Stephanie Hanke

Zwischen Fels und Wasser

Grottenanlagen des 16. und 17. Jahrhunderts in Genua

Tholos – Kunsthistorische Studien
Band 4
Herausgegeben von Georg Satzinger

2008, 564 Seiten, 313 Abbildungen (72 Vierfarbabbildungen, 241 S/W-Abbildungen), Harteinband
2008, 564 pages, 313 figures (72 color figures, 241 b/w figures), hardcover

ISBN 978-3-930454-71-6
Preis/price EUR 95,–

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Aus dem Inhalt / from the book:

Inhaltsverzeichnis
Textauszug

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

I. Einleitung

II. Genua im secolo d'oro dei genovesi: historische und kulturelle Hintergründe

1. Der Pakt mit Habsburg und die innenpolitische Reform der Oligarchie
2. La doppia residenza – Villa und Stadtpalast im Genueser Cinquecento und Seicento
3. Studio oder ombra di studio – Die Auftraggeber der Grotten und die Kultur des Genueser Patriziats
4. Die Künstler

III. Die Position der Grotten innerhalb des architektonisch-gartenbaulichen Zusammenhanges von Villa und Palast

1. Grotten in Villengärten
2. Grotten im innerstädtischen Palastbau

IV. Die architektonische Gestaltung der Genueser Grotten

1. Die Fassaden
1.1 Einfache Grottennischen
1.2 Dreiachsige Fassaden mit Nischenarchitektur
1.3 Die Verwendung der Serliana
1.4 Variationen der Angleichung von Kunstform und Naturform: l'ordine statuario, l'opera rustica und colonne vitinee
2. Grundriß- und Raumtypen
2.1 Zentralbauten
2.2 Trikonchenförmige Grottenräume
2.3 Querrechteckige Grottenanlagen mit exedrenförmigen Raumerweiterungen
2.4 Einfache Grottenräume mit Exedra
2.5 Sonderformen: Die Kryptoportikus der Villa Spinola Imperiale und die Grottenvoliere der Villa Airolo Franzone
3. Der Grottenberg

V. Un certo ordine disordinato: Materialien und Dekorationstechniken

1. Pietra di Finale
2. Spugne und tartari
3. Das mosaico rustico
3.1 Majolikasteinchen
3.2 Korallen
3.3 Muscheln und Schnecken
3.4 Fluß- und Strandkiesel
3.5 Kristalle
3.6 Glasmosaikwürfel
3.7 Sonstige Materialien
4. Stuck
5. Marmorböden und risseû
6. Fazit: Der Genueser Grottendekor – Besonderheiten und Entwicklungen

VI. Istorie d'allegrezza, che non abbiano ombra di malencholia – Die Bildprogramme der Genueser Grotten

1. Grottenanlagen all'antica: Die Fonte Doria und die Grotte der Villa Pallavicino delle Peschiere
1.1 Favole di mare für einen Genueser Flottenkapitän: Galeazzo Alessis Fonte Doria
1.2 L'antro dell'eternit – Antikenlandschaften und kosmologische Bezüge in den Mosaiken der Grotte Pallavicino
2. Keusche Nymphen für Genueser Damen – Zum Thema der Castitas in den Grotten Pavese und Spinola
2.1 Mythologische Verführungen und Verwandlungen: Die Diana-Grotte der Pavese
2.2 Provokation und Dekorum: Wasserspiele in einer Grotte der Spinola
3. Meraviglia der Technik: Die Automaten der Grotte des Palazzo Grimaldi della Meridiana

VII. Exkurs: Bautypologie und Ausstattung der Genueser Bäder des Cinquecento

VIII. Mirabilia, diletto und magnificenza: Die Bedeutung und Funktion der Grotten im kulturellen und sozialen Kontext der Genueser Oligarchie

1. Die Grotten als Aufstellungsorte antiker Skulpturen
2. Mineralia, artefacta und animalia: Die Grotten als Wunderkammern der Genueser Gärten
3. Die Grotten als Orte des gesellschaftlichen Vergnügens
4. Grotten als Statussymbole der Genueser Oligarchie

