Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Kurzzusammenfassung:
Wegen seiner Vielfalt und Omnipräsenz kann das Drama als
Leitmedium Europas in der Frühen Neuzeit gelten. Durch
Überwindung der Vorbehalte gegenüber dem gespielten Theater
entwickelten sich seit dem Ausgang des Mittelalters
zahlreiche neue Formen des Dramas sowie Foren für seine
Aufführung. Es bildete sich dabei keine einheitliche
Gattungsform heraus, statt dessen koexistierten
unterschiedliche Traditionen. Die neue Rezeption des
klassischen lateinischen und griechischen Dramas stand dabei
neben der fortwirkenden Tradition des geistlichen Spiels und
der Moralität, einflussreich waren aber vor allem kreative
Neuschöpfungen, die im Drama bislang nicht behandelte Stoffe
erschlossen. Die Parallelität dieser Entwicklung in den
verschiedenen Sprachen, Regionen und Milieus führte zu einer
Vielfalt, die bei jeder Beschäftigung mit der Materie sowohl
als Problem wie als Anreiz begegnet.
Da eine Gesamtdarstellung des spätmittelalterlichen und
frühneuzeitlichen europäischen Dramas noch fern ist,
unternimmt dieser Band den Versuch, über die Sprach- und
Epochengrenzen hinweg Perspektiven zu eröffnen, die die
Erforschung des Dramas voranbringen sollen. Dabei
interessiert das Drama weniger als Kunstform an sich,
sondern vielmehr als ein Ort kollektiver Imagination, in dem
gesellschaftliche Praktiken dargestellt und Werte diskutiert
oder vermittelt werden. Als Leitkategorien wurden dabei die
Begriffe Aktion und Akteur gewählt. Dabei handelt es sich um
grundlegende Konstituenten der dramatischen Kommunikation,
die auch in vielen historischen Dramentheorien seit
Aristoteles beschrieben werden. Sie erlauben eine
vergleichende Behandlung unterschiedlichster Ausformungen
des Dramas und machen Kategorien und Wertmuster der
gesellschaftlichen Milieus sichtbar, denen die Dramen
zugehörig sind. Das ist im Bereich der Akteure besonders
dann evident, wenn historische Gestalten, allegorische
Personifikationen, mythologische und religiöse Mächte oder
völlig neu ausgeformte Personentypen auftreten. Es gilt aber
auch in dem speziellen Fall, dass Personentypen direkt aus
antiken Vorbildern übernommen werden, denn diese durchlaufen
dabei einen Selektions- und Adaptationsprozess.
Auch die Kategorie der Aktion stellt eine zentrale Konstituente des
Dramas dar und eröffnet zugleich eine Perspektive auf reale
oder imaginäre gesellschaftliche Praktiken. Der Band
verdankt sich einer Kooperation niederländischer, flämischer
und deutscher Dramenforscher, die in ihren
Forschungsschwerpunkten einen großen Teil des
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europas
abdecken. Im Zentrum stehen deshalb Dramen aus dem Bereich
der heutigen Niederlande, Belgiens und Deutschlands. In den
Niederlanden interessiert zum einen die mächtige Tradition
des volkssprachlichen Rederijkerdramas, zum anderen das
antikisierende, teils lateinische Schuldrama. Im Gebiet des
deutschen Reiches erweist sich das lateinische Drama der
Jesuiten als einflussreich, daneben stehen aber das
protestantische Schuldrama sowie Formen des
volkssprachlichen städtischen und höfischen Spiels. Andere
Beiträge betreffen die italienische Commedia dell'arte, die
nordfranzösischen Farcen und Sottisen des 16. Jahrhunderts,
das zum großen Teil volkssprachliche spanische Jesuitendrama
oder die frühe humanistische Tragödie Italiens.
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Inhaltsverzeichnis:
Christel Meier (Münster) / Bart A. M.
Ramakers (Groningen):
Akteure und Aktionen im Drama der Frühen Neuzeit. Eine Einführung
Claudia Spanily (Münster):
Lust und Reue: Affekte als Personentypen im Drama der
Frühen Neuzeit
Elsa Strietman (Groningen):
Perplexed but not in Despair? An Investigation
of Doubt and Despair in Rhetorician's Drama
Bart A. M. Ramakers (Groningen):
Die Welt und die drei Begierden im Rederijker-Drama
Femke Hemelaar (Groningen):
Translating the Art of Terence: Sixteenth-Century Versions of the
Characters of Eunuchus
Philiep Bossier (Groningen):
Embedded Ambivalence. The Example of Dynamic Stock
Characters in Italian Renaissance Comedy
Volker Janning (Hamburg):
Figuren und Aktionen der antiken Mythologie auf der
Jesuitenbühne
Johannes W. H. Konst (Freie Universität
Berlin):
Beständigkeit versus Wankelmut. Personentypen im
senecanisch-scaligerianischen Drama (1600–1620) in den
nördlichen Niederlanden
Bernd Roling (Münster):
Der Engel als Spielfigur in den Dramen der Jesuiten Jakob
Gretser (1562–1625), Jakob Bidermann (1578–1639)
und Georg Bernardt (1595–1660)
Heinz Meyer (Münster):
Sapiens Salomon redivivus. Exempelfiguren und
symbolische Aktionen des Salomonspiels der Osnabrücker
Jesuiten zur Universitätsgründung 1630/32
Jan Bloemendal (Den Haag / Amsterdam):
König von Gottes Gnaden? Der gute und der böse
Monarch auf der frühmodernen Bühne in den
Niederlanden bis ca. 1625 anhand der Davidspiele
Rina Walthaus (Groningen):
The Female Ruler on the Early Modern Spanish Stage
Christel Meier (Münster):
Der Gelehrte als Theaterheld: komisch, satirisch, tragisch,
heroisch. Variationen über die Gefährdungen des
Intellektuellen in der Frühen Neuzeit
Bernhard Jahn (Magdeburg):
Der Bauer als Pasticcio. Zur Konstruktion von
Unterschichtenfiguren durch die Kombination von Aktionstypen
am Beispiel deutscher Dramen des 16. Jahrhunderts
Dirk Coigneau (Gent):
Alltagsfiguren auf der Rederijker-Bühne
Jelle Koopmans (Amsterdam):
Typologies of Action in French Farces and Sotties: Between
Short-Term and Long-Term Patterns in the History of
Drama
Dirk Niefanger (Erlangen):
Das redivivus-Modell. Historische Helden und ihre Semiotik
in Dramen von Jacob und Nikodemus Frischlin
Hartmut Beyer (Münster):
Divinatio in zwei lateinischen Dramen des
15. Jahrhunderts aus Ferrara und Rom
Juliette A. Groenland (Amsterdam):
Predicting the Present. Final Prophecies in Latin and Dutch
History Plays in the Early Years of the Dutch Republic
Kai Bremer (Gießen):
Der Conversus und sein Bekenntnis. Zur Performanz der
Bekehrung auf dem deutschen Theater um 1600
Christiane Pérez González (Münster):
Lateinische Aktions- und Szenentypen im spanischen
Jesuitentheater
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