgreich. Für das Zeitalter der katholischen
Konfessionalisierung kennzeichnend waren die
disziplinierten Wallfahrtsprozessionen, der enge
Zusammenhang von Messopfer, Beichte und Kommunion (Empfang
der Eucharistie) sowie die Nutzung von Andachtsbüchern
bei der Andacht vor dem Bild. Die religiöse
Kommunikation zwischen dem Pilger und der im Bild
dargestellten Gottesmutter (Jungfrau Maria) fand im Opfern
von Kerzen und Votivgaben vor dem Bild ihren rituellen
Abschluss; die Pilger nahmen die Antwort Mariens und damit
Gottes in Gestalt des Wunders und anderer Hilfen für
die Nöte des Alltags wahr.
* * *
Images of saints and representations of the cross played
a central role in pilgrimages. With the help of such images
pilgrims desired to worship God and entreat his help, but
also to venerate the saints and insure their intercession
(intercessio). This religious communication took
place in front of and with images by means of
ritual-liturgical acts and individual prayers. This essay
begins with a description of the typical course of events
and religious acts of a pilgrimage in order to then examine
the specifics of image veneration in the 17th and
18th centuries. On the basis on Marian pilgrimage in
the Catholic prince-bishopric of Westphalia, the essay will
look at the attempt by bishops, the religious orders and the
parish clergy, following the Council of Trent, to exclude
magical communication (superstitio): in the context
of pilgrimage, the images should absolutely not be
worshipped; rather, the image was supposed to present a
reference to the saint. For this reason, processional routes
with images were shortened, their symbolic function was
explained in the catechesis, and the cult images were
integrated into the new, baroque altars. But both the clergy
and the laity remained convinced that pilgrimage images
differed from the many other images in the church building.
This is why the process of reorienting religious
communication was so successful. The period of Catholic
confessionalization was characterized by
»disciplined« pilgrimage processions; a close
relationship between the sacrifice of the Mass, confession,
and the receipt of the Eucharist; and the use of devotional
books in practicing devotion before an image. The religious
communication between the pilgrim and the Virgin Mary
represented in the image reached its ritual conclusion in
the donation of candles and votive offerings before the
image; the pilgrims perceived Mary's answer – and
thus God's – in the form of miracles and other
forms of everyday help in their hour of need.
[nach oben / to the top]
Michaela Völkel:
Vom Körperbild zum Erinnerungsbild –
Zum Bildgebrauch im fürstlichen
Trauerzeremoniell der Frühen Neuzeit
The use of images during early modern princely funeral
ceremonials was strongly influenced by contemporary theories
of visual representation. According to the Renaissance
artists' distinction between imago and
effigies already the dead princely body on display
was understood as an effigies and thus as the first
»image« of the ceremony. Further iconic
representations of the deceased followed, such as his or her
coat of arms, regalia, portraits, pictures of virtues and
deeds, and, since each icon was replaced by another during
the course of the ceremony, the spectators experienced this
rite of passage as a transition of images. By the end of the
ceremonial the primary effigies, the dead body, has
been transformed into an image, that is, a work of art (by
the chosen modus of representation, for example the
medal-like en face portrait, explicitly revealed as
such) appropriate to be kept in collective memory.
[nach oben / to the top]
Christine Tauber:
Die politisch-zeremonielle Nutzung
der Grande Galerie in Fontainebleau durch François I.
Über den konkreten politischen und zeremoniellen
Einsatz der Galerie von Fontainebleau, der Hauptresidenz des
französischen Königs François I.,
erfährt man aus Schriftquellen fast nichts. Eine
Analyse ihrer künstlerischen Ausstattung durch Rosso
Fiorentino und seine Mitarbeiter belegt jedoch schlagend,
dass der König das Vorzeigen seiner Galerie in
mehrfacher Hinsicht als demonstrativen Herrschaftsakt
nutzte: Er beanspruchte nicht nur die alleinige
Schlüsselgewalt und damit die exklusive
Zugänglichkeit zu diesem Raum, sondern führte auch
jedem Besucher erneut seine alleinige Deutungshoheit
über die von ihm geförderte Kunst vor Augen. Die
Galerie verfolgt eine Strategie gezielt eingesetzter
Verschlüsselung und Hermetisierung. Sie zielt auf
intellektuelle und ästhetische Überforderung des
Betrachters. Die Verweigerung einer durchgängig
erschließbaren, inhaltlichen Programmatik ist hier
Programm und wurde vom Herrscher im Sinne einer politischen
Überlegenheitsdemonstration eingesetzt.