IX. Schluss

X. Katalog

1. Die Fonte Doria
2. Der Grottenberg von Adamo Centurione
3. Die Grotte Grimaldi in Bisagno
4. Die Grotten der Villa Pallavicino delle Peschiere
5. Grundriß einer Grotte im Besitz der Pallavicini
6. Die Grotte des Palazzo Doria all'Acquasola (Doria Spinola)
7. Skizze einer Grotte zwischen Piazza Portello und Piazza Corvetto
8. Die Grotten des Palazzo von Angelo Giovanni Spinola
9. Die Grotten der Villa Cattaneo Imperiale in Terralba
10. Grotte des Palazzo Grimaldi della Meridiana
11. Die Grotten der Villa Di Negro Rosazza
12. Die Grotte der Villa Doria De Mari
13. Die Grotte der Villa Pavese Doria
14. Die Grotten der Villa Imperiale Scassi
15. Die Grotten der Villa Spinola Imperiale in Campi
16. Die Grottenvoliere der Villa Airolo Franzone
17. Die Grotten des Theatinerklosters von San Siro
18. Die Grotte der Villa Sciallero Carbone
19. Die Grottennischen des Palazzo von Giambattista Spinola (Doria)
20. Die Grotten des Palazzo Lomellino Podest
21. Die Grottennische des Palazzo von Lazzaro und Giacomo Spinola Cattaneo Adorno
22. Die Grottennische des Palazzo von Baldassare Lomellino (Campanella)
23. Die Grottennische des Palazzo Cicala Donghi
24. Die Grotten des Palazzo Balbi Senarega
25. Die Grotten des Palazzo Spinola Gambaro
26. Die Grotten der Villa Crosa di Vergagni
27. Die Grotte der Villa Negrone San Giovanni Battista
28. Die Grotte des Palazzo Ayrolo Negrone

Literaturverzeichnis

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Textauszug:

Künstliche Grotten gehören zu den der Antike entlehnten, um 1500 neu aufgegriffenen Bauaufgaben, die zunächst in Italien, später in ganz Europa Verbreitung fanden und sich rasch zu einem zentralen Bestandteil der Villen- und Gartenkultur entwickelten. In Genua, einem der wichtigsten italienischen Zentren der Gartenbaukunst des 16.  Jahrhunderts, verbindet sich eine bemerkenswerte Quantität von Grotten mit einer herausragenden Qualität der Objekte. Ihre Häufigkeit sowie exponierte Lage auf den Hauptachsen der Villengärten sowie in den Innenhöfen städtischer Paläste lassen darauf schließen, daß man es mit einem besonders beliebten Statussymbol innerhalb der Genueser Oligarchie zu tun hat. Eine große Gruppe von Adligen, die darauf bedacht waren, im Wettstreit der Repräsentation gleichzuziehen, legte offenbar Wert darauf, ein solches Objekt in ihrem Palast oder ihrer Villa vorweisen zu können und - wie häufige Umbauten und Modernisierungen von Grotten innerhalb relativ kurzer Zeitabschnitte belegen - auf diesem Gebiet ihren Zeitgenossen nicht nachzustehen. Die vorliegende Studie liefert auf der Grundlage eines umfassenden Kataloges erstmals eine systematische Untersuchung dieses Phänomens, die alle erhaltenen oder durch Quellen überlieferten Genueser Grottenbauten berücksichtigt. Diese werden gattungsübergreifend hinsichtlich ihrer architektonischen Struktur, ihrer Dekorationsmaterialien und ihrer Ausstattungsprogramme analysiert sowie auf ihre Funktion innerhalb der Genueser Gesellschaft des 16. und 17.  Jahrhunderts hin untersucht. Kultur-, sozial- und wirtschaftshistorische Voraussetzungen, die für die Entfaltung des Grottenbaus in Genua verantwortlich waren, erfahren besondere Beachtung, wobei Parallelen und lokalspezifische Besonderheiten im Vergleich mit anderen Kunstzentren herausgestellt werden.

