Joachim Poeschke, Thomas Weigel, Britta Kusch-Arnhold (Hgg.)

Praemium Virtutis III

Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 22

2008, 336 Seiten, 12 Beiträge, 149 Abbildungen, Harteinband
2008, 336 pages, 12 essays, 149 figures, hardcover

ISBN 978-3-930454-59-4
Preis/price EUR 51,–

17 × 24cm (B×H), 1000g

Dieses Buch bei Rhema bestellen /
order this book at Rhema

Dieses Buch auf Amazon kaufen /
Buy this book on Amazon

(Information for international Amazon customers)


Zum Inhalt:

Der vorliegende Band enthält die Beiträge zur fünften Tagung, die im Rahmen des seit Januar 2000 in Münster bestehenden Sonderforschungsbereichs »Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme« von dessen kunstgeschichtlichem Teilprojekt im Mai 2006 veranstaltet wurde. Sie war jener Gruppe besonders anspruchsvoller Denkmäler, durch die in der Vergangenheit vor allem verdiente Heerführer geehrt wurden, gewidmet. Ebenso wie in der Antike standen Reitermonumente auch in der Neuzeit hoch im Kurs.

Dagegen waren sie sie zwischenzeitlich, im Mittelalter, in dem ihnen das Odium der superbia anhaftete, fast völlig von der Bildfläche verschwunden. Erst vom 13. Jahrhundert an, vor dem Hintergrund der aufblühenden höfischen Kultur und der ritterlichen Ideale, kam es zu einer Wiederkehr der Reiter. Von da an nahmen sie unter den Denkmälern, die der Erinnerung an die Virtus der durch sie geehrten Personen dienten und dementsprechend von Petrarca lapidar als insignia virtutum bezeichnet wurden, erneut einen hervorragenden Platz ein, zumal sie nicht nur durch schiere Größe und materiellen Aufwand beeindruckten, sondern auch an die künstlerische Gestaltungskraft und die technischen Fähigkeiten der mit ihrer Planung und Ausführung betrauten Künstler die größten Ansprüche stellten.

Welch hohen Kunst- und Symbolgehalt die Reitermonumente durch die Jahrhunderte hatten, wird in dem vorliegenden Band an einer Vielzahl bedeutender Beispiele aufgezeigt. Die in ihm enthaltenen Beiträge schlagen den Bogen von der Antike bis zum Klassizismus. Sie stellen damit die im Spätmittelalter und in der Renaissance sich vollziehende Entwicklung des Reitermonuments in einen größeren Referenzrahmen, legen den Schwerpunkt jedoch auf jene vom 13.  bis zum 16. Jahrhundert reichende Epoche, in welcher sich das Reiterdenkmal neuzeitlichen Typs herausgebildet hat.

[nach oben / to the top]


Die Autoren und ihre Beiträge:

Vorwort

Johannes Bergemann:
Virtus – Antike Reiterstatuen als politische und gesellschaftliche Monumente

Saverio Lomartire:
La statua del Regisole di Pavia e la sua fortuna tra Medioevo e Rinascimento

Stephan Selzer:
Reitende Macht – Italienische Condottieri und ihre Pferde im 14. und 15. Jahrhundert

Volker Hunecke:
»Dux aetatis suae cautissimus« – Feldherrntugenden und republikanische Reitermonumente im langen Quattrocento

Peter Seiler:
Praemium virtutis oder abominabile idolum? – Zur zeitgenössischen Rezeption des Reitermonuments des Bernabò Visconti in Mailand

Raphael Beuing:
Grabmal und Reiterbild des Paolo Savelli in Venedig

Joachim Poeschke:
Reiterbilder und Wertesymbolik in der Frührenaissance – Zum Gattamelata-Monument Donatellos

Martin Gaier:
Hölzerne Pferde als goldene Kälber – Zu den Reitermonumenten in venezianischen Kirchen

Victoria Avery:
Virtue, Valour, Victory – The Making and Meaning of Bronze Equestrian Monuments (ca. 1440 – ca. 1640)

Claudia Echinger-Maurach:
Michelangelos und Daniele da Volterras Reiterdenkmal für König Heinrich II. von Frankreich

Dietrich Erben:
Die Krise des Reiterdenkmals und das Wachstum der Staatsgewalt im 16. Jahrhundert

Johannes Myssok:
Der vertauschte Reiter – Zum Standbild Napoleons für Neapel und seinem Schicksal

Personenregister

Ortsregister

[nach oben / to the top]


Näheres zu den Beiträgen:

