Die Autoren und ihre Beiträge:
Nikolaus Staubach:
Quibus virtutum testimoniis in vita floruit, illis in
morte ornetur. Paris de Grassis und das kuriale
Begräbniszeremoniell des frühen
16. Jahrhunderts
Antje Bräcker:
Das Begräbniszeremoniell für die Päpste
Paul V. (1550–1621) und Gregor XV.
(1554–1623) – Zwei Wahrnehmungen
Minou Schraven:
The Rhetoric of Virtue. The Vogue for Catafalques at Papal
and Cardinal's Obsequies in Late Sixteenth Century Rome
Britta Kusch-Arnhold:
Solcher Tugend gebührte nicht weniger! Die Exequien
Michelangelo Buonarrotis und das Grabmal des
Künstlers
Martina Minning:
Zu Begräbniszeremoniell und Grabmal des Fürsten
Alberto III. Pio da Carpi
Claudia Echinger-Maurach:
Triumphmotive an Grabmälern des frühen
Cinquecento
Joachim Poeschke:
Historizität und Symbolik im Figurenprogramm der
Medici-Kapelle
Jutta Götzmann:
Der Triumph der Medici. Zur Ikonographie der Grabmäler
Leos X. und Clemens' VII. in Santa Maria sopra
Minerva
Regine Schallert:
Et novus ex solido revirescit marmore Phoenix. Das
Grabmonument für Paul IV. in Santa Maria sopra
Minerva
Martin Gaier:
Falconettos Projekt für einen monumentalen Grabaltar
der Familie Giustinian
Thomas Weigel:
Zum Grabaltar des Antonio Milledonne in San
Trovaso, Venedig
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Näheres zu den Beiträgen:
Nikolaus
Staubach: Quibus virtutum testimoniis in vita
floruit, illis in morte ornetur. Paris de Grassis und
das kuriale Begräbniszeremoniell des frühen
16. Jahrhunderts
In seinem Traktat »De funeribus et exequiis in Romana
curia peragendis« hat der päpstliche Zeremoniar
Paris de Grassis (†1528) eine umfassende
Darstellung des kurialen Begräbniszeremoniells seiner
Zeit hinterlassen. Das bislang unedierte Werk behandelt
jedoch nicht nur die aktuell gebräuchlichen
Begräbnisfeierlichkeiten für Kardinäle
(Buch II–V) und andere hochgestellte geistliche
und weltliche Personen (Buch VI), sondern gibt in
seinem umfangreichen Einleitungsteil (Buch I) auch
einen kultur- und religionsgeschichtlichen Überblick
über die Begräbnissitten aller Völker und
Zeiten, der von der reichen humanistischen Gelehrsamkeit des
Autors und von seinem Bemühen um eine wissenschaftliche
Fundierung der Zeremonialdisziplin zeugt. Seine
Enzyklopädie des kurialen Begräbniswesens ist
zugleich ein Dokument der umfassenden Zeremonialreform, die
unter Innozenz VIII. mit der Erarbeitung des
»Caeremoniale Romanae Curiae« durch Agostino
Patrizi und Johannes Burckardus grundgelegt worden war.
Paris de Grassis, der jüngere Amtskollege, Adept,
Rivale und schärfste Kritiker Burckards, hat sein
Lebenswerk der Systematisierung, Perfektionierung und
theoretischen Absicherung dieser Reform gewidmet und sich
nicht zu Unrecht stets als ihr Vollender betrachtet. Sein
Traktat »De funeribus« erlaubt daher nicht nur
eine Rekonstruktion der zeitgenössischen
Funeralbräuche, sonder gibt dem Wissenschaftsanspruch
seines Verfassers gemäß, auch Aufschluß
über die der Praxis zugrundeliegenden oder
unterschobenen Traditionselemente, Handlungsformen und
Gestaltungsprinzipien.
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Antje
Bräcker: Das Begräbniszeremoniell für
die Päpste Paul V. (1550–1621) und
Gregor XV. (1554–1623) – Zwei
Wahrnehmungen
Der Beitrag lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daß die
Darstellung zeremoniellen Geschehens in historischen Quellen
eine Konstruktion der tatsächlich stattgefundenen
zeremoniellen Ereignisse ist, die wesentlich durch die
Wahrnehmung der jeweiligen Berichterstatter bestimmt wird.
