Joachim Poeschke, Britta Kusch, Thomas Weigel (Hgg.)

Praemium Virtutis

Grabmonumente und Begräbniszeremoniell
im Zeichen des Humanismus

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 2

2002, 334 Seiten, 14 Beiträge, 129 Abbildungen, Harteinband
2002, 334 pages, 14 essays, 129 figures, hardcover

ISBN 978-3-930454-35-8
Preis/price EUR 51,–

17 × 24cm (B×H), 950g

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Zum Inhalt:

Von der Ehre als dem Lohn der Tugend spricht Aristoteles im dritten Kapitel des vierten Buches der »Nikomachischen Ethik« (IV, 3, 7). Im Kommentar des Thomas von Aquin zum lateinischen Text der Schrift liest man dazu »Nam honor est praemium virtutis« (»In decem libros Ethicorum ...«, Lib. IV, l. viii, n. 748 [510]). In dieser und ähnlicher Formulierung fand die Sentenz nicht nur in die »Summa Theologiae« des Aquinaten Eingang (2. 2, q.103, a.1; q.129, a.4), sondern zeitigte auch weit darüber hinaus ein vielfaches Echo, so bei Dante (»De Monarchia«, II, iii, 3), Matteo Palmieri (»Della vita civile«, Buch IV, 200) und Cesare Ripa, der sich unter dem Stichwort »Honore« in der 1603 erschienenen dritten Auflage der »Iconologia« ausdrücklich auf Thomas berief und dessen Buch das Bild der »Virtù« auf dem Einband dieses Sammelbandes entstammt.

Die einer Person aufgrund ihrer virtus bezeigte Ehrung nicht nur auf deren Lebenszeit beschränkt sein zu lassen, sondern ihr Dauer zu verleihen, war die vorrangige Aufgabe literarischer und bildlicher Denkmäler und nicht zuletzt der Grabmäler, die im Zeichen des Humanismus mehr und mehr zu Persönlichkeits- und Ruhmesmälern gerieten. Als solche entfalteten sie in dem hier ins Auge gefaßten Zeitraum ein breites Spektrum von Bildsymbolen, in denen – begleitet von entsprechenden Inschriften – sowohl allgemeinen als auch individuellen Wertevorstellungen der Epoche in vielfältigsten Varianten und Nuancen Ausdruck verliehen wurde.

Ehrungen dieser Art waren zuallererst ein Anliegen der Familie und der Familiaren des Verstorbenen, die sich dabei nicht selten über den ausdrücklichen Wunsch des Testators hinwegsetzten. Zum Ziel beißender Kritik machte dieses Eigeninteresse der Hinterbliebenen der junge Lorenzo Valla in seiner Streitschrift »De voluptate« (1431), in der er auseinandersetzt, daß Totenehrungen aller Art nur den Nachlebenden Freude und Nutzen bereiten könnten (De voluptate II, ix, 2). In der sozialen Wirklichkeit der Renaissance zweifellos stärker verwurzelt war der gemäßigtere Standpunkt, den Leon Battista Alberti in dieser Frage einnahm. Auf Grabmäler kommt Alberti im achten Buch seines Architekturtraktates zu sprechen (De re aedificatoria VIII, 1–4). Als hauptsächlicher Grund für die Errichtung von Grabmälern wird die Erinnerung an die Verstorbenen bzw. ihrer Tugenden genannt. Um dies näher zu erläutern, verweist Alberti auf das Beispiel der »maiores«. Deren unterschiedliche Gebräuche werden gegeneinander abgewogen und damit dem Leser zugleich erstmals so etwas wie ein historischer Abriß der antiken Bestattungsriten und Grabmalsformen geboten, woran rund 80 Jahre später Lilio Giraldi mit seiner Schrift »De sepulchris et vario sepeliendi ritu liber singularis« anknüpfen sollte.

