Kurzzusammenfassung
Die Dissertation untersucht Formen und Funktionen des
theatralen Elementes Chor in rund 170 neulateinischen
Dramen, die überwiegend zwischen 1500 und 1650
erschienen sind. Sie zeigt, daß der neulateinische
Chor nicht nur eine wichtige Rolle für die
Strukturierung und künstlerische Gestaltung der Dramen
spielt, sondern auch aufgrund seiner besonderen
Vermittlerposition zwischen Dramengeschehen und Zuschauern
einen wichtigen Beitrag zur Sozialisierungs- und
Belehrungsfunktion des neulateinischen Dramas leisten kann.
Zu Beginn der Untersuchung erfolgt eine Einordnung des
Themas in seinen größeren literarhistorischen
Zusammenhang, wobei es vor allem darum geht, die im antiken
Drama liegenden Wurzeln des neulateinischen Chores
aufzuzeigen. Anschließend richtet sich der Blick auf
dramaturgisch-bühnentechnische Aspekte der
Chorverwendung (u.a. Integration des Chores in das
dramatische Spiel, Arten seiner Zusammensetzung), worauf
verschiedene Formen der Rezeptionssteuerung (Kommentare,
Belehrungen, Erzählungen und affektiv- emotionale
Äußerungen) erörtert werden, durch die der
Chor einerseits zur Deutung des Dramas sowie andererseits
zur Affizierung und Beeinflussung der Zuschauer beitragen
kann.
Der Hauptteil der Arbeit konzentriert sich auf die
Darstellung zahlreicher, inhaltlich sehr unterschiedlicher
Chorlieder, die u.a. von menschlichen Lastern,
Erziehungsfragen, Herrscherpflichten, Verheißungen des
Martyriums und göttlichen Strafen handeln und im
Hinblick auf die jeweils propagierten ethischen,
politischen, religiösen und konfessionsspezifischen
Wertvorstellungen untersucht werden. Nach Analysen zum
Einsatz des Chores bei vier ausgewählten Autoren bietet
ein Repertorium abschließend eine Übersicht
über die Zusammensetzung von Chören sowie
über Umfang, Ort, Inhalt und Versmaße von
Chorliedern in 140 neulateinischen Dramen.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Einleitung
-
1. Begründung des Themas und forschungsgeschichtliche Skizze
2. Methodisches Vorgehen
II. Der neulateinische Chor und das antike Drama
-
1. Die neulateinische Dramatik und humanistische
Antikenrezeption
2. Zur Verwendung des Chores im antiken Drama
-
2.1 Begriffsdefinition, Musik, Tanz, Gliederungsfunktionen
und Zusammensetzung der Chöre im griechischen Drama
2.2 Lyrische Chorgesänge und Beteiligung am dramatischen
Spiel
2.3 Der Chor in den Tragödien Senecas
-
3. Dramentheoretische Vorstellungen über den Chor in der
Antike und frühen Neuzeit
4. Zum fakultativen Einsatz des Chores im neulateinischen
Drama
III. Die Funktionen des neulateinischen Chores
-
1. Funktionen der Strukturierung und ästhetischen Variation
-
1.1 Zusammensetzung der Chöre
1.2 Gliederungsfunktionen
1.3 Lyrisches Chorlied und Beteiligung am dramatischen Spiel
1.4 Exkurs: Der Chor als Zwischenspiel
1.5 Musik, Tanz und Metrik
-
2. Funktionen der Moderierung und Belehrung des Zuschauers
-
2.1 Affektivität und Emotionalität des Chores
2.2 Kommentierungen und Bewertungen des Bühnengeschehens
2.3 Belehrungen, Appelle und Warnungen an das Publikum
IV. Themen, Topoi und Argumentationsformen der Chorlieder