Raphael Beuing:
Grabmal und Reiterbild des Paolo Savelli in Venedig

Das Grabmal des 1405 verstorbenen Condottiere Paolo Savelli in S. Maria Gloriosa dei Frari in Venedig galt bislang zumeist als das früheste Reiterbild des 15. Jahrhunderts. In zeitlicher Nähe zum Tode Savellis ist der stilistischen Sprache nach zu urteilen jedoch allein der Sarkophag mitsamt den Nischenfiguren entstanden. Hingegen verweist die hölzerne Reiterfigur deutlich in die späten Jahre der Internationalen Gotik und ist wegen der Gestalt der Rüstung und der Darstellung des elegant schreitenden Pferdes in die Jahre zwischen 1420 und 1445 zu datieren, mithin vielleicht beeinflußt durch das frühere Reiterbild des Cortesia da Serego in Verona.

Womöglich wurde die Statue dem zuvor unfertigen Grabmal hinzugefügt, als um 1435 das nunmehr eingewölbte Querhaus der Franziskanerkirche einer größeren Ausstattungskampagne unterzogen wurde und mit Savelli, der Stiftungen für den Neubau der Frari hinterlassen hatte, ein Wohltäter der Kirche geehrt werden sollte. Als Auftraggeber ist eher der für den Kirchbau verantwortliche Personenkreis zu vermuten, sicher aber nicht der venezianische Senat, da in der Serenissima im Quattrocento eine öffentlich Ehrung in Gestalt eines Monuments vollkommen unüblich war.

[nach oben / to the top]


Joachim Poeschke:
Reiterbilder und Wertesymbolik in der Frührenaissance – Zum Gattamelata-Monument Donatellos

Das 1453 von Donatello vor dem Santo in Padua errichtete Denkmal des Gattamelata gehört fraglos zu den prominentesten und am besten erforschten Reitermonumenten der Renaissance. In dem vorliegenden Beitrag wird der Blick jedoch weniger auf die oft diskutierten Fragen der Auftraggeberschaft und Gattungszugehörigkeit des Monuments gelenkt als vielmehr auf die ungewöhnliche Konzeption des Reiterbildes, genauer auf jene von anderen zeitgenössischen Reitermonumenten abweichenden Besonderheiten inhaltlicher und formaler Art, die letztlich einer bewußten Sichtbarmachung bestimmter ethischer Normen und gesellschaftlicher Wertevorstellungen dienten.

Die Leitfrage lautet: Mit welchen gestalterischen Mitteln und mit welchen inhaltlichen Implikationen wurde an dem Monument das Thema der Virtus zur Anschauung gebracht, inwieweit mit den individuellen Zügen des Condottiere ein dem Status seiner Person entsprechendes ideales Charakterbild verknüpft und damit neben der mimetischen auch der normativen Komponente, auf die an keinem Denkmal verzichtet werden konnte, Rechnung getragen? Es wird im einzelnen aufgezeigt, daß Donatello auf sehr reflektierte Weise solchen Idealvorstellungen nicht nur in den Attributen, sondern auch und vor allem im körperlichen Gebaren des Dargestellten, in dessen Haltung, Gestik und Mimik, sichtbaren Ausdruck verliehen hat.

[nach oben / to the top]


Martin Gaier:
Hölzerne Pferde als goldene Kälber – Zu den Reitermonumenten in venezianischen Kirchen

Der Beitrag untersucht die Entstehung und Wahrnehmung einiger Grabmäler mit Reiterstatuen für Söldnerführer im Dienste der Republik Venedig, die im 16.  und beginnenden 17. Jahrhundert an den Wänden venezianischer Kirchen angebracht wurden. Dabei wird zunächst die Rolle des Staates bei der Errichtung der Monumente, dann aber vor allem ihre Rezeption im Zuge der Gegenreformation beleuchtet.

Das Grabmal des Feldherrn Taddeo della Volpe gerät in die Kritik, da es als Heiligenbild angebetet wird. Die Dominikaner von Santi Giovanni e Paolo versuchen, nachdem das vierte Standbild in ihrer Kirche errichtet wurde, alle Monumente dieser Gattung mit einem Schlag aus dem Sakralraum zu entfernen. Ihr – vergebliches – Gesuch an den Senat argumentiert mit visueller Irritation, Profanierung und Idolatriegefahr und ist ein lebendiges Zeugnis für die zeitgenössische Wahrnehmung repräsentativer Kunst im öffentlichen Raum.