Dies läßt sich beispielhaft an zwei Quellen zum
Trauer- und Begräbniszeremoniell der Päpste
Paul V. und Gregor XV. zeigen.
Das zeremonielle Geschehen nach dem Tode der genannten
individuellen Amtsinhaber, wie es das Tagebuch des
päpstlichen Zeremonienmeisters Alaleone schildert,
steht im Zeichen der Machtdemonstration des Papsttums im
Gefüge der europäischen Herrschaftsträger.
Diese richtet sich durchaus auch gegen eventuelle
Machtusurpatoren im Kollegium der Kardinäle als
potentieller Nachfolger des Verstorbenen. Für den
Vertreter der Öffentlichkeit, den römische
Bürger Giacinto Gigli, der in seinem Tagebuch
Denkwürdigkeiten des römischen Alltagslebens
aufzeichnet, ist hingegen das Totengedächtnis und die
Würdigung der Verdienste des verstorbenen Papstes
einziger Zweck des Trauerzeremoniells. Die Auswertung der
Quellen ergibt also eine deutliche Differenz zwischen der
ursprünglichen Intention des Zeremoniells und seiner
Rezeption.
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Minou
Schraven: The Rhetoric of Virtue. The Vogue for
Catafalques at Papal and Cardinal's Obsequies in Late
Sixteenth Century Rome
This paper focuses on the formal transitions of the
principal element of papal funeral ceremonies, i.e. the
castrum doloris. Being the visual and liturgical focal
point of the Requiem mass, the castrum consisted of
an ephemeral baldachin structure of monumental dimensions,
loaded with coats of arms, brocades, and candles, where at
the end of mass, the absolution was given to the deceased.
Similar structures featured at obsequies of the aristocracy
across Europe: the profusion of candles gave way to their
name chapelles ardentes. Towards the middle of the
sixteenth century, the chapelles ardentes gradually
evolved into more sophisticated structures, outfitted with
complex iconographical programmes of paintings and
sculpture, celebrating the virtues of the deceased.
Introduced in Rome at the exceptional obsequies of
Charles V, the vogue for these new funeral
apparati initially spread among the obsequies of
foreign rulers and cardinals. The papal funeral ceremonial
was much slower to adopt them, remaining true to the
traditional castrum doloris for decades to come.
Papal families, however, quickly understood the unlimited
possibilities of display of power and piety of the new
funeral apparati, and thus the first papal catafalque
was commissioned in occasion of the festive reburial of Pope
Sixtus V in 1591 in S. Maria Maggiore. Designed by
the favourite papal architect Domenico Fontana, the lower
tier of the tempietto-catafalque was adorned with
twelve monumental statues of virtues, while the second tier
and cupola celebrated the architectonic and urbanistic
achievements of the Sistine pontificate. The festivities and
the funeral apparato thus constituted a sounding
start of a remembrance cult for the soul of the late pope in
his funerary chapel.
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Britta
Kusch-Arnhold: Solcher Tugend gebührte nicht
weniger! Die Exequien Michelangelo Buonarrotis und das
Grabmal des Künstlers
An der Beisetzung Michelangelo Buonarrotis, seinen Exequien
und der Errichtung des Grabmals waren die Familie, die
Accademia del Disegno, insbesondere Giorgio Vasari und
Vincenzo Borghini, und als staatlich sanktionierende Instanz
Herzog Cosimo I. de' Medici beteiligt. Maßgeblich
für die Ausgestaltung der genannten drei Etappen der
Totensorge, die in diesem Beitrag thematisiert werden, waren
die unterschiedlichen mit den Ereignissen verknüpften
Ambitionen der Beteiligten und das jeweils verschiedene
Maß an Verantwortung. Die Kunstakademie hatte
großes Interesse, ihrem »capo, padre e
maestro« die notwendigen Ehren zu erweisen und mit
diesen ihren Anspruch auf seine Nachfolge öffentlich zu
formulieren. Sie veranstaltete folglich ein aufwendiges,
statutengemäßes Leichenbegängnis. Nach der
Beerdigung konzentrierten sich alle Kräfte auf die
Ausrichtung der Exequien, die zum Ausweis der jungen
Künstlervereinigung werden sollten. Michelangelo wurde
dabei als ihr Gründungsvater gefeiert und als
höchstes Vorbild kanonisiert.
