Zum Inhalt:
Die gegenwärtige Beschäftigung mit dem Theater,
ganz gleich auf welche Epoche sie sich richtet, ist bestimmt
von der aktuellen Diskussion über die weit
gefaßten Begriffe von Performanz und Inszenierung,
über die für das Theatermodell der Status eines
neuen kulturellen Paradigmas reklamiert wird. Diese
Ausgangssituation hat eine Erweiterung des Theaterbegriffes
und eine erhöhte Notwendigkeit interdisziplinärer
Zusammenarbeit zur Folge, der das Programm eines Kolloquiums
des Projekts B3 im Sonderforschungsbereich 496 an
der Universität Münster über »Das
Theater des Mittelalters und der frühen Neuzeit als Ort
und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation« zu
entsprechen suchte.
Die Beiträge des interdisziplinär
ausgerichteten Kolloquiumsbandes, die aus mehreren
Philologien und weiteren Disziplinen kommen, formulieren
Problemstellungen, die sich quer durch die verschiedenen
Formen von Dramatik und Theater des Spätmittelalters
und der Frühen Neuzeit ziehen und die Grenzen der
Nationalsprachen überschreiten. Sie behandeln
verschiedene Dramentypen und sind in einem breiten
geographischen Raum transnational angesiedelt. Aus ihrer
jeweiligen Perspektive nehmen sie zu den aktuellen
Diskussionen über Theatralität unmittelbar oder
indirekt Stellung, indem sie die Problematik von Text und
Performanz, vom Zeichengebrauch des Theaters
– etwa mit der Frage nach Präsenz oder
Repräsentanz theatraler Zeichen oder nach symbolischen
Formtypen – untersuchen. Besondere Aufmerksamkeit
gilt der Interdependenz von theatraler Interaktion und
gesellschaftlichem Handeln und ferner der
Kollusion von theatraler Aufführung und
Zuschauern.
Theorie und Praxis des Theaters werden im Blick auf die
Bedingungen der verschiedenen gesellschaftlichen
Institutionen und Situationen vom Hochmittelalter bis zur
Mitte des 17. Jahrhunderts an Beispielen erörtert.
Die symbolischen Aktionen des Theaters im
Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit dienen
überwiegend der Präsentation von evaluativen
Ordnungskonzeptionen und vorbildlichen Handlungsmodellen,
von Wertevorstellungen der an den Theaterveranstaltungen
beteiligten gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der von
ihnen besetzten sozialen Funktionsräume. Auch dieser
Aspekt hat in mehreren Beiträgen des Bandes zentrale
Bedeutung.
Die Autoren und ihre Beiträge:
Christel Meier-Staubach (Münster):
Einführung zur Fragestellung des Projekts und zum Thema des Kolloqiums
Nikolaus Henkel (Hamburg):
Textüberlieferung und Performanz
Überlegungen zum Zeugniswert geistlicher Feiern und Spiele des frühen und hohen Mittelalters
Christoph Petersen (München):
Imaginierte Präsenz
Der Körper Christi und die Theatralität des geistlichen Spiels
Hansjürgen Linke (Köln):
Sozialisation und Vergesellschaftung im mittelalterlichen Drama und Theater
Claudia Spanily (Münster):
Der Mensch im Spannungsfeld guter und böser Kräfte in der »Erfurter Moralität«
Claudia Spanily (Münster):
Die Repräsentanz der Welt in der »Erfurter Moralität«
Wolfram Washof (Münster):
Drama als Gottesdienst
Homiletisch-katechetische Funktionen und liturgische Elemente des protestantischen Bibeldramas der Reformationszeit
Johanna Thali (Freiburg/Schweiz):
Konfession und Politik
Überlegungen zum Verhältnis von Theater und Malerei am Beispiel Luzerns
Bart Ramakers (Groningen):
Allegorisch-emblematische Bildlichkeit im Rederijker-Drama
Die Spiele des Haarlemers Louis Jansz
Jelle Koopmans (Amsterdam):
Les universités contre le roi: Caen 1492 et Toulouse 1507
Cora Dietl (Tübingen):
Repräsentation Gottes – Repräsentation des Kaisers
Die Huldigungsspiele des Konrad Celtis vor dem Hintergrund der geistlichen Spieltradition
Christel Meier-Staubach (Münster):
Die Inszenierung humanistischer Werte im Drama der Frühen Neuzeit