Wie bekannt, gewann mit Beginn des 14. Jahrhunderts das von Alberti als spezifisches Merkmal römisch-antiker Grabmäler beurteilte Sujet der »res gestae« erneut an Bedeutung in der Grabmalplastik, und zwar zunächst ausschließlich in Italien. Panofsky hat dies als »readmission of the biographical element« bezeichnet und darin eine von insgesamt fünf Neuerungen gesehen, die für die Ikonographie des Renaissancegrabmals und für das in ihr sich bekundende neue Verhältnis zum Tod und zum irdischen Ruhm in besonderem Maße charakteristisch seien. Weitaus häufiger als biographische Reliefs waren an Grabmälern die zumeist durch weibliche Gestalten personifizierten Tugenden vertreten, die Panofsky als »character witnesses« bezeichnet hat. Zumeist repräsentierten die Tugendkollektive an Grabmälern vor allem ein gesellschaftliches Ideal, das in erster Linie dem Stand der Verstorbenen Rechnung trug. Zu den in der Frührenaissance vorgenommenen Modifikationen des trecentesken Grundschemas gehörte, daß die Tugenden statt als Sarkophagträgerinnen nun überwiegend an den Rahmenpilastern des Grabmals oder am Sarkophag Aufstellung fanden.

Ein grundsätzlicher Bruch mit dem Reihenschema erfolgte erst in Michelangelos Entwürfen für das Juliusgrabmal. Zu den wesentlichen Neuerungen gehörte, daß man den biographischen Sujets und den Tugendallegorien zusätzliche Bildsymbole oder Tugendexempla an die Seite stellte, die auch auf das Ideal der Einheit von Vita activa und Vita contemplativa, von Arma et litterae anspielen mochten. Neu war auch die Aktivierung der Grabfigur, in deren Haltung und Gestik ebenfalls auf die virtus des Verstorbenen verwiesen sein konnte.

Schon den Ausführungen Albertis läßt sich entnehmen, daß der intendierte Symbolgehalt von Grabmälern ebenso wie deren ästhetische Wirkung außer von den formalen Qualitäten und den figürlich-bildlichen Bestandteilen auch vom Aufstellungsort und dem demonstrierten äußerlichen Aufwand abhängig war. Mit einer symbolischen Aussage ist auf allen diesen Ebenen zu rechnen.

Eben dies verdeutlichen an konkreten Beispielen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Beiträge des Bandes. Erwachsen ist der Sammelband aus einer Tagung, die vom 15. bis 16. Februar 2002 im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster stattfand. Veranstalter war das kunstgeschichtliche Teilprojekt »Virtus in der Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance« des Sonderforschungsbereichs 496 »Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution«.


Die Autoren und ihre Beiträge:

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Nicolas Bock:
Kanon und Variation–
Virtus an Grabmälern in Neapel und Rom

Damian Dombrowski:
»Cernite«–
Vision und Person am Grabmal Roberts des Weisen in S. Chiara zu Neapel

Birgit Laschke:
Arma et litterae–
Tugendkonzeptionen an neapolitanischen Dichtergrabmälern

Michael Kuhlemann:
Tugendhafte Herrschaft zwischen Renaissance-Ideal und Ritterstolz:
Giovanni da Nolas Grabmal des spanischen Vizekönigs Don Pedro de Toledo

Britta Kusch:
Tugend und convenientia–
Die Begräbnisse und Grabmäler der Florentiner Kanzler

Johannes Myssok:
Bartolomeo Ammannati:
Das Boncompagni-Grabmal im Camposanto zu Pisa

Thomas Weigel:
Begräbniszeremoniell und Grabmäler venezianischer Großkanzler des 16. Jahrhunderts

Michael Cole:
Cellinis Grabmal–
Poetik und Publikum

Francesco Vossilla:
La Tomba di Baccio Bandinelli alla Santissima Annunziata di Firenze

Thomas Pöpper:
Virtus-Personifikationen an römischen Kardinalsgrabmälern des Quattrocento–
Die Monumente für Antonio Martinez de Chiavez, Astorgio Agnensi und Philippe de Levis

Johannes Röll:
Das Grabmonument Papst Pius' III.

Claudia Echinger-Maurach:
Zwischen Quattrocento und Barock: Michelangelos Entwurf für das Juliusgrabmal in New York

Jutta Götzmann:
Sepulchra – divitiarum testimonia, non mortis honestamenta.
Zum Grabmal Papst Hadrians VI.