Mit dem Verzicht auf eine effigies und der Bindung
der Bild-Biographie Michelangelos an die Herrschenden seiner
Zeit, die auch als eine Huldigung an deren Mäzenatentum
verstanden werden sollte, wurde am Katafalk die Behauptung
eines fürstenähnlichen Status des Künstlers
ausdrücklich vermieden. Zugleich schlug sich das
Streben der Akademiemitglieder nach einem adäquaten
Status – zu erwerben durch künstlerische
Leistungen und tugendhaftes Leben – in der
Ausgestaltung des Programms, z.B. in konzeptionellen
Anleihen an kaiserliche Exequien, in der Stilisierung des
Lebens Michelangelos zum exemplum virtutis oder gar
in der Betonung seiner »fürstlichen«
Tugenden, wie liberalitas und pietas, nieder.
Die Ineinssetzung des künstlerischen Schaffens mit dem
Streben nach Tugendhaftigkeit und nach dem durch Virtus
erlangten Ruhm ist ein von Vasari mehrfach formulierter
Gedanke, wie ein kurzer Seitenblick auf bestimmte
Vorleistung seinerseits zeigt. Abschließend wird knapp
auf das Grabmal eingegangen, wobei besonders in Hinblick auf
den Status des Künstlers nach den verschiedenen
Planungsideen gefragt wird. Am ausgeführten Grabmal
betonen Inschrift und Wappen die familiäre
memoria, zugleich unterdrücken sie den Anteil
der Akademie am Grabmal. Dennoch ist das Programm, das auf
den Exequien beruht, eng mit der Akademie zu
verknüpfen, denn sie ist in Form der drei arti del
disegno anwesend. Diese verweisen durch ihren Habitus
und ihre dem erhöhten Bildnis Michelangelos
untergeordnete Position auf ihr, durch ihn verkörpertes
Ideal.
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Martina
Minning: Zu Begräbniszeremoniell und Grabmal
des Fürsten Alberto III. Pio da Carpi
Der Beitrag befaßt sich mit dem
Begräbniszeremoniell und Grabmal des Fürsten
Alberto III. Pio da Carpi (1475–1531); unter
Berücksichtigung der Themenstellung des Kolloquiums
wird insbesondere der Frage nachgegangen, welche Tugenden
und Begabungen den Verstorbenen in den Augen der Nachwelt
auszeichneten. Dem im Pariser Exil verschiedenen Pio, der
zuvor als Gesandter des französischen Königs an
der Kurie tätig war, wurde auf Wunsch Franz' I.
eine aufwendige Totenfeier nach französischem Brauch
zuteil. Diese Zeremonie unterstrich nicht die individuellen
Tugenden des Verstorbenen, sondern seinen Rang unter den
seigneurs. Im Unterschied zur üblichen Gestaltung
der offiziellen Festlichkeiten wünschte Alberto Pio, im
Franziskanerhabit begraben zu werden, und daß auf
prunkvolle Dekorationen verzichtet würde. Hiermit
verlieh er seiner pietas, die sich schon zu Lebzeiten
in den Schriften gegen Erasmus von Rotterdam manifestiert
hatte und über den Tod hinaus in zahlreichen Stiftungen
weiterwirkte, ein sichtbares Zeichen.