* * *
Written sources reveal almost nothing about the concrete
political and ceremonial use of the gallery of
Fontainebleau, the primary residence of the French king
François I. But an analysis of its artistic
furnishings by Rosso Fiorentino and his collaborators
conclusively proves that the king used the showing of his
gallery as a demonstrative act of rule in several respects:
He not only claimed sole power of the keys and thus
exclusive control over access to this space, but also
emphasized anew to each visitor his prerogative as sole
interpreter of the art he had commissioned. The gallery
pursues a strategy of intentional encoding and
hermeticization. It aims at overwhelming the viewer
intellectually and aesthetically. The rejection of a
generally comprehensible program in terms of content
is the program here and is employed by the ruler as a
demonstration of political superiority.
[nach oben / to the top]
Thomas Weigel:
Der Venedig-Besuch des polnisch-französischen Königs
Heinrich IV./III. in Text und Bild
Unter denjenigen Bildzeugnissen, die den im Juli 1574
erfolgten Staatsbesuch Heinrichs III. in Venedig ex
post schildern, kommt dem wohl 1593 entstandenen
monumentalen Gemälde Andrea Vicentinos in der Sala
delle Quattro Porte des venezianischen Dogenpalastes
aufgrund seines propagandastrategisch besonders
wirkungsvollen Anbringungsortes eine hervorragende Bedeutung
zu. Im Vergleich mit den unmittelbar nach dem Ereignis
publizierten literarischen Berichten erweist sich die
bildliche Darstellung des Empfangszeremoniells als teilweise
unzuverlässig, und zwar insbesondere mit Blick auf
einige der im Vordergrund dargestellten
Persönlichkeiten, die keineswegs sämtlich bei der
fürstlichen Entrata zugegen waren oder doch
zumindest nicht alle in der dargestellten protokollarischen
Funktion agiert hatten. Das Gemälde bietet demnach
weniger ein in allen Teilen wahrheitsgetreues bildliches
Protokoll des historischen Ereignisses als vielmehr
– neben anderen, staatspolitisch wichtigen
Funktionen – partiell ein Medium der
Selbstrepräsentation bestimmter Parteigänger und
hochverdienter Repräsentanten der Republik, die zwar
ihr Ziel, ins Dogenamt aufzusteigen, allesamt verfehlt
hatten, aber dennoch auf ein visuelles Memorialzeugnis in
der Höhle des Löwen nicht verzichten mochten.
* * *
Among the visual documents describing ex post
Henry III's Venetian state visit in July of 1574, the
monumental painting – probably of
1593 – by Andrea Vicentino in the Sala delle
Quattro Porte of the Venetian Doge's palace possesses an
outstanding importance due to the particularly effective
propagandistic significance of the place it is displayed.
Compared to literary accounts published immediately after
the event, the visual representation of the reception
ceremonial proves in places to be unreliable, particularly
with respect to some of the persons represented in the
foreground. Certainly not all of these persons were present
during the princely entrata, or at least did not all
function in the ceremonial protocol represented. Thus, in
addition to other important functions in terms of state
politics, the painting offers less a completely accurate
visual record of the historical events than, at least in
part, a medium for the self-presentation of specific party
members and outstanding representatives of the republic.
While none of them attained their goal of rising to the
office of Doge they nonetheless did not want to forgo a
visual memorial document in the den of the lion.