[nach oben / to the top]


Victoria Avery:
Virtue, Valour, Victory – The Making and Meaning of Bronze Equestrian Monuments (ca. 1440 – ca. 1640)

Between ca. 1440 and ca. 1640, equestrian monuments in bronze became fashionable in Western Europe with nearly thirty projected – although only thirteen were actually realised. Representing collaboration between the most important rulers, sculptors and casters of the epoch, such monuments constitute a significant genre within the field of sculpture. This essay begins by investigating the reasons why bronze was the ideal material for such monuments (inherent strength, natural ruddy tonality, kudos due to its exorbitant expense and all'antica connotations, and symbolic associations with victory, invincibility and power).

The respective roles of the sculptor and bronze founder are then discussed, concluding that authorship was invariably defined in terms of design rather than execution. The ways in which a sculptor could demonstrate his virtus are analysed (scale, pose, liveliness and beauty of the horse; and physiognomy, expression, pose and costume of the rider), as are the ways in which a caster could show-case his virtuosity (through a flawless casting, with thin and even walls, preferably executed in a single pouring). The essay concludes by musing on the genre's current popularity in Eastern Europe, Central Asia, North Africa and the Americas, focussing on two recent North American projects, both of which set out to create a Leonardesque super horse in bronze.

[nach oben / to the top]


Claudia Echinger-Maurach:
Michelangelos und Daniele da Volterras Reiterdenkmal für König Heinrich II. von Frankreich ca. 1640)

Zu den bedeutenden Aufträgen der Königin von Frankreich, Katharina de' Medici, zählt das in der Französischen Revolution zerstörte und daher nur wenig bekannte, aber von 1559 bis 1792 umfassend dokumentierte Reiterstandbild für ihren Gatten Heinrich II., das Michelangelo entworfen und dessen Pferd Daniele da Volterra ausgeführt hat. Der Aufsatz gibt einen Überblick über Konzeption und Rezeption des Monumentes vom ersten Entwurf Michelangelos bis zu den späteren Versuchen, das Bronzeroß für Reiterdenkmäler anderer Herrscher zu erwerben; zuletzt wurde es mit der Figur König Ludwigs XIII. komplettiert und auf der place Royale aufgestellt.

Veranlaßt hat diese Studie erstens das genaue Studium einer bisher kaum beachteten Skizze des 16. Jahrhunderts in der Staatlichen Graphischen Sammlung, München, die das Werk mit Standbild und Sockel in zwei Ansichten vollständig wiedergibt, zweitens der Fund mehrerer Zeichnungen von Edmé Bouchardon nach dem zerstörten Roß mit seinem neuen Reiter, Ludwig XIII., die der Michelangelo-Forschung bisher entgangen waren und die ein deutliches Bild des Bronzerosses von allen Seiten überliefern. Bouchardons genaue Kotierungen geben des weiteren Aufschluß über die Maße des verlorenen Werkes, das als aemulatio des Marc Aurel konzipiert und vom Tempesta in einer Radierung als modernes Gegenstück zu diesem antiken Vorbild publiziert worden ist. Vergleicht man allerdings Tempestas graphische Wiedergabe des Herrschers auf seinem Roß mit einer zersplitterten Lanze in der erhobenen Hand mit dem ganz anders gearteten Bild Heinrichs II. auf der Münchener Zeichnung, die den König mit einem Szepter zeigt, legt sich die Vermutung nahe, der Lothringer habe hier die ursprüngliche Ikonographie für seine eigenen Zwecke stark verändert. Michelangelo hat darüber hinaus im Widerspruch zu Katharinas Auftrag, die das Denkmal im Hof eines ihrer Paläste aufstellen wollte, ein aufwendiges Grabmal und kein reines Reiterdenkmal entworfen, dessen komplexe Ikonographie und Gestalt ich, so weit möglich, zu rekonstruieren versuche.

[nach oben / to the top]


Dietrich Erben:
Die Krise des Reiterdenkmals und das Wachstum der Staatsgewalt im 16. Jahrhundert

Die Fragestellung des Aufsatzes geht von dem Sachverhalt aus, daß im Verlauf des 16. Jahrhunderts in Europa kein einziges als Freidenkmal auf einem Platz postiertes Reitermonument zur Verwirklichung gelangte. War das Denkmal für den Condottiere Bartolomeo Colleoni in Venedig bereits 1496 enthüllt worden, so begann die europäische Erfolgsgeschichte des barocken Reiterdenkmals erst mit der Vollendung des Monuments für den Großherzog Cosimo de' Medici im Jahr 1594 in Florenz. Das Scheitern der Projekte für öffentliche Reiterdenkmäler läßt sich als ein grundsätzliches Krisensymptom für die Spannungen deuten, denen der Denkmaltypus im Hinblick auf seinen Repräsentationsgehalt ausgesetzt war. Im 16. Jahrhundert lassen sich zahlreiche Projekte für dauerhafte Monumente nachweisen, während sich die Reiterfigur als fester Bestandteil von ephemeren Festapparaten etablierte. In beiden Funktionskontexten folgte der Typus einem Modus der antikisierenden oder allegorischen Verhüllung des Reiters. Im Gegensatz dazu wird bei den seit dem Ende des 16. Jahrhunderts realisierten öffentlichen Monumenten ein Modus der abbildhaften, wenngleich weiterhin symbolisch aufgeladenen Darstellung des Reiters gewählt.