-
1. Grundbedingungen und Gefährdungen des menschlichen Lebens
-
1.1 Die Unbeständigkeit des menschlichen Lebens
1.2 Die Universalität des Todes
1.3 Das Elend des Krieges
-
2. Die moralische Defizienz des Menschen
-
2.1 Beschreibungen und Bewertungen verschiedener Laster
2.2 Die Frau zwischen Lob und Schelte
2.3 Zu Ursachen menschlicher Bosheit und Lasterhaftigkeit
-
3. Zur rechten Gestaltung des menschlichen Lebens im
privaten und öffentlichen Bereich
-
3.1 Lob der Tugenden
3.2 Die Frage nach der rechten Erziehung
3.3 Herrscherlob, Herrscherkritik, Herrscherpflichten
3.4 Die Bestimmung des menschlichen Glücks und das Lob des
einfachen Lebens
-
4. Der Mensch in seiner Stellung zu Gott
-
4.1 Gebete zu Gott
4.2 Verheißungen des Martyriums
4.3 Strafen Gottes im Diesseits und Jenseits
4.4 Die Qualen des schlechten Gewissens
-
5. Die konfessionellen bzw. konfessionspolitischen
Auseinandersetzungen
6. Zusammenfassung
V. Zur Verwendung des Chores bei ausgewählten Autoren
-
1. Jacob Schöpper: der Chor als nüchterner Kommentator und
Belehrer
2. Theodor Rhode: der Chor im Kontext eines antikisierenden
Stilideals
3. J. Cornelius Lummenaeus à Marca: der Chor als
Hauptelement des Dramas
4. Nicolaus Vernulaeus: die bunte Varianz der Choreuten
5. Zusammenfassung
VI. Repertorium der Chorlieder
Literaturverzeichnis
Register
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EINLEITUNG (Auszug)
Begründung des Themas und forschungsgeschichtliche
Skizze
-
Der Chor verläßt den engen Kreis der Handlung,
um sich über Vergangenes und Künftiges, über
ferne Zeiten und Völker, über das Menschliche
überhaupt zu verbreiten, um die großen Resultate
des Lebens zu ziehen und die Lehren der Weisheit
auszusprechen. Aber er tut dieses mit der vollen Macht der
Phantasie, mit einer kühnen lyrischen Freiheit, welche
auf den hohen Gipfeln der menschlichen Dinge wie mit
Schritten der Götter einhergeht – und er tut es,
von der ganzen sinnlichen Macht des Rhythmus und der Musik
in Tönen und Bewegungen begleitet.
Mit diesen Worten beschreibt Friedrich Schiller Funktionen
eines Theaterelementes, das im antiken Drama eine zentrale
Bedeutung besaß. Schillers Äußerungen
stammen aus der Vorrede zum Trauerspiel »Die Braut von
Messina« (1803), in dem der deutsche Dramatiker dem
antiken griechischen Theaterchor wieder einen Platz in der
Tragödie einzuräumen sucht. Aus diesem Grund setzt
sich Schiller in der Vorrede intensiv mit dem tragischen
Chor auseinander und erörtert dessen dramaturgische und
moralisierend-kommentierende Aufgaben, der während
seiner Reflexionen und Betrachtungen Ruhe in die Handlung
bringe und dadurch auch dem Zuschauer die Möglichkeit
zum distanzierten Innehalten biete. Bemerkenswert ist
Schillers Auffassung, daß dem Chor insbesondere
aufgrund seiner lyrischen Sprache eine Sonderstellung
zukommt, die den modernen Tragiker befähigt, die
poetische Ausdruckskraft im Drama zu steigern: Nur der
Chor berechtigt den tragischen Dichter zu dieser Erhebung
des Tons, die das Ohr ausfüllt, die den Geist anspannt,
die das ganze Gemüt erweitert.
...