In den Epitaphien seiner Freunde wird Alberto Pio zudem ob
seiner Beschlagenheit in den arma und
litterae gerühmt. Das 1535 von seinen
Familienangehörigen in der Kirche der
Franziskanerobservanten in Paris errichtete bronzene
Grabmal, dessen Liegefigur sich heute im Louvre befindet,
greift diese Zwillingsformel auf, indem es den Verstorbenen
als lesenden Krieger darstellt. Untersucht man den Topos von
arma und litterae als normatives Modell in dem
sozialen und kulturellen Kontext, aus dem Verstorbener und
Auftraggeber des Grabmals stammen, so wird deutlich,
daß Alberto Pio als vorbildlicher Fürst geehrt
werden sollte. Zugleich wird in dem Monument der
Herrschaftsanspruch der Familie über die verlorene
Grafschaft Carpi artikuliert.
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Claudia
Echinger-Maurach: Triumphmotive an Grabmälern
des frühen Cinquecento
Das Thema »Triumphmotive an Grabmälern des
frühen Cinquecento« fragt nach den Vorbildern und
nach den unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten, an
Grabmonumenten der virtù militare eines
Verstorbenen zu gedenken. Militärische Verdienste
konnten seit dem Quattrocento (und dies vor allem in
Oberitalien und im Veneto) auf drei Weisen an einem Grabmal
hervorgehoben werden: Vor und um 1500 vornehmlich durch
kleinformatige trionfi in unterschiedlicher Technik
bzw. durch gemalte Waffengehänge um einen auf seinem
Sarkophag erhobenen General oder gemeißelte
Armilustrien an der Marmorgrablege eines liegend
dargestellten Militärs, d.h. die Triumphmotive werden
dekorativ eingesetzt, nicht figürlich gestaltet.
In der Nachfolge Michelangelos bevorzugte das Cinquecento
dann mindestens lebensgroße Darstellungen.
Pionierwerke aber einer neuen Art, ganz weltliche, der
Antike entlehnte Triumphmotive großfigurig einem
christlichen Grabmal einzufügen, also diesseitiges
Verdienst und Jenseitshoffnung, irdischen Triumph und
Apotheose zu einheitlicher Gestalt zu verbinden, sind
Michelangelos Entwürfe für das Julius-Grabmal,
Leonardos Konzeptionen für das Grabmal Trivulzio und
Raffaels Idee für das Gonzaga-Monument. Michelangelos
figürliche Erfindungen erweisen sich dabei als so
bedeutungsoffen, daß diese möglicherweise nur
scheinbar der militärischen Sphäre angehören
und als Sieger und Unterworfene in einem Triumph auch im
übertragenen Sinne gelten können, wodurch der Weg
für Darstellungen triumphierender Virtutes
unterschiedlichster Bedeutung an Katafalken und
Grabmälern der Neuzeit eröffnet war.
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Joachim
Poeschke: Historizität und Symbolik im
Figurenprogramm der Medici-Kapelle
Im 20. Jahrhundert hat die Diskussion um die
Grabmäler der Medici-Kapelle und deren Interpretation
die Fachwelt zunehmend in zwei Lager gespalten. Wird auf der
einen Seite der Standpunkt vertreten, daß Michelangelo
zeitgeschichtliche Bezüge in seinen Grabmälern
bewußt vermieden habe, bis hin zu dem Punkt, daß
man im Aufbau und im Figurenprogramm der Grabmäler
konsequent ein neoplatonisches Gedankenkonzept verwirklicht
sah, sind in jüngerer Zeit stärker die
historischen Komponenten betont worden, wobei man zum einen
von den Flußgottheiten und deren möglicher
Benennung ausging, zum anderen von den Attributen der beiden
Herzöge. Insbesondere auf letztere wird in dem
vorliegenden Beitrag der Blick gelenkt. Erörtert wird
somit ein ikonographisches Teilproblem, das jedoch insofern
für die Interpretation des gesamten Figurenensembles
der Kapelle von erheblicher Tragweite ist, als sich mit ihm
die Frage verbindet, wieweit die beiden Herzöge, denen
sie Grabmäler an der Ost- und an der Westwand der
Kapelle errichtet wurden, in der Literatur seit der Mitte
des 16. Jahrhunderts korrekt, genauer gesagt der
ursprünglichen Absicht des Bildhauers entsprechend
benannt sind.