Cristina Ruggero:
Decorum, Varietas, Magnificentia–
Römische Kardinalsgrabmäler des Barock


Näheres zu den Beiträgen:

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Damian Dombrowski:
»Cernite«–
Vision und Person am Grabmal Roberts des Weisen in S. Chiara zu Neapel

Die Inschrift am Grabmal Roberts von Anjou ist Ausgangspunkt für eine Deutung, die persönliche virtus, porträthafte Vergegenwärtigung und jenseitige Schau miteinander in Beziehung setzt. Während der Betrachter aufgefordert wird, auf den tugenderfüllten König zu schauen, ist dieser bereits der Anschauung Gottes teilhaftig.

Eine solche Darstellung kann als monumentale Bekräftigung der Position Roberts in einer dogmatischen Auseinandersetzung um den Status der Seligen nach ihrem Tod und vor dem Jüngsten Tag verstanden werden. Einen indirekten Beweis für diese Sinngebung liefert ein – bislang unerkanntes – Porträt des Königs in Simone Martinis »Tod des hl. Martin« zu Assisi. Verweist am Robert-Grabmal schon die dialektische Kontinuität von Verhüllen und Enthüllen auf die platonisierenden Auffassungen Petrarcas, so gilt dies erst recht für die spezifische Auffassung von virtus, die sich laut Inschrift in der Person Roberts hypostasiert; sie stimmt nahezu wörtlich mit Petrarcas moralphilosophischer Würdigung des Königs überein. Auch hatte der Dichter, der mit Robert eng verbunden war, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen virtus und visio beatifica hergestellt. Die von der Inschrift geforderte Erkenntnisleistung (»cernite«) findet ihr Korrelat in der voraussetzungslosen Porträtähnlichkeit der Grabstatue: Die wahre Substanz der Person Roberts besteht in ihrer unverwechselbaren Individualität, die Petrarca zufolge dem Menschen seine unvergleichliche Würde verleiht. Seine Beteiligung am ikonographischen Programm des Grabmals, die schon von Panofsky erwogen wurde, dürfte kaum zu bestreiten sein.

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Birgit Laschke:
Arma et litterae –
Tugendkonzeptionen an neapolitanischen Dichtergrabmälern

Während zahlreiche italienische Künstler des 16. Jahrhunderts in mehr oder minder aufwendig gestalteten Grabmälern bestattet sind, gibt es auffallend wenige vergleichbare Monumente für Dichter. Diesem bisher kaum untersuchten Phänomen kann im Kontext dieses Kolloquiumsbandes nur an zwei ausgewählten Beispielen aus Neapel nachgegangen werden, dem Grabmal des 1530 verstorbenen Dichters Jacopo Sannazaro in Santa Maria del Parto und dem knapp vierzig Jahre später errichteten Grab für Bernardino Rota in San Domenico Maggiore. Neben dem Versuch den spezifischen sozialgeschichtlichen und kulturellen Kontext als Voraussetzung für diese Monumente herzustellen, werden die im jeweiligen Bildprogramm zur Darstellung gebrachten individuellen Leistungen Sannazaros und Rotas untersucht, ihre virtus also.

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Michael Kuhlemann:
Tugendhafte Herrschaft zwischen Renaissance-Ideal und Ritterstolz–
Giovanni da Nolas Grabmal des spanischen Vizekönigs Don Pedro de Toledo

Die Fragen nach Aufstellung, Datierung, Händescheidung und Intention des Grabmals sind in der Forschung überaus kontrovers diskutiert und bislang weder im Zusammenhang mit dem neapolitanischen Herrschaftsanspruch noch mit den umfangreichen Stiftungs- und Neubaumaßnahmen des Vizekönigs rund um das alte Herrschaftsareal gesehen worden. Das richtungsbezogene Knien der beiden Grabfiguren, das vom Chor ausgehend über das Langhaus von S. Giacomo beziehungsreich auf den Hafen zielt und damit der asymmetrischen Eingangssituation von S. Giacomo Rechnung trägt, macht u.a. deutlich, daß Grabmal und Kirchenneubau (1540–1547) ein und demselben Konzept verpflichtet sind. Dafür spricht auch die testamentarische Verfügung des Vizekönigs von 1542, wonach jährlich sieben Messen für sein Seelheil in S. Giacomo gefeiert werden sollten.