Fidel Rädle (Göttingen):
Theatralische Formen der Wertekontrastierung im lateinischen Drama der Frühen Neuzeit
Bernd Roling (Münster):
Exemplarische Erkenntnis
Erziehung durch Literatur im Werk Philipp Melanchthons
Volker Janning (Münster):
Formen und Funktionen des Chorus symbolicus
Zu sinnbildlichen Darstellungen in den Chören der Jesuitenperiochen
Heinz Meyer (Münster):
Zur Präsentation und Interpretation von Sinnbildern auf der Jesuitenbühne
Barbara Mahlmann-Bauer (Bern):
Leo Armenius oder der Rückzug der Heilsgeschichte von der Bühne des 17. Jahrhunderts
Personenregister
Ortsregister
Näheres zu den Beiträgen (Auswahl):
Nikolaus Henkel
Textüberlieferung und Performanz
Überlegungen zum Zeugniswert geistlicher Feiern und
Spiele des frühen und hohen Mittelalters
Die geistlichen Feiern und Spiele zu den Hochfesten der
mittelalterlichen Kirche sind nur noch im Medium der
Schriftlichkeit erhalten. Hier wird der Versuch gemacht, aus
den Schriftzeugnissen Konturen einer lebendigen,
performativen Gestaltung dieser frühen Formen des
»Dramas« im Raum der Kirche zu gewinnen:
Emotionalität in der Stimmführung, das
Verhältnis von Gestik und Wort, Gesang und Bewegung,
die Semantik der Materialität (Kostüme, Requisiten
etc.) sind die leitenden Aspekte des Beitrags.
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Hansjürgen Linke:
Sozialisation und Vergesellschaftung im mittelalterlichen
Drama und Theater
Die volkssprachigen Spiele entfalten sich in den
Städten. Dort stehen sie im Spannungsfeld zwischen
dogmatischer Weltfeindlichkeit und ökonomischer sowie
sozialer Dynamik. Mit ihnen wird nicht nur religiöses
Glaubens-, sondern auch säkulares Normenwissen
wirkungsvoll verbreitet. Die auf aktive Teilnahme des
Publikums ausgerichtete Verschaulichung von Heilsgeschichte
und Glaubenswahrheiten dient einerseits der geistlichen
Katechese, der religiösen Selbstvergewisserung und der
affektiven kirchlichen Vergemeinschaftung; andererseits aber
zielt sie zugleich auch auf affirmative
stadtbürgerliche Sozialisation. Indem die Darbietungen
sowohl die Realisation der christlichen Soziallehre im
Alltagsverhalten als auch die Gewissenserziehung
überhaupt propagieren, dienen sie weiter der
Stabilisierung der differenziert arbeitsteiligen und daher
im gegenseitigen Vertrauen ihrer Glieder gründenden
stadtbürgerlichen Gesellschaft. Das Erziehungsziel ist
folglich außer dem gläubigen Christen der
gemeinschaftsfähige und sozial handelnde Mensch in
Gestalt des rechtschaffenen und verantwortungsvollen
Mitbürgers.
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Claudia Spanily:
Der Mensch im Spannungsfeld guter und böser Kräfte in der
»Erfurter Moralität«
Am Beispiel der noch unedierten sogenannten
»Erfurter Moralität«, die nicht nur mit ihrem
enormen Umfang von ca. 18.000 Versen, sondern vor allem
auch mit ihrem reichen allegorischen Tugend- und
Lasterpersonal (72 Spielfiguren) in der deutschen
Theaterlandschaft des Spätmittelalters einzigartig ist,
wird die Frage untersucht, welche Funktionen allegorische
Spielfiguren im Hinblick auf die Darstellung und
Propagierung moralisch-philosophischer Prinzipien,
gesellschaftlicher Werte und Ordnungsbegriffe erfüllen
können. Mit Hilfe einer Analyse von Auftritten, Reden
und Handlungen dieser Personifikationen sowie ihren
Beziehungen untereinander und zu anderen Spielfiguren werden
die das Spiel leitenden Wertvorstellungen herausgearbeitet
und mit einigen wichtigen Tugenden und Laster abhandelnden
lehrhaften Schriften des Spätmittelalters verglichen.
Der vorsichtige Versuch, das Spiel als eine die Anliegen und
Belange einer spätmittelalterlichen Stadt
widerspiegelnde Veranstaltung in den stadtgeschichtlichen
Rahmen Erfurts einzuordnen, schließt die Untersuchung
ab.
