Der Band vereinigt Arbeiten eines der bedeutendsten
Kenner romanischer Architektur. Wenn auch der Schwerpunkt
von Hans Thümmlers Forschungen in Westfalen lag, so
hatte er doch stets die romanische Baukunst als Ganzes im
Blick. Das belegen seine beiden noch immer wichtigen
frühen Aufsätze zum Kirchenbau des 11.
Jahrhunderts in Italien und die Arbeiten über die
Beziehungen zwischen Westfalen und dem Ostseeraum. In diesen
Zusammenhang gehören auch Aufsätze zur romanischen
Skulptur in Westfalen. In den Nachkriegsjahren widmete sich
Thümmler besonders der karolingischen und ottonischen
Architektur, die damals durch Grabungen und Bauforschungen
in einem bis dahin noch nicht vorstellbaren Umfang neu ins
Blickfeld trat.
Für die Beschäftigung mit westfälischer
Baukunst bilden die Arbeiten Hans Thümmlers eine
unverzichtbare Grundlage. Insofern die Romanik in Westfalen,
wie Thümmler gezeigt hat, einen nicht unbedeutenden
Anteil am Gesamtbild dieser Epoche hat, gilt dies auch
über die Grenzen der Region hinaus.
This volume compiles studies of one of the most renowned
scholars of romanesque architecture. Although Hans
Thümmler concentrated his studies mainly on Westphalia,
he always maintained an overall view of the romanesque art
of construction. This is shown by both of his early articles
on 11th century church construction in Italy, which are
still important today, and his articles on the relationship
between Westphalia and the Baltic Sea area. His articles on
romanesque sculpture in Westphalia also belong in this
category. After World War II Thümmler dedicated a
major part of his studies to Carolingian and Ottonian
architecture, which was then coming back into view in a
hitherto unknown dimension due to excavations and
constructional research.
Thümmlers studies provide an undispensable basis for
those interested in Westphalian architecture. This also
pertains to romanesque studies on the whole, for as
Thümmler has shown, the influence of Westaphalian
romanesque art spread far beyond this regions own
borders.
Inhaltsverzeichnis / table of contents
Vorwort
Einleitung
ROMANISCHE BAUKUNST IN ITALIEN
- Die Kirche S. Pietro in Tuscania (1938)
- Die Baukunst des 11. Jahrhunderts in Italien (1939)
ALLGEMEINE ARCHITEKTURGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN, UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG WESTFALENS
- Nationale Charaktere europäischer Kunst im Spiegel des deutschen und italienischen Sakralbaues (1951)
- Westfälische und italienische Hallenkirchen (1958)
- Neue Forschungen zur mittelalterlichen Archäologie in Deutschland (1972)
- Karolingische und ottonische Baukunst in Sachsen (1964)
- Mittelalterliche Baukunst im Weserraum (1966)
- Die frühromanische Baukunst in Westfalen (1948)
- Die Anfänge der monumentalen Gewölbebaukunst in Deutschland und der besondere Anteil Westfalens (1951)
- Zisterziensische und rheinische Elemente in der spätromanischen Baukunst Westfalens (1966)
- Die Stilbildung des Barock in der Kirchenbaukunst Westfalens (1950)
ARCHITEKTURGESCHICHTLICHE EINZEL-UNTERSUCHUNGEN, VORWIEGEND ZU ROMANISCHEN KIRCHEN IN WESTFALEN
- Die Stiftskirche in Freckenhorst und ihre Wiederherstellung (1963)
- Die älteste Pfarrkirche in Hagen (1951)
- Der Gründungsbau der Hohnekirche in Soest (1959)
- Die Margarethen-Kirche in Methler (1954)
- Die Kirche in Marienhafe und die Andreas-Kirche in Norden (1955)
ROMANISCHE SKULPTUR IN WESTFALEN
- Die Grabplatte des Osnabrücker Bischofs Gottschalk von Diepholz in der Klosterkirche zu Iburg (1964)
- Ein romanisches Königshaupt aus Freckenhorst (Westfalen) (1961)
- Ein sächsischer Bildnisgrabstein des 12. Jahrhunderts am Dom zu Münster (1966)