Der Aufsatz verfolgt die These, daß der Konflikt zwischen diesen beiden unterschiedlichen Modi der Darstellung erst dadurch bereinigt wurde, daß Roß und Reiter auf eine neue Ebene der Bedeutung gehoben wurden. Auf der einen Seite ist der Bedeutungswandel des Pferdes vom aktiven Mitstreiter des Reiters zu einem Symbol der Untertanenschaft als eine Konsequenz aus dem Funktionswechsel des Pferdes von einer strategischen Primärwaffe zu einem subalternen Dienstleister im militärischen Gebrauch zu verstehen. Auf der anderen Seite handelte es sich bei den Reitern, denen Denkmäler gewidmet wurden, nicht mehr um Capitani, sondern um Fürsten. Auch diese Steigerung an Exklusivität in der personalen Darstellung resultiert aus der militärischen Praxis, in der der Fürst nicht mehr die Rolle des beritten Schlachtenlenkers, sondern diejenige des planenden Strategen innehat. Erst eine Bedeutungszuweisung, die diesem doppelten Funktionswandel von Roß und Reiter Rechnung trug, eröffnete den Weg zum frühbarocken Reiterdenkmal. Mit dieser semantischen Neukonstituierung des Reiterdenkmals war auch ein Werte- und Normenwandel im Hinblick virtus militaris verbunden. Dieser läßt sich schlagwortartig dahingehend bezeichnen, daß die von Cicero inspirierte, auf den Feldherrn bezogene Virtus-Lehre von einem vor allem mit Tacitus begründeten und auf den Fürsten orientierten Normendiskurs der Staatsraisonlehre abgelöst wurde.

[nach oben / to the top]


Johannes Myssok:
Der vertauschte Reiter – Zum Standbild Napoleons für Neapel und seinem Schicksal

Denkmalsprojekte in der napoleonischen Ära hatten einen schwierigen Stand. Wie für Napoleon selbst im politischen Bereich, war es auch für die Aufstellung von Statuen und anderen Denkmalsformen durch den mit der französischen Revolution hervorgerufenen Traditionsbruch grundsätzlich problematisch, an Traditionen des Ancien Régime anzuknüpfen. Auf der anderen Seite hatte Paris durch die Revolutionsereignisse seine Reiterdenkmäler eingebüßt, die jedoch durch das sich zu eben dieser Zeit verstärkt ausbildende kunsthistorische Bewusstsein eben nicht mehr nur als Schöpfungen eines verhassten politischen Systems begriffen, sondern zunehmend auch als bedeutende künstlerische Werke anerkannt wurden. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich die bereits 1802 geäußerte Anregung des französischen Kunsttheoretikers Quatremère de Quincy an den berühmtesten Bildhauer der Zeit, seinen Freund Antonio Canova, ein Reiterstandbild Napoleons zu schaffen. Während Canova dann zwar zunächst sein berühmtes Standbild des nackten Napoleon als friedensbringender Mars schuf, bot sich doch ab 1806 erneut die Gelegenheit, ein Reiterstandbild des Imperators für dessen Bruder Joseph in Neapel zu gestalten.

Der Beitrag untersucht dieses Projekt und seine Weiterführung in der Zeit der Restauration, als es schließlich zu einem Reiterstandbild des Bourbonen Karl III. umgewandelt und mit einem Pendant versehen vor S. Francesco di Paola in Neapel zur Aufstellung gelangte. Neben den ungewöhnlichen Entstehungsumständen und neuen Erkenntnissen zu den Skulpturen Canovas wird breit die kunsttheoretische Diskussion Canovas mit Quatremère einbezogen, die sich zum Teil sogar direkt auf die Form des entstehenden Werks auswirkte. Die weiterführende Besprechung des Monuments bei Cicognara erweitert die Perspektive sodann in dezidiert nationalistisch-romantischer Weise, wodurch der Beitrag die Wandlungen des Reiterstandbildes zwischen Klassizismus und Romantik einerseits, zwischen Empire und Restauration andererseits aufzuzeichnen in Lage ist.

[nach oben / to the top]