Für die nahezu ungebrochene Attraktivität des
Theaterchores in der Neuzeit lassen sich mehrere Gründe
anführen. Wichtig ist sicherlich zunächst der
Einfluß der antiken Dramatiker, insbesondere Senecas
und der griechischen Tragiker, deren Dramentechnik und
Handhabung des Chores in unterschiedlicher Weise imitiert
wird. Bemerkenswerte Versuche der Wiederbelebung des antiken
Chores sind dabei John Miltons »Samson Agonistes«
(1671) und Jean Racines »Esther« (1689).
Stärker von den antiken Mustern entfernen sich Andreas
Gryphius und Daniel Casper von Lohenstein. In ihren
Stücken erscheinen am Ende der »Abhandlungen«
chorähnliche Partien, die sogenannten
»Reyen«. Parallel zu dem Prozeß der
Rezeption, Imitation und Adaptation des antiken Dramas und
Chores im Theater der Neuzeit kommt der Chor bekanntlich
auch in der um 1600 entstehenden Oper zum Einsatz, die sich
selbst – vermeintlich – am antiken
Drama orientiert und dem Chor entsprechenden Raum gibt. Ein
wichtiger Grund für die Attraktivität des Chores
auf der Theaterbühne sind ferner die bereits für
den antiken Chor charakteristischen Möglichkeiten zur
Kommentierung des Bühnengeschehens und zur akustischen
sowie optischen Belebung der Aufführungen.
Schließlich bietet der Chor auch interessante
Möglichkeiten zur Herausbildung neuer Spielformen.
Beispiele hierfür reichen in der Moderne bis zu
Inszenierungen des deutschsprachigen Theaters in den 90er
Jahren des 20. Jahrhunderts. In diesen Jahren
läßt sich nach Aussagen von
Theaterwissenschaftlern sogar eine »Neubestimmung des
Chorischen« – freilich nicht die des
traditionellen Theaterchores – konstatieren.
...
Methodisches Vorgehen
Detaillierte Kenntnisse über die verschiedenen Formen
und Funktionen des neulateinischen Chores lassen sich nur
durch die Lektüre und Analyse möglichst vieler
Primärtexte gewinnen. Die große Anzahl der
für die Untersuchung in Frage kommenden Stücke
zwingt dabei allerdings zu einer Eingrenzung des
Untersuchungszeitraums. Berücksichtigt werden
überwiegend Dramen, die europaweit etwa zwischen 1500
und 1650 erschienen sind. Die Beschränkung auf diese
Zeitspanne erfolgt nicht nur aus Gründen der
Arbeitsökonomie. Intendiert wird vielmehr auch eine
möglichst gleichmäßige Erfassung der
katholischen wie protestantischen Dramatik, deren gemeinsame
Blütezeit in dem genannten Zeitraum anzusetzen ist. Im
Laufe des 17. Jahrhunderts versiegt auf
protestantischer Seite allmählich die Produktion
neulateinischer Dramen, während sie im Ordensdrama der
Benediktiner und vor allem der Jesuiten noch lange
anhält.
Für die Untersuchung wurden ungefähr
300 Dramen eingesehen. Rund zwei Drittel dieser
Stücke besitzen Chöre, auf die sich die Analysen
dieser Arbeit im wesentlichen richten. Weitgehend
unberücksichtigt bleibt die fast unübersehbare
Anzahl an Jesuitenperiochen. Diese gedruckten Programme, die
in der Regel zweisprachige Szenenparaphrasen enthalten und
hierdurch vor allem dem lateinunkundigen Zuschauer ein
Rahmenverständnis der Stücke ermöglichen
sollten, bieten zwar einen guten Einblick in die generelle
Beliebtheit und häufige Verwendung des Chores auf der
Jesuitenbühne. Die Kürze der Szenenparaphrasen
sowie das weitgehende Fehlen vollständiger Dramen- und
Chortexte lassen aber in der Regel keine sicheren und
befriedigenden Aussagen zur Verwendung der Chöre
innerhalb der Akte und zur Gestaltung der Chorlieder bzw.
der in den Chören dargebotenen Spielszenen zu.