Diese Frage berührt unmittelbar das Verhältnis von
Historizität und Symbolik im Figurenprogramm der
Medici-Kapelle im allgemeinen. Zurückgewiesen wird die
These, daß es sich bei dem Kommandostab, den der
barhäuptige Herzog in den Händen hält,
zwingend um den bastone des Generalkapitäns der
florentinischen Truppen, welches Amt 1515 Lorenzo de' Medici
übertragen wurde, handele. Widerlegt wird ferner die in
der Literatur ebenfalls geäußerte Annahme,
daß das Tuch in der linken Hand des Pensieroso
als mappa, d.h. als Insignie römischer
Amtsträger, zu interpretieren sei. Die in jüngster
Zeit erneut vorgeschlagene Umbenennung der beiden
Herzöge, für die im 19. Jahrhundert bereits
Herman Grimm eingetreten war, wird, so das Fazit des
Beitrages, durch die hierfür als Indizien
herangezogenen Attribute nicht bestätigt.
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Jutta
Götzmann: Der Triumph der Medici. Zur
Ikonographie der Grabmäler Leos X. und
Clemens' VII. in Santa Maria sopra Minerva
Im Zentrum der Studie steht die komplexe
Entstehungsgeschichte der Medici-Grabmäler im Chor der
römischen Dominikanerkirche, deren Planungen bereits in
die Anfänge des Pontifikats Clemens' VII.
zurückreichen. Das Quellenmaterial wird dazu einer
eingehenden Analyse unterzogen und durch bisher wenig
beachtete Schriftstücke ergänzt. Wie frühe
Äußerungen des zweiten Medici-Papstes belegen,
war neben der Angemessenheit und Größe der
Monumente die Wahl des Standorts von besonderer Bedeutung.
Die Studie berücksichtigt daher auch die Kriterien, die
zur Änderung der ursprünglichen Vereinbarungen und
schließlich zur Entscheidung, die Grabmäler in
der Chorkapelle von S. Maria sopra Minerva zu
errichten, führten.
Die Analyse der Monumente konzentriert sich auf das
ikonographische Programm, für das weitestgehend Baccio
Bandinelli und Giuliano da Sangallo verantwortlich waren.
Von besonderem Interesse sind diejenigen Bestandteile des
Programms, die sich von den Konventionen der römischen
Sepulkralkunst deutlich unterscheiden. So verwandte
Bandinelli statt dem für Papstgrabmäler
üblichen Zyklus von Tugendallegorien Heiligenstatuen,
die er in ihrer Zahl auf ein Figurenpaar pro Grabmal
reduzierte. Des weiteren verzichtete er auf elementare
Bestandteile des Grabmals, nämlich auf den Sarkophag,
den gisant und die Epitaphien. Es fehlen nicht nur
jegliche programmatische Assoziationen mit dem Tod, sondern
auch Hinweise auf die christliche Erlösung. Daß
diese Neuerungen erst während der Planung entwickelt
wurden, belegen frühe Entwurfszeichnungen des
Künstlers. Bemerkenswert sind vor allem zwei Aspekte:
die Verschiebung von religiösen Inhalten zugunsten
einer stärker historisch-politischen Bildsprache und
die Integration der lebenden päpstlichen Sitzfigur als
thronende Ehrenstatue in die Grabanlage. Die Konzeption der
Papstgrabmäler betont in besonderem Maße die
Familie der Verstorbenen, so daß die Vermutung
naheliegt, die Grabmalssetzung diene nicht nur der
memoria der beiden verstorbenen Päpste und dem
Ausdruck eines ungebrochenen Primatanspruch der Kurie,
sondern ist zugleich auch ein Denkmal der wiedererstarkenden
Medici-Dynastie.