Ein Exkurs über die ebenfalls außergewöhnlich häufig in Genueser Villen und Palästen anzutreffenden Privatbäder beleuchtet ein bislang kaum bekanntes, mit den Grotten aufs engste verwandtes Phänomen, das sich gleichermaßen als Genueser Spezifikum erweist. In ihrer architektonischen Form sind die Genueser Grottenanlagen - ähnlich wie auch andernorts - an antiken Vorbildern wie Thermen, Brunnenanlagen und Kryptoportiken orientiert. Darüber hinaus ergeben sich in der - spezifisch genuesischen - Verbreitung oktogonaler Grundrisse Verbindungen zu türkischen Bädern, die ebenso für die privaten bagni der Genueser Paläste geltend gemacht werden können. Erklärbar ist dies durch die engen Kontakte Genuas zum Orient sowie durch die Präsenz türkischer Bevölkerungsgruppen innerhalb der Stadt, deren Erfahrungen mit derartigen Bauaufgaben man sich gerade bei technischen Problemen - der Anlage von Wasserleitungen und Beheizungssystemen - zunutze machte. Bei einigen Grottenbauten wurden in Genua typengeschichtlich einzigartige Lösungen, etwa in der Kombination von Grotte und Voliere, entwickelt, die andernorts ihresgleichen suchen. Ähnliches zeigt sich auch auf dem Gebiet der in den Grotten verwendeten Dekorationsmaterialien. Die Genueser Beispiele zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Materialvielfalt sowie die Verwendung besonders kostbarer Materialien, insbesondere Korallen, in ihrem Mosaikdekor aus, was durch das Handelsmonopol der Genuesen in der Korallenfischerei begünstigt wurde. Andernorts dürften derartige Mengen an Korallen, wie man sie in den Genueser Grotten antrifft, kaum bezahlbar gewesen sein.

Die Grotten boten den Genuesen damit wie kaum eine andere Kunstgattung die Möglichkeit, Reichtum und Verbindungen in ferne Länder - belegt durch die Präsenz exotischer Muscheln - anschaulich vorzuführen und sich der natürlichen Schätze aus dem Bereich des Meeres für ihre Selbstdarstellung als Mittelmeermacht zu bedienen. Bei der figürlichen Ausstattung der Grotten, ihren Mosaiken, (teils antiken) Skulpturen und Automatenfiguren, zeigt sich, daß den ausgewählten Mythen, vorrangig Ovids Metamorphosen, allegorische Bedeutungen unterlegt wurden und die Darstellungen in vielen Fällen einen anspruchsvollen programmatischen Charakter erhielten. Ein Meeresgötterzyklus beispielsweise wurde zum Ruhm des Doria-Clans und seiner Flottenerfolge und als Huldigung an Andrea Doria instrumentalisiert; eine anläßlich einer Hochzeit errichtete Nymphengrotte pries mit einem Diana-Zyklus die Keuschheit der Braut. Weiterhin finden sich kosmologisch ausgerichtete Programme, die die Grotte als Ort der Elemente und als Kristallisationspunkt der Kräfte der Natur oder aber im Rückgriff auf Claudians »Höhle der Ewigkeit« als Abbild der Zeit ausweisen. Bei anderen Beispielen, insbesondere den häufig anzüglichen Wasserspielen, stehen Fragen des Decorums im Zentrum der Untersuchung. Die Analyse der einzelnen Objekte macht offenkundig, daß die Grotten keineswegs privaten Charakter hatten, sondern als repräsentative Schaustücke innerhalb der Genueser Oligarchie sowie für die auswärtige Klientel der Handels- und Bankherrn eingesetzt wurden. Teils dienten sie sogar als Schauplätze für Bankette und Theateraufführungen. Die Grotte als luogo all’antica und damit als Zeichen humanistischer Kultur, die Grotte als Wunderkammer, welche Einblick in die schöpferischen Naturkräfte bietet, sowie die Grotte als Ort für die Ostentation von Reichtum bilden die drei Eckpunkte des mit dieser Bauaufgabe verbundenen Bedeutungsfeldes. Im Falle Genuas scheint dabei die Zurschaustellung von Prosperität besonderes Gewicht besessen zu haben, kam es doch den Geschäftsinteressen der Genueser Bankkaufleute entgegen, ihren Wohlstand nach außen hin zu demonstrieren und bei ihren Handelspartnern Bewunderung - meraviglia - zu erregen. Für die besondere Beliebtheit von Grottenanlagen in Genua wird damit über materielle Faktoren wie die Verfügbarkeit der Dekorationsmaterialien hinaus eine sozialhistorische Erklärung gewonnen, die die Grotten als einen zentralen Aspekt der adligen Selbstdarstellung in der Finanz- und Seerepublik charakterisiert. Zugleich zeigt ihre weite Rezeption in- und außerhalb Italiens, daß die Handelsmetropole Genua als zentraler Umschlagplatz gerade für Muscheln und Korallen auch künstlerische Impulse auf diesem Gebiet weitergab, die die Genueser Grotten aus einer allein lokalhistorischen Bedeutung weit herausheben.

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