Untersucht werden in dieser Arbeit
dramaturgisch-bühnentechnische,
philologisch-literarische und pädagogisch-soziologische
Aspekte der Chorverwendung. In
dramaturgisch-bühnentechnischer Hinsicht richtet sich
der Blick auf die Zusammensetzung der Chöre, die Anzahl
der Choreuten, ihre Einbindung in das dramatische Spiel
sowie ihre tänzerischen und musikalischen Darbietungen.
Von philologisch-literarischem Interesse sind vor allem
intertextuelle Bezüge neulateinischer Chorpartien zu
antiken Vorbildern. Die neulateinischen Bühnendichter
lassen sich nämlich – abgesehen von
biblischen Texten – in unterschiedlicher Weise
von der antiken Dramatik, insbesondere von Seneca anregen.
Zudem sind zahlreiche Abhängigkeiten von römischen
Dichtern wie Vergil, Horaz, Ovid und Martial erkennbar.
Pädagogisch-soziologische Funktionen der Chöre
treten in den Kommentaren und Bewertungen des
Bühnengeschehens sowie in den Belehrungen, Appellen und
Warnungen an den Zuschauer bzw. Leser hervor. Auf diese
Funktionen wird in der Untersuchung vorrangig
eingegangen.
Zu Beginn der Untersuchung erfolgt eine Einordnung des
Themas in seinen größeren literarhistorischen
Zusammenhang. Dabei geht es vor allem darum, die im antiken
Drama liegenden Wurzeln des neulateinischen Chores
aufzuzeigen. Deshalb wird die chorische Technik der
wichtigsten antiken Dramatiker kurz dargestellt. Darauf
folgt die Skizzierung einiger antiker und
frühneuzeitlicher dramentheoretischer Auffassungen
über die Rolle des Chores, an denen sich die
neulateinischen Dichter zumindest prinzipiell orientieren
konnten. Der anschließende Überblick über
Theaterstücke, die Chöre enthalten, illustriert
den häufigen Einsatz des Chores im neulateinischen
Drama (Kapitel II).
Bei der Erörterung der
dramaturgisch-bühnentechnischen Aspekte des
Chorgebrauchs lassen sich in den meisten Fällen nur
dann Aussagen zur Anzahl und Identität der Choreuten,
zur Existenz eines Chorführers oder zur Verwendung von
Musik und Tanz treffen, wenn die Dramentexte hierüber
Aufschluß geben. In dieser Hinsicht bieten die
Jesuitenperiochen oft bessere Informationen über die
konkreten Aufführungsbedingungen als die Dramendrucke.
Dies gilt in erster Linie für die Rollen- und
Schauspielerverzeichnisse am Ende der Periochen, die neben
der Nennung der jeweiligen Komponisten und der personae
musicae auch sehr wichtige Angaben über die Akteure
und deren Anzahl in den Prolog- und Chorszenen bieten.
Derartige Chorszenen werden in einem Exkurs näher
vorgestellt, weil sie zeigen, daß der Begriff Chor im
neulateinischen Drama nicht nur für eine Gruppe von
Choreuten verwendet wird, sondern auch als ein gleichsam
dramenstruktureller Begriff auf die Darbietung einer
biblischen, mythologischen oder allegorischen Spielszene
hinweisen kann. Im zweiten Hauptteil des Kapitels werden
verschiedene Formen der Rezeptionssteuerung erörtert,
d.h. Kommentare, Bewertungen, Belehrungen und
affektiv-emotionale Äußerungen des Chores, die in
verschiedener Weise einerseits zur Deutung des Dramas sowie
andererseits zur Affizierung und Beeinflussung der Zuschauer
beitragen (Kapitel III).