[nach oben / to the top]
Birgitte Bøggild Johannsen:
Visual Strategies for Staging a Coup d'état –
Ritual and Pictorial Communication of the Absolutist Revolution in Denmark 1660
With reference to the contemporary debate on the coups
d'état (in particular Gabriel Naudé) and
in accordance with recent evaluations of the political
change of constitution in Denmark, the paper argues for a
rereading of the ceremonial of the homage or swearing of
oaths to the hereditary king (»Arvehyldingen«) on
18 October 1660. It regards this event as an instrument
of vital importance in an absolutist master plan, an
instrument that visually stages the concordia
communis and the translation of power in the garments of
tradition and continuity by means of the traditional ritual
of homagium, yet that adjusts it to the changed
agenda, which, however, at the indicative moment remains
concealed by means of a strategy of dissimulation. Within
the frameworks of inter-medial transposition or
»mediale Verdopplung« the article further
discusses pictorial representations of the act, focusing in
particular upon paintings by Wolfgang Heimbach (1666) and
attributed to Michael van Haven (probably from the early
1670s), both at Rosenborg Castle in Copenhagen. The staging
of the voluntary translation of power acquired a similar
visual expression in the composition of both works,
dominated by the emphasis on the crowd present, though
subtly segregating the royal family by means of linear
perspective and the effects of light and colour. The
subsequent ritual and pictorial staging of the coup
d'état of 1660 is discussed in an epilogue,
focusing in particular upon the first – and last
– centenary of absolutism in 1760, showing no
restrictions or dissimulations whatsoever and focusing
expressively upon the person of the monarch, who, however,
in reality chose to absent himself from the event. This
moment of remembrance is finally contrasted to the staging
of the death of absolutism in 1848–49, brought about
by a new bloodless coup d'état, yet from
below, the king's dual status as actor and agent of power
has now split into dissociated concepts, reducing the
monarch into a politically neutral, though
identity-creating, symbol of the nation.
[nach oben / to the top]
Jutta Götzmann:
Zwischen Realität und Idealität –
Kaiserinnenkrönungen und ihre
künstlerische Rezeption in der Frühen Neuzeit
Der Beitrag widmet sich der Kaiserin in der Frühen
Neuzeit, die innerhalb des Wahl- und Krönungsrituals
des 17. und 18. Jahrhunderts nur selten ins Zentrum der
Wahrnehmung rückte. Die Kaiserinnenkrönung stellte
im Alten Reich kein Einsetzungsritual im engeren Sinne dar.
Sie war mit keinem Statuswandel verbunden und implizierte
nicht das Recht auf die Regierungsgewalt, womit sie sich von
europäischen Monarchien wie England, Schweden oder
Dänemark unterschied. Der Krönungsakt diente
stärker repräsentativen Interessen und wurde im
17. und 18. Jahrhundert zunehmend eine Inszenierung der
kaiserlichen Hofgesellschaft. Zudem bestätigte die
Krönung den hohen Rang und die besonderen Privilegien
der Kaiserin.
Die Studie setzt unter den frühneuzeitlichen
Kaiserinnenkrönungen den Fokus auf Eleonora Magdalena
Theresia von Pfalz-Neuburg. Ihre 1690 in Augsburg erfolgte
Krönung ist nicht nur in Chroniken und Flugschriften
dokumentiert, sondern wurde innerhalb eines monumentalen
Ausstattungszyklus für Schloss Bensberg bei Köln
künstlerisch rezipiert. Die erhaltenen Ölskizzen
dokumentieren die künstlerische Auseinandersetzung mit
dem rituellen Ereignis und seine Transformation in ein
Bildsujet. In der offensichtlichen Auseinandersetzung mit
dem Medici-Zyklus von Peter Paul Rubens setze der
beauftragte Künstler Giovanni Antonio Pellegrini eine
Bildtradition fort, die bis in die Napoleonische Ära
Gültigkeit besaß.
* * *
The essay is devoted to the early modern empress, who was
seldom the centre of attention in the election and
coronation ritual of the 17th and 18th centuries. In
the Holy Roman Empire the coronation of the empress did not
represent an investiture with power in the strict sense. It
was not tied to a change in status and did not imply a right
to any authority to rule, which differentiated it from
European monarchies such as those of England, Sweden, or
Denmark. The act of coronation served more presentational
interests and in the 17th and 18th centuries
increasingly became a vehicle for the staging of imperial
courtly society. It served additionally as a confirmation of
the empress's high rank and special privileges.
Among the early modern empress coronations, this study
focuses on that of Eleonora Magdalena Theresia of
Pfalz-Neuburg (Palatinate-Neuberg). Her coronation of 1690
in Augsburg was documented not only in chronicles and
pamphlets, but was adapted artistically in a monumental
decorative cycle for Schlöss Bensberg near Cologne. The
surviving oil sketches document the artistic confrontation
with the ritual event and its transformation into a
pictorial subject. In its clear dialogue with Peter Paul
Rubens' Medici cycle, Giovanni Antonio Pellegrini, the
artist commissioned to create the work, continues a
pictorial tradition that retained legitimacy into the
Napoleonic era.