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Regine
Schallert: Et novus ex solido revirescit marmore
Phoenix. Das Grabmonument für Paul IV. in
Santa Maria sopra Minerva
Zu Lebzeiten gefürchtet, nach seinem Tode vom
römischen Volk geschmäht, wurde dem 1559
verstorbenen Papst Paul IV. Carafa (1555–1559)
erst sieben Jahre nach seinem Tod die Ehre eines
monumentalen Grabmals zuteil. Pauls creato
Pius V. Ghislieri (1566–1572) ließ es im
ersten Jahr seines Pontifikats nach dem Entwurf Pirro
Ligorios errichten. Das in der Forschung bislang kaum
beachtete Werk ist vor dem Hintergrund seiner
Entstehungsgeschichte zu betrachten. Es ist Teil der
programmatischen Bestrebungen Pius' V. zur
Rehabilitierung der Carafa-Sippe, deren Ansehen nicht nur
durch die vom römischen Senat 1559 ausgesprochene
Damnatio memoriae, sondern vor allem auch durch den 1560
von Pius IV. gegen die wichtigsten Familienmitglieder
geführten Prozeß großen Schaden genommen
hatte. Mit der Errichtung der Grabstatue war daher auch eine
»Wiederkehr« der 1559 vom römischen Volk
zerstörten Ehrenstatue Pauls IV. intendiert,
weshalb Pius V. das römische Volk auch
verpflichtete, sich an der Errichtung des Papstmonuments zu
beteiligen. Dieser Bedeutung entspricht die zugunsten der
Wirkung der Sitzstatue erfolgte Reduzierung des
ikonographischen Programms auf nur zwei Tugendallegorien,
die als Giebelfiguren zudem in die Peripherie des
architektonischen Gefüges gewandert sind.
Mit »Religio« und »Fides« wurde ein
Tugendallegorie-Paar gewählt, das auf eines der
wichtigsten Themen des Carafa-Pontifikats anspielt, der Sieg
des wahren Glaubens über die Häresie. Dies ist vor
allem vor dem Hintergrund der innerkirchlichen
Reformbestrebungen sowohl Pauls IV. als auch des
Auftraggebers Pius V., wie auch im Kontext der
historischen Ereignisse, Reformation und Abschluß des
Triedentiner Konzils, zu sehen. Mit der Aufstellung des
Grabmals in der dem hl. Thomas von Aquin geweihten
Familienkapelle wird diese Bedeutungsebene zum
Carafa-spezifischen Thema. Das dem Ordensheiligen gewidmete
dominikanische Bildprogramm, welches den Sieg des Glaubens
über die Häresie auch vor dem Hintergrund der
traditionellen Rolle des Dominikanerordens für die
Inquisition thematisiert, findet seine Vollendung im Bildnis
des Papstes, der die Inquisition als Behörde
eingerichtet und mit weitreichender Macht ausgestattet
hatte. Auf ideale Weise verbindet Pius in der
Carafa-Thomas-Kapelle sein Anliegen, das Ansehen
Pauls IV. wieder herzustellen, mit dem Bestreben, die
Kapelle des heiligen Thomas, den er in dieser Zeit offiziell
den Kirchenvätern als »Doctor Angelicus« an
die Seite stellt, zum wichtigsten Andachtsort des
dominikanischen Ordensheiligen in Rom zu machen.
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Martin
Gaier: Falconettos Projekt für einen
monumentalen Grabaltar der Familie Giustinian
Der Giovanni Maria Falconetto zugeschriebene Entwurf
(Florenz, Uffizien, UA 2194A) für einen monumentalen
Grabaltar wurde von der Forschung bislang wenig
überzeugend mit verschiedenen Auftraggeberfamilien in
Venedig und Verona in Verbindung gebracht und zuletzt als
Idealprojekt ohne konkreten Auftrag interpretiert. Mit
diesem Beitrag kann die elaborierte und exakt bemaßte
Zeichnung als ein um 1526 entstandenes Projekt für ein
Doppelgrabmal der Venezianer Girolamo und Marcantonio
Giustinian bestimmt werden, das an der Stirnwand des
Presbyteriums von S. Francesco della Vigna errichtet
werden sollte. Die Untersuchung ist gegliedert in eine
Analyse des Grabmaltypus (I), eine Deutung des
komplexen Bild- und Schriftprogramms (II), die
Zuweisung an die Auftraggeberfamilie und Lokalisierung des
Projekts (III) sowie eine Synthese der vorangehenden
Ergebnisse, die zu einer Erklärung der Besonderheit von
Form und Ort führt (IV).