Chöre im neulateinischen Drama äußern sich
kommentierend, erzählend und belehrend zu Lastern,
Tugenden, Grundbedingungen des Lebens oder Fragen der
Erziehung. Andere Chorlieder enthalten Gebete zum
jüdisch-christlichen Gott, Erörterungen über
das christliche Martyrium oder Warnungen vor den Strafen
Gottes und spiegeln damit die christliche Prägung der
neulateinischen Dramatik wider. Der diesen inhaltlichen
Aussagen der Chorlieder gewidmete Hauptteil der Untersuchung
über die »Themen, Topoi und Argumentationsformen
der Chorlieder« gibt Auskunft über die
gesellschaftlichen Ordnungen und philosophisch-theologischen
Diskussionen der Zeit, die sich im neulateinischen Theater
und seinen Chorliedern spiegeln: Es geht um die
Wertevermittlung im Horizont antiker Ethik oder christlicher
Tugend-, Sünden- und Bußlehren sowie um
theologische Probleme, die zum Teil auch im Kontext
kontroverstheologischer und konfessionspolitischer Debatten
zu sehen sind. In diesem Kapitel wird inhaltlich
erläutert, worin die didaktische Funktion des Theaters
besteht. Dabei erfolgt aus Gründen der Anschaulichkeit
eine teilweise ausführliche Paraphrase und Zitierung
der Lieder; so kann auch ein Eindruck von ihrer
sprachlich-stilistischen Qualität vermittelt werden
(Kapitel IV).
Ein exemplarischer Einblick in die unterschiedliche
chorische Technik neulateinischer Bühnendichter wird
durch Analysen des Chorgebrauchs bei Jacob Schöpper,
Theodor Rhode, J. Cornelius Lummenaeus à Marca
und Nicolaus Vernulaeus ermöglicht, deren Stücke
bis auf wenige Ausnahmen noch nicht in modernen Editionen
vorliegen und in der Literatur bislang ein insgesamt
geringes Interesse gefunden haben. Hier geht es vor allem
darum, die Bedeutung und Stellung der Chöre im Kontext
der jeweiligen Dramen aufzuzeigen und die Verzahnung von
Chor und Handlung darzustellen (Kapitel V).
Das Repertorium am Ende der Arbeit enthält eine
Übersicht über Inhalte, Verszahlen und
Versmaße von Chorliedern aus 140 Dramen, die in
dieser Arbeit vorgestellt werden. Diese Übersicht dient
der Orientierung des Lesers und dokumentiert zugleich die
Vielfalt der eingesehenen neulateinischen Spieltypen, bei
denen es sich um Bibeldramen, Märtyrertragödien,
Historienstücke und allegorische Dramen handelt
(Kapitel VI).
...
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REPERTORIUM DER CHORLIEDER (Beispiel)
Dieses Repertorium bietet eine Übersicht über die
Inhalte von 140 neulateinischen Dramen, über die
Zusammensetzung der Chöre, über Umfang, Ort,
Inhalt und Versmaße der Chorlieder sowie über die
benutzten älteren Drucke bzw. neueren Editionen.
Hinweise zur Zusammensetzung der Chöre erfolgen, soweit
hierzu Angaben in den Spielfigurenverzeichnissen oder
lateinischen Überschriften über den Chorliedern
vorliegen, die in den alten Drucken oder auch neuen
Editionen häufig Informationen über die
Identität der Choreuten und die von ihnen
erörterten Themen bieten. Die Inhaltsangaben enthalten
kurze Beschreibungen, zuweilen auch stichwortartig
formulierte Benennungen des bzw. der zentralen Themen eines
Chorliedes. Kürzere Chorlieder, die innerhalb der Akte
angestimmt werden, werden nicht immer aufgeführt. Die
Sprechpartien der Chöre bleiben unberücksichtigt.