[nach oben / to the top]
Hans-Ulrich Thamer:
Bilder und Inszenierungen politisch-religiöser
Feste in der französischen Revolution
Untersucht werden die Rolle von Bildern im Ritual, die
visuelle Qualität von Ritualen und die Darstellung von
politischen Festen und Umzügen im Medium des Bildes.
Sowohl in den aktuellen Ereignisbildern wie in den
späteren Historienbildern lassen sich Umdeutungen von
Ritualen beobachten. Die Visualisierung der
symbolisch-rituellen Akten in der Druckgrafik verband sich
mit einer verbalen Deutung zu einem
politisch-propagandistischen Gesamtkunstwerk, das die
Mehrteiligkeit und Synchronität der politischen
Inszenierungen darstellen und auf eine eindeutige Botschaft
reduzieren sollte. Die vergleichende Bildanalyse
verdeutlicht die Ideologisierung der Interpretationen, die
die Inszenierungen in der zeitgenössischen Wahrnehmung
erfahren und die die für die Moderne charakteristische
Ambivalenz und rasche Verfallszeit von Deutungen erkennen
lassen.
* * *
Already quite early in the history of occidental
polyphony, musical notation appears in contexts that reveal
further interpretative levels and that add new motifs to the
original goal of notation, which was not surprisingly very
narrowly conceived and served principally the performance
and/or preservation of music. In these examples,
supplementary pictorial elements frequently appear together
with the actual musical notation, resulting in a visual
enrichment that raises fundamental questions about the
evaluation of musical and contextual elements: Is there a
shift that occurs between substantial and accidental? Is the
music or the image central? Can one expect a loss of
authenticity of the musical work of art in favour of
different interpretative aims? Is this a matter of an
intentional expansion, even contravention by means of
symbolic communicative content? The text examines, from
various perspectives, the contexts of use and representation
in which musical notation in the Middle Ages and early
modern period appears.
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Jürgen Heidrich:
Authentizität und Symbol –
Spätmittelalterliche Musikalien und ihre
Visualisierung
Bereits früh in der Geschichte der
abendländischen Mehrstimmigkeit erscheint die
musikalische Notation in Kontexten, die weitere
Interpretationsebenen eröffnen und die
ursprünglich naturgemäß sehr eng gefasste
Intention der Aufzeichnung, die prinzipiell der
Aufführung und/oder Bewahrung von Musik gilt, mit
unterschiedlichen Motiven erweitern. Zu der eigentlichen
Notenschrift treten in diesen Fällen oftmals
ergänzende bildhafte Elemente, es erfolgt eine visuelle
Anreicherung, die grundsätzliche Fragen nach der
Gewichtung musikalischer und kontextueller Elemente
provoziert: Geschieht eine Verschiebung von Substanz und
Akzidenz? Steht die Musik oder das Bild im Zentrum? Ist ein
Verlust der Authentizität des musikalischen Kunstwerks
zugunsten anders gerichteter Deutungsabsichten zu
gewärtigen? Handelt es sich um die gezielte
Erweiterung, vielleicht sogar Konterkarierung durch
symbolische Kommunikationsgehalte? Der Text untersucht aus
verschiedenen Perspektiven, in welchen Gebrauchs- und
Repräsentationszusammenhängen musikalische Notate
im Mittelalter und der frühen Neuzeit aufscheinen.
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Already quite early in the history of occidental
polyphony, musical notation appears in contexts that reveal
further interpretative levels and that add new motifs to the
original goal of notation, which was not surprisingly very
narrowly conceived and served principally the performance
and/or preservation of music. In these examples,
supplementary pictorial elements frequently appear together
with the actual musical notation, resulting in a visual
enrichment that raises fundamental questions about the
evaluation of musical and contextual elements: Is there a
shift that occurs between substantial and accidental? Is the
music or the image central? Can one expect a loss of
authenticity of the musical work of art in favour of
different interpretative aims? Is this a matter of an
intentional expansion, even contravention by means of
symbolic communicative content? The text examines, from
various perspectives, the contexts of use and representation
in which musical notation in the Middle Ages and early
modern period appears.
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