- Die Patroklussäule in Soest (1967)
DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN WESTFALEN UND DEM OSTSEERAUM IN DER ARCHITEKTUR UND SKULPTUR DES MITTELALTERS
- Die Bedeutung der Edelherrn zur Lippe für die Ausbreitung der westfälischen Baukunst im 13. Jahrhundert (1955)
- St. Nicolai in Visby – eine Hallenkirche mit Stützenwechsel nach westfälischem Vorbild (1965)
- Die Zisterzienserkirche Marienfeld in Westfalen und ihr Einfluß auf die Marienkirche in Visby und die Zisterzienserkirche in Varnhem (1967)
- Vorstufen der zweischiffigen Hallenkirchen Gotlands (1969)
- Rezension Voldemar Vaga, Das Problem der Raumform in der mittelalterlichen Baukunst Lettlands und Estlands, Tartu 1960 (1962)
- Die Soest-Erwitter romanische Bildhauer-Werkstatt und ihre Ausstrahlung nach Schonen (1971)
Karte zur romanischen Baukunst in Italien
Schriftenverzeichnis Hans Thümmler
Abbildungsnachweis
Ortsregister
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EINLEITUNG
Hans Thümmler (1910–1972) zählt zu den
profiliertesten Architekturhistorikern seiner Generation in
Deutschland. Der Schwerpunkt seines Forschens und Lehrens
lag – um es mit den Worten seines rheinischen
Kollegen und Freundes Albert Verbeek zu sagen –
darin, »die besondere Eigenart westfälischer
Kunst, namentlich der Baukunst des Mittelalters, zu deuten
und den Standort in der allgemeinen Kunstgeschichte des
Mittelalters zu umreißen«. Dabei war der
Wahl-Westfale aus dem Sächsischen gegen Provinzialismus
gefeit. Seine Auffassung war: Wer westfälische
Kunstgeschichte treibt, treibt europäische
Kunstgeschichte. Das entsprang nicht einer
Überschätzung der Kunst dieser Region, sondern
einer auf gründlicher Kenntnis beruhenden Einsicht in
die vielfältigen und wechselseitigen
Verflechtungen.
Von seiner Dissertation über die Stiftskirche in
Cappel bei Lippstadt her ein Kenner der romanischen Baukunst
in Deutschland, hat sich Thümmler während seiner
Assistentenzeit in Rom einem damals noch wenig beachteten
Thema zugewandt, dem Kirchenbau des 11. Jahrhunderts in
Italien. Die beiden Aufsätze von 1938 und 1939 sind
trotz der seither für diesen Gegenstand aufgewendeten
Forschungsarbeit noch von grundlegender Bedeutung.
Seit 1939 – mit Unterbrechung durch den
Krieg – war Thümmler beim Denkmalamt in
Münster für die Kunstdenkmälerinventarisation
in Westfalen zuständig. Damit kehrte er in das von der
Dissertation her vertraute Forschungsgebiet zurück. Die
Nachkriegszeit brachte in der aufs schwerste von
Kriegszerstörungen heimgesuchten Region für den
Bauhistoriker ein neues Aufgabenfeld: Grabungen und
Bauuntersuchungen während des Wiederaufbaus der
beschädigten und zerstörten Kirchen.
Eine bis dahin nahezu unbekannte Welt des vorromanischen
Kirchenbaues tat sich auf. Heute ist nicht mehr leicht
nachzuvollziehen, unter welch kärglichen Bedingungen,
mit welchen unendlichen Mühen und Opfern nicht nur
Wissenschaftler, sondern, wechselseitig motiviert, viele
andere sich dieser entsagungsvollen Arbeit widmeten und sie
förderten und mit welchem Enthusiasmus die neuen
Grabungsergebnisse aufgenommen wurden. Aus der Sicht unserer
Tage, ein halbes Jahrhundert danach, scheint der Kontrast
zwischen dem damals allgegenwärtigen Mangel am
Nötigsten und dem, daran gemessen, erstaunlich
großen Aufwand für scheinbar
»nutzlose« Forschungen so beträchtlich,
daß man sich gedrängt sieht, nach
Erklärungen zu suchen. Hat es etwas mit der Situation
jener Zeit zu tun, in der nach der geistigen und materiellen
Katastrophe, die das »Dritte Reich«
herbeigeführt hatte, der neue Blick in eine große
Vergangenheit so viele Menschen fesseln und über die
Misere des Nachkriegsalltags erheben konnte?