Eine Ausnahme stellen die den Chören vorbehaltenen
Schlußverse am Ende der Stücke sowie längere
Vorträge dar, die in iambischen Trimetern bzw. Senaren,
also gängigen Dramensprechversen, verfaßt sind,
da es sich bei ihnen in den Einzelfällen oftmals nicht
zweifelsfrei bestimmen läßt, ob sie von den
betreffenden Autoren als Chorlieder aufgefaßt werden.
Auftrittsankündigungen von Spielfiguren in den zwei
genannten Versmaßen, die zuweilen am Ende von
Chorliedern erfolgen, werden in der Regel notiert. Die
Verwendung katalektischer Verse wird im Gegensatz zu
akatalektischen Versen eigens vermerkt. Als polymetrisch
werden Chorlieder bezeichnet, die mindestens drei
verschiedene Versmaße aufweisen. Auf die Verzeichnung
metrischer Mängel und vereinzelt auftretender
fehlerhafter Verse muß angesichts der großen
Anzahl der berücksichtigten Verse verzichtet werden.
Aus dem gleichen Grund erfolgen auch keine Erörterungen
hinsichtlich der metrischen und prosodischen Eigenheiten der
einzelnen Dichter.
Unter der Abkürzung Zit. erfolgt am Ende
eines jeden Abschnittes ein Hinweis auf die jeweils
verwendete und zitierte Dramenausgabe.
1. William Alabaster (1568–1640), Roxana
- Inhalt: Tragödie über das grausame Schicksal
der Roxana, die zusammen mit dem König von Bactria
Oromasdes zwei Kinder hat. Die betrogene Königin Atossa
rächt sich für den Ehebruch durch die Ermordung
der Roxana sowie ihrer Kinder und stirbt am Ende mit ihrem
Gatten durch eine gegenseitige Vergiftung.
- Chorzusammensetzung (laut Spielfigurenverzeichnis):
Chorus famularum Reginae.
- Chorlieder: Ende des 1. Aktes, S. 11f.,
V. 295–326 (CHORUS EX TRIBUS): der Chor
berichtet von schreckenden Träumen der Königin
Atossa, vergleicht das aus verschiedenen Erscheinungen
geformte bunte Bild des Traumes mit dem aus
verschiedenartigen Blumen gewonnenen Honigsaft der Bienen
und erzählt von zwei Erscheinungen: um Mitternacht habe
er zwei Schlangen gesehen, die in Atossas Schlafgemach
gekommen seien; mitten am Tag seien ein Wolf und ein
klagender Uhu erschienen (32 Verse; anapästische
Dimeter, kleinere Asklepiadeen und sapphische Elfsilbler);
Ende des 2. Aktes, S. 24f., V. 643–673:
Verurteilung des schädlichen Geredes (31 Verse;
sapphische Elfsilbler, Adoneen und alkäische Strophen);
Ende des 3. Aktes, S. 36f., V. 950–978
(CHORUS EX QUATUOR): Erörterungen über die
Wirkmächtigkeit der sinnlichen Liebe – die Gewalt
des ungebändigten Cupido und die Glut der Venus; als
Beispiele dieser Leidenschaft werden Medea sowie der nachts
durch den Bosporus zu seiner Geliebten schwimmende Leander
angeführt (30 Verse; polymetrisch, darunter
kleinere Asklepiadeen und sapphische Elfsilbler); Ende des
4. Aktes, S. 50f., V. 1304–1335
(CHORUS EX QUATUOR): angesichts der blutigen
Ereignisse rufen die Choreuten Gott an, fragen, warum er
nicht die Verbrechen mit rächender Hand strafe, und
äußern sich nach weiteren Erörterungen am
Ende hinsichtlich ihrer Eigenschaft als (unschuldige)
Dienerinnen der Königin zu den Auswirkungen von Atossas
Schuld und Schicksal auf sie selbst (32 Verse;
anapästische Dimeter); im 5. Akt (Szene V,3),
S. 56, V. 1444–1449 (Chorus canit):
kurzes Lied für Atossa (6 Verse; anapästische
Dimeter).
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