Neben den vereinbarten Totengedenkfeiern stellt die Grabfigur Don Pedros demnach eine zusätzliche bildliche Memoria dar, bei der der geharnischte Feldherr in erhöhter Aufstellung hinter dem Hochaltar zur ritterlichen Leitfigur für all die anderen Glaubenskämpfer wird, die in den Seitenkapellen ihre Treue im Kampf gegen die Türken und damit den Kriegsdienst unter der Führung des Vizekönigs bezeugen. Obwohl Don Pedro nur als Repräsentant der habsburgischen Krone fungierte, wird er am Grabmal mit den antiken Tugenden und den Herrschaftszeichen der anjouinischen Könige ausgewiesen, so daß er in Kontinuität zu Neapler Herrschaftsdarstellungen als berechtigter Nachfolger der vorangegangenen Dynastien erscheinen mußte. In diesem Zusammenhang können die unterschiedlichen Stilhöhen, die bislang mit einer umfangreichen Gehilfentätigkeit erklärt wurden, mit konkreten Vorbildern in Verbindung gebracht und als beabsichtigte Verweise im Sinne der Legitimationsstrategie gedeutet werden.

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Britta Kusch:
Tugend und convenientia –
Die Begräbnisse und Grabmäler der Florentiner Kanzler

Eines der prominentesten Grabdenkmäler der Florentiner Frührenaissance ist das im nördlichen Seitenschiff von S. Croce zu Florenz befindliche Grabmal für den 1444 gestorbenen Kanzler der Florentiner Republik Leonardo Bruni. In der Forschung blieb die Frage ungelöst, wie sich sein aufwendiges Begräbnis und Grabmonument mit den persönlichen Vorstellungen Brunis, die uns durch sein Testament und seinen kritischen Brief über das Grabmal Bartolomeo Aragazzis überliefert sind, in Übereinstimmung bringen lassen. Der Tenor beider Dokumente ist gleich. Prächtige Grabmäler werden abgelehnt, weil sie einen unnötigen Aufwand für die Erinnerung der im Leben vollbrachten Leistungen darstellen, und generell sei wohl ein einfaches Grab mit dem Namen des Verstorbenen ausreichend. In dieser explizit bescheidenen Haltung wußte Bruni sich in Übereinstimmung mit der von vielen Humanisten geäußerten Skepsis gegenüber allem (sepulkralen) Pomp.

In Brunis Testament und in dem erwähnten Brief ist neben der Bescheidenheit die Angemessenheit (convenientia) von Begräbniszeremoniell und Grab eine entscheidende Kategorie für deren Gestaltung und Beurteilung. Mit ihr sind die sozialen Gewohnheiten der Totensorge und die intellektuellen Idealvorstellungen gleichermaßen aufgerufen. In diesem Beitrag soll es vor allem um erstgenannte gehen und gefragt werden, welches Begräbnis und welche Art von Grabmal einem Kanzler der Florentiner Republik angemessen war, wie sich also Vorsorge, Wahl des Grabplatzes, Leichenbegängnis und Grabgestaltung dieser Staatsmänner, die zur sozial hochrangigen Gruppe der Doktoren gehörten, gewöhnlich vollzogen und welche Alternativen daneben zur Verfügung standen. Es soll versucht werden, anhand einer – so bisher nicht vorliegenden – historischen Übersicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Begräbnissen und Grabmälern der Florentiner Kanzler aufzuzeigen, und abschließend die Grabsorge und das Monument Brunis unter dem Gesichtspunkt der convenientia zu betrachten.

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Johannes Myssok:
Bartolomeo Ammannati:
Das Boncompagni-Grabmal im Camposanto zu Pisa

Bartolomeo Ammannatis 1574 entstandenes Monument für Giovanni Boncompagni im Camposanto zu Pisa ist als vermeintlich letztes bildhauerisches Werk des von religiösen Gewissensbissen geplagten Künstlers zumeist verdammt oder bestenfalls als Ausdruck einer übersteigerten Religiosität gesehen worden.