Es ist Thümmler mit an vorderster Stelle zu
verdanken, wenn die archäologische Bauforschung als ein
bedeutendes Arbeitsgebiet in das Bewußtsein sowohl der
wissenschaftlichen Fachwelt wie einer breiteren
Öffentlichkeit eindrang und wenn Westfalen dabei im
Vergleich mit anderen Regionen eine wichtige Stellung
erlangte. Eine wesentliche Rolle kam der Berichterstattung
zu, sei es in knapper Mitteilung, ausführlichem Bericht
oder zusammenfassendem Überblick. Dabei bemühte
sich Thümmler, über das Detail hinaus stets das
Wesentliche zu erfassen und zu vermitteln.
Wenn heute nach kritischer Revision und nach bedeutender
Vermehrung des Materials über Jahrzehnte hinweg die
Forschungsergebnisse der Nachkriegszeit vielfach anders,
differenzierter beurteilt werden, so liegt das nicht zum
wenigsten daran, daß damals erst, häufig im
heftigen Widerstreit der Meinungen, die methodischen
Grundlagen für das neue Forschungsgebiet erarbeitet
wurden. Noch immer gehören aber die Arbeiten jener
Jahre zu den wichtigsten Bausteinen der archäologischen
Forschung zur Architektur des frühen und hohen
Mittelalters.
Frühere Ansätze der Forschung fortführend,
hat Thümmler auch die »klassischen« Themen
der westfälischen Romanik weiterbearbeitet: die
Wölbung, die Hallenkirchen und die Herausbildung einer
spätromanischen Sonderentwicklung, als deren
führenden Bau er die Zisterzienserkirche Marienfeld
herausstellte. Aber nicht nur, was Westfalen an Eigenem
hervorbrachte und was es von seinen auswärtigen
Vorbildern empfing, war sein Thema, sondern auch die gebende
Rolle, sei es im Hinblick auf das benachbarte Friesland oder
auf Schweden mit Gotland und den baltischen Raum. Der
vergleichsweise kurze Aufsatz über die Bedeutung der
Edelherrn zur Lippe für die Ausbreitung der
westfälischen Baukunst im 13. Jahrhundert mit dem
Hinweis auf unmittelbare Beziehungen zwischen der
Kapitellplastik in Lippstadt und in Riga gehört zu
seinen meistzitierten Arbeiten. Bei der Erforschung der
westfälisch-schwedischen Beziehungen erwuchs auch
Thümmlers Interesse an romanischer Skulptur, zu der er
mehrere Aufsätze vorlegte.
Die zeitliche Grenze des Mittelalters wurde mit einem
Festschriftbeitrag von 1950 zur Kirchenbaukunst des Barock
in Westfalen überschritten. Nur ein Inventarisator und
profunder Kenner der Region konnte diesen Überblick
schreiben und damit ein ergiebiges Thema eröffnen, wie
die zahlreichen seither erschienenen einschlägigen
Arbeiten zeigen. Manches in diesem Beitrag Angesprochene ist
seither noch nicht wieder aufgegriffen worden.
Thümmlers Lebenswerk blieb unvollendet. Nicht nur,
daß eine Monographie zur Baugeschichte des Mindener
Domes auf Grund der Nachkriegsentdeckungen Desiderat blieb.
Es bestand ein Plan, gemeinsam mit zwei befreundeten
Kollegen eine westfälische Kunstgeschichte zu
schreiben. Man muß bedauern, daß sie
ungeschrieben blieb, denn in einer inzwischen gewandelten
Wissenschaftssituation wird ein vergleichbar geschlossenes
Konzept auf längere Zeit hin kaum zu verwirklichen
sein. Manche Aufsätze und Monographien lassen sich als
Einzelstudien und Zwischenbilanzen auf dem Wege zu einer
umfassenden Darstellung der Architektur des Mittelalters in
Westfalen sehen. Wie schon in seinen Arbeiten zur
italienischen Baukunst suchte Thümmler über den
Vergleich von Einzelformen und architektonischen Motiven
hinaus den geformten Raum selbst mit den Mitteln der
Stilanalyse zu erfassen und zu vergleichen. Gegenüber
den in der kunstgeographischen Arbeitsweise vorkommenden
Einseitigkeiten hielt er sich bedachtsam zurück.