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Claudia Spanily:
Die Repräsentanz der Welt in der »Erfurter
Moralität«
Die zweite Studie zu der von der Forschung bisher nahezu
nicht zur Kenntnis genommenen »Erfurter
Moralität« beschäftigt sich mit der
Darstellung und Deutung von Welt. Untersucht werden
dabei neben den Auftritten der aus Literatur und bildender
Kunst bekannten Gestalt Frau Welt (mit verlockender Front
und abstoßender Rückseite) weitere Formen der
Präsentation von Welt, die das Spiel bietet: der
als »Ring der Welt« bezeichnete Schauplatz des
Spielgeschehens, die mit »gemeine« oder
»verirrte Welt« umschriebene Adressatin der
heilspädagogischen Intention des Spiels und die als
alter ego der Frau Welt agierende »arme
Welt«, die sich zur Wortführerin der vor Gott
klagenden Schöpfung macht. An den verschiedenen
Darstellungsformen von Welt läßt sich
besonders gut zeigen, wie der unbekannte Autor Symbole und
symbolhaftes Handeln mit annähernd realistischer
Abbildung von Lebenswelt kombiniert und so – die
imaginative Kraft des Theatermediums in jeder Hinsicht
ausschöpfend – seine Botschaft ausgesprochen
wirkungsvoll vermittelt.
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Wolfram Washof:
Drama als Gottesdienst –
Homiletisch-katechetische Funktionen und liturgische Elemente des
protestantischen Bibeldramas der Reformationszeit
Das protestantische Bibeldrama der Reformationszeit ist
im Zusammenhang der programmatischen Aussagen der
Bekenntnisschriften zu Predigt und Gottesdienst zu sehen:
Homiletisch-katechetische Funktionen, die in der Regel auch
den Dramen katholischer Verfasser nicht fehlen, erfahren
durch das besondere Gottesdienstverständnis der
Reformation eine erhebliche Aufwertung. Aufführungen
protestantischer Dramen können daher – wie es der
Antistes der Zürcher Kirche Rudolf Gwalther
expressis verbis sagt – als Gottesdienst im
eigentlichen Sinn bezeichnet werden, da sie der
Verkündigung des Wortes Gottes dienen. Treten über
die Predigt hinaus weitere liturgische Elemente hinzu
– wie Bitt-, Dank-, Lob- oder Klagegebete, liturgische
Formeln und vor allem Psalmen- oder Kirchenliedgesang, bei
dem das Theaterpublikum sogar aktiv mitwirkt –,
verstärkt dies noch einmal den ausgesprochen
gottesdienstlichen Charakter des protestantischen
Bibeldramas.
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Johanna Thali:
Konfession und Politik
Überlegungen zum Verhältnis von Theater und Malerei am Beispiel Luzerns
Im Mittelpunkt des Interesses steht die
grundsätzliche Frage nach den Beziehungen zwischen
Drama und Bildkunst. Die methodischen Implikationen dieser
Frage werden anhand von Ausmalungen in Luzerner
Patrizierhäusern des 16. Jahrhunderts und den
zeitgenössischen Spielen diskutiert. Dabei erweisen
sich die Beziehungen als weniger eng, als dies die Forschung
postuliert; Text und Bild folgen weitgehend eigenen
Traditionen. Vor dem Hintergrund der städtischen
Politik aber zeigt sich doch die enge
Zusammengehörigkeit von Theater und Malerei. Beide
Medien werden von der städtischen Führungsschicht
gezielt für ihre politischen Interessen eingesetzt.
Gerade das geistliche Spiel dient der Propagierung der
aktuellen Ratspolitik, es ist Mittel im Kampf gegen den
neuen Glauben und unterstützt die obrigkeitlichen
Bemühungen um Disziplinierung des gesellschaftlichen
Lebens. Die Malereien lassen sich in diesem Kontext als
persönliches Bekenntnis ihrer Auftraggeber zur
Ratspolitik verstehen.