Der Beitrag versucht eine Rehabilitation von Ammannatis Spätwerk, wofür zum einen der formalen Genese des Monuments nachgegangen wird, zum anderen die Umstände aufgedeckt werden, die zur Entstehung des Monuments führten. Dabei erweist sich der Kenotaph Boncompagni als ein bedeutendes Monument Papst' Gregors XIII. – dem Cousin des Verstorbenen und Auftraggeber – an dem sich exemplarisch die kirchenpolitische Programmatik des Pontifikats äußert. Neben der zentral angeordneten Christusfigur sind die beiden flankierenden Allegorien hierfür von besonderem Interesse. Mit Blick auf das Gesamtthema des Kongresses wird nach deren Bedeutung, sowie allgemein nach der Stellung von Tugendpersonifikationen in der Kunst der Gegenreformation gefragt. Neben Ammannatis eigenen programmatischen Aussagen werden hierfür vor allem Gabriele Paleottis Überlegungen zur Bildverehrung einbezogen, die eine abweichende Position vertreten.

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Thomas Weigel:
Begräbniszeremoniell und Grabmäler der venezianischen Großkanzler des 16. Jahrhunderts

Während die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Grabmäler der Dogen von Venedig, insbesondere auch diejenigen des 16. Jahrhunderts, als gut erforscht gelten können, liegen über diejenigen der venezianischen Großkanzler des Cinquecento nur spärliche Nachrichten vor, die zudem nur in Einzelfällen und oft verstreut im Druck publiziert sind. Dies überrascht um so mehr, als dem auf Lebenszeit gewählten »doge del popolo«, einem der höchsten Würdenträger in der Hierarchie der Seerepublik, nach dem Bericht Francesco Sansovinos (1581) ein fast identisches Begräbniszeremoniell zustand wie dem Dogen, und dies, obwohl es sich bei dem Gran Cancelliere traditionell nicht um einen Patrizier, sondern »nur« um einen Angehörigen der gehobenen gesellschaftlichen Mittelschicht der sogenannten cittadini originari gehandelt hat. Man könnte in Analogie dazu vermuten, daß auch die Grabmäler der Großkanzler entsprechend repräsentativ gestaltet waren. Dies scheint jedoch – nach allem, was die Recherchen des Verfassers bislang ergeben haben – eher die Ausnahme gewesen zu sein.

Nach einem Bericht über die wesentlichen Bestandteile des Begräbniszeremoniells werden die Überreste von einstweilen vier, bisher als noch existent ermittelten, zur Hälfte jedoch nicht mehr in situ befindlichen Kanzlergräbern in Wort und Bild dokumentiert, wobei auch jedesmal die zugehörigen Inschriften transkribiert und (zumindest teilweise) übersetzt werden. Von den restlichen acht Grabmälern werden – sofern sich dies aus Testamenten, unpublizierten Kanzlerviten, Venedig-Guiden und anderen Quellen ermitteln ließ – zumindest Angaben zur ursprünglichen Lage, Gestalt und den ehemals dort angebrachten Inschriften zusammengetragen oder wenigstens Hinweise auf bereits vorhandene Publikationen der lateinischen Epitaphien gegeben. Damit werden die Grabmäler der venezianischen Großkanzler des 16. Jahrhunderts erstmalig im Zusammenhang vorgestellt. Auf welche Weise vermittels Zeremoniell und Grabmal performativ oder dauerhaft (z.B. auch in den gedruckten Leichenreden) den virtutes der betreffenden Amtsträger gehuldigt wurde, wird – wie im Blick auf den Titel der vorliegenden Publikation nicht anders zu erwarten – gebührend berücksichtigt.