Über die reine Formbetrachtung hinaus war ihm die
Rückbindung an konkrete historische Gegebenheiten
wichtig.
In den vergangenen 25 Jahren ist die Forschung vor allem
an einzelnen Objekten vorangetrieben worden. Einiges, etwa
die Früherdatierung der Stiftskirche zu Vreden und die
Entdeckung einer älteren Bauphase des
11. Jahrhunderts in den Ostteilen der Stiftskirche in
Freckenhorst, hat Thümmler selbst mit diskutiert,
bereit, angesichts neuer, überzeugender Argumente
frühere Auffassungen zu revidieren. Das Bild der
Entwicklung ist differenzierter geworden, Brüche und
Sonderwege kommen mehr in den Blick. Man wird also nicht
umhin können, eines Tages auf einer erneuerten Basis
die Frage nach den Charakteristika einer landschaftlich
geprägten Baukunst, ihren Entstehungsbedingungen und
ihren Auswirkungen, in ihrer Komplexität neu wieder
aufzunehmen. Ausgangspunkt werden dann die in diesem Band
vorliegenden Einzelstudien, besonders aber die
zusammenfassenden Übersichten sein, deren
Kenntnisreichtum Maßstäbe gesetzt hat.
In einer Sammlung von Aufsätzen kommt
naturgemäß kaum zum Ausdruck, was über
wissenschaftliche Publikationen hinaus das Lebenswerk
ausmacht. Deshalb sei mit knappen Worten an einiges
erinnert, zum Beispiel an Thümmlers Wirken als
anregender Hochschullehrer und an die ungewöhnliche
Beredsamkeit, mit der er in öffentlicher Rede oder im
kleinen Kreis Begeisterung für seine Themen zu erwecken
wußte. Diese stand ihm auch zu Gebote, wenn er mit
klarem Konzept und großer Argumentationskraft für
die Anliegen der Denkmalpflege auftrat, oft auch als
auswärtiger Gutachter. Von Thümmlers Wirken als
Denkmalpfleger und von den ihn leitenden Zielvorstellungen
zeugt in diesem Band der Aufsatz über Freckenhorst. Im
Vergleich mit heutiger Theorie und Praxis der Denkmalpflege
werden die Wandlungen deutlich, die sich im Wechsel der
Generationen vollzogen haben. Sie beruhen kaum auf anderen
Grundsätzen, sondern auf der Art und Weise der
Anwendung dieser Grundsätze, vor allem auf der
Ausweitung des Denkmalbegriffs und damit der Geltung
denkmalpflegerischer Grundsätze auf neuen Gebieten. So
fände die Beseitigung einer geschlossenen
historistischen Ausstattung zugunsten der Freilegung
romanischer Wände heute keine Zustimmung mehr.
Andererseits nähern sich denkmalpflegerisch konzipierte
Gestaltungen aus der von Thümmler mitbestimmten Zeit
heute bereits potentiell dem Status
»denkmalwert«. Die Antworten auf die Frage
»was ist das wirkliche Wesentliche?« ändern
sich im Kontext der Lebenserfahrungen der Generationen, in
der Denkmalpflege wie in der Forschung. Gleich bleibt, das
zeigt der Rückblick, der hohe Anspruch und der Ernst,
mit dem sich die Frage immer aufs neue stellt.
Uwe Lobbedey
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Rezensionen / reviews
Studi Medievali – Rivista delle Fondazione Centro
Italiano di Studi sull'Alto Medioevo
3a seria / anno XLIV / fasc. II – Dicembre 2003, pp. 706–709
»... pur preponderanti le parti dedicate
all'architettura, il testo e il magnifico apparato
fotografico non mancano di illustrare la pittura murale o la
scultura nei suoi vari supporti ...«
(Francesca Dell'Acqua)
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