Der für Venedig ungewöhnlich frühe Typus des
Doppelgrabmals mit demi-gisants ist ebenso wie die
von Vorbildern Jacopo Sansovinos inspirierten Tugenden der
Attika auf die engen römischen Verbindungen der
Giustinian zurückzuführen. Die einflußreiche
Familie, aufgrund einer verso-Beschriftung der
Zeichnung zweifelsfrei als Auftraggeber zu identifizieren,
versuchte in den 20er Jahren in Konkurrenz mit anderen
führenden Familien ihrem Sproß Marcantonio zum
Kardinalshut zu verhelfen. Ein spektakuläres Grabmal
für Vater und Sohn in der angestammten Familienkirche
sollte die Prädestination Marcantonios herausstellen.
Die programmatische Gegenüberstellung von vita
activa und contemplativa sowie die zentrale
appellative Inschrift, die beide zu exempla virtutis
aufgrund ihrer Imitatio Christi macht, erweisen sich
als von der Strömung der Devotio moderna
beeinflußt. Dies macht die konzeptionelle Mitwirkung
des bedeutenden Reformtheologen Francesco Zorzi
wahrscheinlich, zumal dieser als Franziskanerobservant in
S. Francesco della Vigna mit verantwortlich war
für die ungewöhnliche, von befreundeten Reformern
ebenfalls favorisierte Verbindung von Grabmal und
Hauptaltar.
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Thomas
Weigel: Zum Grabaltar des Antonio
Milledonne in San Trovaso, Venedig
Grabaltäre bestehen aus der Kombination von Gruft samt
Deckplatte, Altar und einem gemalten oder skulptural
gestalteten Retabel samt rahmender Ädikula, welche den
Namen oder das Wappen des Auftraggebers tragen kann, sofern
die rechtlichen Voraussetzungen dafür bestanden. In der
Regel ist dem Figurenprogramm des Retabels, dem Sujet des
Gemäldes oder zumindest gewissen Details davon ein mehr
oder weniger deutlicher Hinweis auf den bestehenden Konnex
zu entnehmen. Durch die Verbringung der Altarbilder ins
Museum ist der ursprüngliche Funktions- und
Bedeutungszusammenhang heute oft nicht mehr ohne weiteres zu
erkennen. In der Literatur ist indes unter
Berücksichtigung der Funktion des Privataltares im
Hinblick auf Seelenheil und Selbstdarstellung der Stifter zu
Recht auf Analogien nicht nur formaler Art zwischen dem
Renaissancealtar und dem venezianischen Wandgrab des
15./16. Jahrhunderts hingewiesen worden. Während
die Fama des Verstorbenen am Wandgrab unter anderem durch
die Aufstellung spezifischer Tugendpersonifikationen
wachgehalten wird, haben die Künstler beim Grabbild in
der Regel andere Strategien entwickeln müssen, um die
virtutes des Verstorbenen in symbolisch
verschlüsselter Form ins rechte Licht zu rücken,
zumal wenn dieser im Stifterbild oder Kryptoportrait
dargestellt zu werden wünschte, was
– entgegen einer ungesicherten
Forschungsmeinung – auch in Venedig im fraglichen
Zeitraum häufig belegt ist.
Der Verfasser untersucht am Beispiel der »Pala
Milledonne« Jacopo Tintorettos, die auch heute noch im
ursprünglichen Zusammenhang von Privataltar und Grabmal
des Kommittenten steht, inwieweit das Sujet des Bildes
– die Versuchung des hl. Antonius
eremita – in seiner spezifischen Ausformung vor
dem Hintergrund der von bitteren Rückschlägen
gezeichneten Ämterkarriere und der physischen
Leidensgeschichte seines Auftraggebers auch als Kommentar zu
dessen hohem Berufsethos, als Lob seiner Amtstugenden und
positiven Charaktereigenschaften zu verstehen ist. Dabei
wird auch die Frage danach beantwortet, in welchem
Verhältnis der Grabaltar des Staatssekretärs
Antonio Milledonne zu den zeitgenössischen
Großkanzler-Grabmälern in Venedig steht, hatte
dieser doch mehrfach vergeblich für dieses Amt
kandidiert.
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