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Thomas Poepper:
Virtus-Personifikationen an römischen Kardinalsgrabmälern des Quattrocento –
Die Monumente für Antonio Martinez de Chiavez, Astorgio Agnensi und Philippe de Levis

Bei der Durchsicht des erhaltenen oder rekonstruierbaren Bestandes an römischen Prälatengrabmälern des 15. Jahrhunderts stellt sich heraus, daß Tugenddarstellungen hier ausgesprochen rar sind. Es überwiegen Heiligenfiguren; häufig zieren die Apostelfürsten die Monumente. Nicht selten bestehen zwischen den dargestellten Heiligen und den Verstorbenen persönliche (Namensheilige), devotionale (Ordens- oder Lieblingsheilige) oder lokale Bezüge (Hauptheilige der Grabkirchen).

Einen virtus-Zyklus als anschaulichen und individuellen Persönlichkeitsausweis des Toten zeigen nur drei bedeutsame und künstlerisch anspruchsvolle Monumente, nämlich die im Titel genannten. Der Aufsatz beschreibt deren Befund und begründet – z.T. erstmals – Zuschreibungen und Datierungen. Demnach ist auffällig, daß in dem Moment, als die Papstikonographie die Tugenden für sich (wieder-)entdeckte und nach 1464 an nicht weniger als vier Monumenten in Folge »okkupierte« (Gräber der Päpste Pius II., Paul II., Sixtus IV. und Innozenz VIII.), damit zugleich das antikische virtus-Thema für Kardinalsgrabmäler bis zur Jahrhundertwende obsolet geworden war. Die Frage, ob und inwiefern hierbei möglicherweise eine ästhetische oder inhaltliche Reserve gegenüber Tugendpersonifikationen oder gar hierarchische Unterschiede der Kleriker eine Rolle spielten, wird abschließend mit einem Erklärungsversuch versehen.

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Claudia Echinger-Maurach:
Zwischen Quattrocento und Barock: Michelangelos Entwurf für das Juliusgrabmal in New York

Im Spannungsfeld zwischen Quattrocento- und Barockkunst weckt Michelangelos erster, figurenreicher Entwurf für das Juliusgrabmal in New York in doppelter Hinsicht die Aufmerksamkeit: zum einen regt er an, die Gestaltung der Papstgrabmäler und deren Entwicklung zu untersuchen, zum andern, die ikonographischen Spezifika des Juliusmonumentes herauszuheben. An ausgewählten Beispielen, d.h. am Grabmal von Pius II. und an einem Entwurf Berninis für dasjenige Papst Alexanders VII., läßt sich zeigen, daß beide als Praemium virtutis konzipiert sind, das spätere sich aber dennoch vom früheren durch ein Hauptmotiv unterscheidet, und dies ist das Verknüpfen der um den Verstorbenen versammelten virtù mit der Totenklage. Michelangelos New Yorker Entwurf weist diese Neuerung erstmals auf; gedichtete Grabinschriften könnten ihn dazu inspiriert haben.

Es fällt auf, daß zwei moralische Tugenden die Flanken des Monumentes, zwei Verkörperungen der wichtigsten theologischen Tugend, der Caritas, die Front des Grabmals-modello besetzen: in einem zwischen sie gesetzten Relief verdichtete der Künstler in einer mehrschichtig zu lesenden figürlichen poesia den in den Statuen des Amor Proximi und des Amor Dei angedeuteten Gehalt. Im Unterschied zu den Grabmonumenten des Quattrocento finden wir zumindest die virtù der Front von einer leisen Trauer bewegt. Dafür entdecken wir den Eichbaum, das Emblem der Rovere, in einen poetischen Zusammenhang verwoben, der den Betrachter zugleich rührt und tröstet. Der auffahrende Wappenbaum lenkt den Blick hinauf zu den Gestalten des Oberstocks, die, von einem kolossalen nicchione umfangen, allem Irdischen entrückt erscheinen. Hier sehen wir statt einer portraithaft ähnlichen eine schlichte Idealgestalt des Papstes, dessen Verscheiden selbst den Propheten und die Sibylle des Dies Irae, Putten und Engel, die den Hingeschiedenen in ihrer Mitte halten, tief bewegt. Manches ist in dieser hochdramatischen, durch die Zeremonie der Einsegnung des Toten und den Wortlaut der Totenmesse, sowie durch Darstellungen einer Imago Pietatis durch Andrea del Verrocchio vorgebildet, wenn auch durch Michelangelo geklärt und spannungsreich verdichtet. Die stark sich äußernde Gefühlswelt des Barock kann hierin ihr erstes Exempel sehen.

