Kurzzusammenfassung:
Die eigene Identität wird nur dann zum Thema, wenn
sie in der Krise steckt, so lautet eine gängige
Hypothese in Psychologie und Soziologie. In den historischen
Kulturwissenschaften zur Vormoderne dominiert dagegen ein
anderes Erklärungsmodell, das Identität über
Alterität, die Abgrenzung des Eigenen vom Fremden,
bestimmt. Doch inwieweit stellen diese beiden Konzepte von
Identität unterschiedliche Weichen für die
empirische Arbeit? Wie überschneiden, ergänzen
oder aber widersprechen sie sich? Welche theoretischen
Annahmen sind nur durch das jeweilige Untersuchungsdesign
bestimmt, welche Positionen dagegen wesentlich für eine
theoretisch fundierte Kulturgeschichte von Identitäten?
– So lauteten die Ausgangsfragen einer Tagung junger
Kulturhistoriker im Juni 2006 in Münster, deren
Ergebnisse der vorliegende Sammelband publiziert.
An konkreten Beispielen vom Europa der Ottonenzeit bis zu
den Überseereisen des 17. Jahrhunderts loten die neun
Beiträge aus Geschichte, Kunstgeschichte,
Islamwissenschaft und Philologie aus, welche theoretischen
Deutungsstrategien sich für die jeweiligen Themen und
Forschungsinteressen als anschlussfähig erweisen. Auch
wenn der ebenso viel genutzte wie gescholtene Begriff der
»Identität« während der Tagung immer
wieder auf dem Prüfstand war, lässt er sich
– so eine Quintessenz der Debatten – bei einer
methodisch reflektierten Verwendung für viele
Kernthemen und -probleme einer aktuellen Kulturgeschichte
des Politischen fruchtbar machen: für den Rekurs auf
geteilte Werte- und Sinnhorizonte, für ihre Stiftung
nicht nur durch Diskurse, sondern auch durch Rituale und
Inszenierungen, für das Prekäre und Fragile
solcherart ausgehandelter Verständigungen, für die
Versuche, sie auf Dauer zu stellen, für das
Verhältnis zwischen Identitätskonstruktionen und
Macht.
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Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Carla Meyer – Christoph Dartmann:
Einleitung
Klaus Oschema:
Eine Identität in der Krise – Konstruktionen des
mittelalterlichen Europa
Andreas Bihrer:
Verwobene Konstellationen, verknüpfte Erfahrungen:
England und das Reich in der Ottonen- und Salierzeit –
Thietmar von Merseburg und die Angelsachsen
Christoph Dartmann:
Entwürfe kollektiver Identitäten im
städtischen Italien zwischen Diskurs und politischem
Ritual
Şevket Küçükhüseyin:
Fremde Freunde – verwandte Feinde: Zum Bild des
Türken und Christen in narrativen muslimischen Quellen
des spätmittelalterlichen Anatolien
Christian Schneider:
Höfische Lebensform und gesellschaftliche
Identität – Literarische Texte um Herzog
Albrecht III. von Österreich (1365–1395)
Zita Ágota Pataki:
Bilder schaffen Identität – Zur Konstruktion
eines städtischen Selbstbildes in den Illustrationen
der Augsburger Chronik Sigismund Meisterlins
1457–1480
Carla Meyer:
Wie und warum wird städtische Identität zum Thema?
– Nürnberg im Städtelob um 1500
Ruth Schilling:
Osmanische Bedrohung, christliche
Identität? – Konfessionelle und
politische Repräsentationen von
Gruppenzugehörigkeiten in den Reaktionen auf den Sieg
von Lepanto in Venedig um 1600
Antje Flüchter:
Identität in einer transkulturellen Gemeinschaft?
– Deutsche in der Vereenigde Oost-Indische
Compagnie
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