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Bart Ramakers (Groningen):
Allegorisch-emblematische Bildlichkeit im Rederijker-Drama
Die Spiele des Haarlemers Louis Jansz
Ist es möglich, die Literatur der Rederijker
humanistisch oder renaissancehaft zu nennen, wenn von einer
formalen oder thematischen Nachfolge der antiken Autoren
nicht die Rede sein kann? Die Frage ist zu bejahen, wenn man
nicht die Imitation im strikten Sinne als Kriterium
voraussetzt, sondern nach neuen Bedingungen der Produktion,
Funktion und Erfahrung von Literatur fragt. Dies wird anhand
von fünf Sinnspielen des Haarlemers Louris Jansz
aufgezeigt, der in der zweiten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts die Funktion eines Dichtmeisters in der
Haarlemer Rederijker-Kammer »Die Weinreben«
innehat. Der Einfluß des Humanismus bleibt bei ihm
unter der Maske einer traditionellen,
allegorisch-emblematischen Dramaturgie verborgen. Diese
setzt er aber gleichzeitig ein, um seinem Publikum seine
moderne, humanistisch inspirierte Sichtweise zu vermitteln.
Louris Jansz zeigt so, wie vital und flexibel das
ursprünglich mittelalterliche Sinnspiel am Ende
des sechzehnten Jahrhunderts noch ist.
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Cora Dietl:
Repräsentation Gottes – Repräsentation
des Kaisers – Die Huldigungsspiele des Konrad Celtis
vor dem Hintergrund der geistlichen Spieltradition
Wie aus dem Wortlaut des »Te deum« und dessen
Einbindung in Krönungszeremonien und Entrées
Royales hervorgeht, stehen im Mittelalter weltliche und
geistliche Huldigungsriten miteinander in Berührung.
Der Frühhumanist Konrad Celtis nutzt in seinen
Huldigungsspielen »Ludus Dianae« und
»Rhapsodia« diese Nähe zwischen weltlichem
und geistlichem Ritus. Besonders gut gelingt dies bei dem
Huldigungsspiel, das in Abwesenheit des Herrschers
aufgeführt wird, diesen also (wie Gott im geistlichen
Spiel) durch eine Rolle repräsentiert. Celtis entlehnt
aus den Huldigungen der Engel an Gott in
spätmittelalterlichen Schöpfungsspielen
Interpretamenta für den Herrscher: Maximilian erscheint
als ein Abglanz Gottes, als in der Mitte der Sphären
thronender Weltenherrscher, der wie der christliche Gott
auch in mythologischen Bildern beschrieben werden kann. So
wie die Engel ihren Schöpfer preisen, so loben in der
»Rhapsodia« die Musen und ihre Darsteller ihren
»Schöpfer«, den Gründer des Wiener
Dichterkollegs.
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Christel Meier-Staubach:
Die Inszenierung humanistischer Werte im Drama der Frühen Neuzeit
An einer Gruppe
humanistischer Dramen der frühen Phase wird gezeigt, in
welcher Weise humanistische Werte (Sprache/Latinitas,
Eleganz der Rede, moralisches Verhalten und richtige
Lebenswahl, Präferenzen von Lehrrichtungen und
Studienfächern, Vorrangstellung der Poesie, politische
Ethik) in jeweils charakteristischen Szenentypen inszeniert
und dem Zuschauer vermittelt werden (in Lateinprüfung,
Einstufung für das Studium beim Lehrer, Disputation,
studentischen Initiationsriten u.a.).
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Fidel Rädle:
Theatralische Formen der Wertekontrastierung im lateinischen
Drama der Frühen Neuzeit
Im ersten Teil behandelt Kapitel I.1 (»Das
wiederentdeckte Latein auf dem Theater«) die Funktion
der lateinischen Sprache als Medium und zugleich Gegenstand
der humanistischen Wertepropaganda. In Kapitel I.2
(»Der christliche Wertekonsens und die neue
Errungenschaft des Humanismus«) wird das hierarchische
Verhältnis von christlicher Weltanschauung und
humanistischer Bildung beschrieben, das Kapitel I.3
(»Christlicher Dualismus und das Prinzip der
Antithese«) zeigt, wie sich Wertekonflikte durch das
formale Mittel der antithetischen Strukturierung, die dem
christlichen Denken prinzipiell gemäß ist, auf
der Bühne darstellen lassen. Im zweiten Teil
(»Dramatische Fälle«) werden an einzelnen
Beispielen abgestufte Möglichkeiten solcher
Kontrastierung vorgeführt, von der offenen und direkten
Didaxe im Bereich der pädagogischen Unterweisung
über die grob propagandistische Konfessionspolemik bis
zur subtilen Etablierung einer politisch revolutionären
Weltanschauung.