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Jutta Götzmann:
Sepulcha – divitiarum testimonia, non mortis honestamenta.
Zum Grabmal Papst Hadrians VI.

Papstgrabmäler haben zumeist eine wechselvolle Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte. Sie wurden nicht selten auch gegen den ausdrücklichen Wunsch des Verstorbenen errichtet. Auch Kardinal Wilhelm van Enckenvoirt widersetzte sich dem Verbot Papst Hadrians VI., für ein aufwendiges Grabmal zu sorgen.

Der Beitrag überprüft anhand des ursprünglichen ikonographischen Programms, wie die Themenwahl der bildlichen Darstellungen, die Figurenauswahl, Inschriften und Devisen auf die Persönlichkeit Hadrians abgestimmt wurden. Für die Deutung des Tugendprogramms ist auch die Einbeziehung schriftlicher Quellen aus dem humanistischen Umfeld Hadrians von großer Bedeutung. Darüber hinaus widmet sich die Untersuchung den Interessen des Auftraggebers. Die Stiftung des Buntmarmorgrabmals ist nicht ausschließlich Ausdruck der hohen Wertschätzung Hadrians durch Enckenvoirt, vielmehr konkretisiert sich in ihr die Absicht des Auftraggebers, das Gedenken an seinen Gönner mit der Sicherung der eigenen memoria zu verbinden. Das Papstgrabmal war das erste prachtvolle Ausstattungsstück der Chorkapelle von S. Maria dell'Anima in Rom, auf deren Vervollständigung sich Enckenvoirts Mäzenatentätigkeit bis zu seinem Tode 1534 erstreckte.

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Cristina Ruggero:
Decorum, Varietas, Magnificentia – Römische Kardinalsgrabmäler des Barock

Tugenden an Grabmälern dienen der Veranschaulichung der positiven Eigenschaften, Qualitäten und vortrefflichen Lebensführung der Verstorbenen. Ihre Vielzahl verbildlicht die Bedeutung und Vollkommenheit der Person. Verfolgt man die Entwicklung vom Mittelalter bis zum Barock, so stellt man eine zunehmend reduzierte Anzahl der Tugendpersonifikationen am Grabmal fest, die allerdings überlebensgroße Ausmaße annehmen. Ihre Referenzfunktion und Differenzierung manifestiert sich immer enger in Verbindung mit dem tatsächlichen Abbild des Verstorbenen, so daß – zumindest in bezug auf Monumente von hohen kirchlichen Würdenträgern – die Veranschaulichung von Tugenden in Zusammenhang mit dem Leben und Wirken des Verstorbenen im theologischen-religiösen Bereich gebracht wurde. Einige interessante Varianten von Tugenddarstellungen werden an drei römischen Kardinalsgrabmälern aus den 70er Jahren des Seicento besprochen. Die virtutes der Kardinäle werden unterschiedlich aufgefaßt, interpretiert und dargestellt. Sie drücken inhaltlich hohe moralische sowie geistige Eigenschaften der Verstorbenen aus: von der »ewigen Anbetung« als Ausdruck einer ausgeprägten fides (Imperiali), zur caritas publica als Bereitschaft dem Nächsten zu helfen und für Wohlstand zu sorgen (Rasponi) bis zur Botschaft eines integeren tugendhaften Lebens, in dem sowohl weltliche als auch theologische virtutes durch jeweils vollplastische und überlebensgroße Darstellungen hervorgehoben werden (Bonelli).

Neben der Referenzfunktion der Tugenden spielt bei der Konzeption der Grabmäler auch der Wunsch nach angemessener Repräsentation im Sinne der magnificentia eine wesentliche Rolle. Das Grabmal mußte aufgrund seines Aufwandes und der formalen varietas dem, einem Kardinal gebührenden decorum entsprechen.

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