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Bernd Roling (Münster):
Exemplarische Erkenntnis
Erziehung durch Literatur im Werk Philipp Melanchthons
Auch wenn Melanchthon keine Pädagogik der
klassischen Sprachen ausformuliert hat, läßt sich
aus seinen Werken eine Philosophie der Erziehung
rekonstruieren, die vor allem in der Erschließung der
griechischen und lateinischen Literatur zur Anwendung
gelangt. Psychologie, Rhetorik und Dialektik helfen
Melanchthon nicht allein, eine theoretische Rechtfertigung
der Auseinandersetzung mit der Antike zu entwickeln, die
weder den Primat des Glaubens noch den Vorrang der Heiligen
Schrift in Frage stellt, sondern auch Vorgaben für die
praktische Vermittlung der Antike zu erschließen.
Notitiae naturales, im Geist des Menschen
begründete und im Naturgesetz verankerte Ideen, liefern
der Tugenddidaxe eine objektive Grundlage. Sie kann vom
Lehrer in der Textarbeit herangezogen werden, um unter
Zuhilfenahme der loci communes Paradigmen der Tugend
zu erarbeiten und dem Evangelium auf diese Weise
entgegenzuarbeiten. Melanchthons Kommentierungen der
griechischen Epik, der Chorlyrik und der lateinischen
Dichtung bestätigen dieses basale Modell. Mithilfe der
loci communes reduziert Melanchthon die antike
Literatur auf Tugendexempel, die den eingeborenen Begriffen
des Naturgesetzes zur Geltung verhelfen und in der
imitatio moralisches Handeln ermöglichen. Als
imagines vivae sind es für Melanchthon und seine
Schüler in Wittenberg vor allem die Gestalten der
griechischen Tragödie und der lateinischen
Komödie, die der Tugenddidaxe und der Vermittlung
elementarer Begriffe dienen können.
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Volker Janning:
Formen und Funktionen des Chorus symbolicus
Der Beitrag untersucht ein Phänomen, das vor allem
für das spätere Jesuitendrama charakteristisch
ist. Hier wird das Theaterelement Chor oftmals zum Ort und
Medium sinnbildlicher Darstellungsformen, die sowohl in der
Präsentation symbolischer Gegenstände, Bilder und
Kostüme als auch im Auftritt allegorischer, biblischer
und mythologischer Figuren bestehen können. Ihre
Funktion liegt zum einen in der Erläuterung,
Kommentierung oder Spiegelung des Bühnengeschehens und
zum anderen im Unterhaltungswert szenischer Aktionen, die in
ihrer prächtigen Gestaltung häufig zu den
theatralen Höhepunkten der Aufführungen
gehören. Die Untersuchung zeigt, daß sich
derartige Formen und Präsentationen sinnbildlicher Art
auch vielfach in Chören jesuitischer Theaterstücke
erkennen lassen, die nur als Periochen erhalten sind, und
dort besonders eindrucksvoll von denjenigen Chorszenen
bezeugt werden, für die vollständige Texte
vorliegen.
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Heinz Meyer:
Zur Präsentation und Deutung von Sinnbildern auf der
Jesuitenbühne
Die Untersuchung behandelt im ersten Teil an Beispielen
aus den Periochen die Möglichkeiten und Probleme
sinnbildlicher Darstellung, und zwar zunächst für
jene symbola, die als Dinge und Handlungselemente in
das Spielgeschehen integriert sind. Davon zu unterscheiden
ist die Präsentation von Sinnbildern bei unterbrochener
Dramenhandlung, d.h. in Zwischenspielen und symbolischen
Chorszenen. Solche Sonderszenen, von denen die Hauptaktionen
des jeweiligen Spiels illustriert und kommentiert werden,
stehen hier im Zentrum der Überlegungen. In einem
weiteren Abschnitt wird dann die Präsentation von
Sinnbildern am Fallbeispiel der symbola für die
Vergänglichkeit in einem einheitlichen Corpus von
Spielen (Franciscus-Borgia-Dramen) erörtert. Die
Untersuchung schließt mit Hinweisen zum Gebrauch von
Sinnbildern nach der Dramentheorie und in der Theaterpraxis
des späten Jesuitenautors und Sammlers von Periochen
und Dramentexten Franciscus Lang.
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