Kurzzusammenfassung / short summary:
Der Sammelband, der aus dem an der Schnittstelle von Kunst-
und Literaturwissenschaft angesiedelten Teilprojekt
»Autorbilder: Figurationen
mittelalterlicher/frühneuzeitlicher Autorschaft im
medialen Vergleich« des Kulturwissenschaftlichen
Forschungskollegs (SFB/FK 427) »Medien und kulturelle
Kommunikation« der Universitäten Aachen, Bochum,
Bonn und Köln hervorgegangen ist, untersucht die
medialen Bedingungen und spezifischen Transkriptionsprozesse
bei der Generierung einer Vorstellung von
Autorschaft in Mittelalter und Früher
Neuzeit. Dabei geht es vor allem um die Analyse der
Interaktion zwischen Text und Bild in ihrer jeweiligen
Überlieferungs-Medialität Handschrift und Druck
sowie der vom Text losgelösten Autorbilder der
Frühen Neuzeit, die in verschiedenen anderen Medien
greifbar werden (Zeichnungen, Druckgraphik, Tafelbild und
Epitaph) und ihrerseits wieder auf Texte rekurrieren. In der
je verschiedenen Kombination von Text und bildlicher
Repräsentation eines Autors wird das
kultur- und situationsspezifische
(Überlieferungs-)Medium zum entscheidenden Ort, sei es
der Herausbildung von Autor-Oeuvres, die auf einer
spezifischen, eher neuzeitlich orientierten
persönlich-biographischen Autor-auctoritas
basieren, sei es – gegenläufig –
einer Separierung und Aufteilung der verschiedenen Momente
von Autorschaft auf unterschiedliche Instanzen, die als
Entautorisierung von Autorfiguren zu begreifen sind.
Die versammelten Arbeiten versuchen, sich systematisch mit
dem Status und der Funktion von Autorbildern in der
volkssprachigen Überlieferung auseinanderzusetzen. Die
gemeinsame Arbeit an den in einer Vielfalt medialer
Bezüge präsenten Figurationen von Autorschaft hat
gezeigt, daß eine zusammenhängende und
systematische Geschichte des Autorbildes nicht geschrieben
werden kann. Das Autorbild – dieser Erkenntnis
versucht der vorliegende Band Rechnung zu
tragen – ist erst im Überlieferungskontext
als solches sinnvoll erkennbar und funktional wirksam; es
fordert daher einzelne Fallstudien, die systematisch
Funktionen und Funktionalisierungen von Autorbildern im
Gefüge der verschiedenen Medien und ihrer spezifischen
Referenzen (Handschriften, Drucke, Zeichnung, Medaille,
Gemälde, Epitaph, Grabmal etc.) analysieren.
Alle hier versammelten Beiträge untersuchen das
Phänomen des Autorbildes als einen Spezialfall von
Text-Bild-Relationen an ausgewählten, besonders
nachdrücklichen Beispielen von wechselseitiger
Kommentierung, d.h. von oszillierender Transkription von
Medien. Mit diesen Fallstudien nimmt der vorliegende Band
einige wesentliche Stränge des mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Autorschaftsdiskurses auf und
versucht, ausgehend von Material und Funktion der konkreten
Buch- und Bildobjekte, Autorbilder nicht als stumme Zeugen
einer Bildgeschichte, sondern als beredte Bestandteile der
Textüberlieferung zu begreifen.
Die Autoren und ihre Beiträge:
Vorwort
Gerald Kapfhammer/Wolf-Dietrich Löhr/Barbara
Nitsche:
Einleitung
Ursula Peters:
Werkauftrag und Buchübergabe.
Textentstehungsgeschichten in Autorbildern volkssprachiger
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts
Henrike Manuwald:
Der Autor als Erzähler?
Das Bild der Ich-Figur in der Großen
Bilderhandschrift des Willehalm Wolframs von
Eschenbach
Barbara Nitsche:
Konzeptionen mehrfacher Autorschaft in altfranzösischen
und mittelhochdeutschen illuminierten
Trojaroman-Handschriften
Marion Wagner/Barbara Nitsche:
Narrativierung des Autors.
Autorfigurationen in illuminierten Handschriften und Drucken
des Buchs der Beispiele Antons von Pforr
Wolf-Dietrich Löhr:
Tätige Trägheit.
Petrarca, Bembo, Sanvito und das Buch als Denkmal des
Autors
Wolf-Dietrich Löhr:
Non per laudar me stesso.
Bernardino Corio und der Gelehrte im Gehäuse
Georg Satzinger:
Dürers Bildnisse von Willibald Pirckheimer
Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer:
Herrscherruhm und Dichterwürde.
Bilder der poetae laureati Maximilians I.
Gerald Kapfhammer:
Inszenierung von Authentizität.
Johannes Pauli und die Veröffentlichung der Predigten
Geilers von Kaysersberg
Peter Glasner:
Ein geschrift zu ewiger gedechtnis ....
Das erinnernde Ich bei Hermann von Weinsberg
(1518–1597) in der Medialität von Schrift und
Bild
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Näheres zu den Beiträgen:
Ursula Peters:
Werkauftrag und Buchübergabe.
Textentstehungsgeschichten in Autorbildern volkssprachiger
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts
Ursula Peters untersucht in Autorbildern volkssprachiger,
insbesondere romanischer Handschriften die in ihnen
figurierten Textentstehungsgeschichten. Entlang der
verschiedenen Stadien der Textgenese – von der
Stoffauffindung über die Textverfertigung bis hin zur
Übergabe des fertigen Buches an ein
Publikum – wertet sie diese Autorbilder nicht als
Indiz einer körpergebundenen, durch mündliche
Kommunikation geprägten Kultur. Die Bilder deutet sie
vielmehr als Ausweis, daß die mittelalterliche
Textproduktion in Volkssprache – wie die
lateinische Literatur – auf Schriftlichkeit
beruht, sei es in der Form von Buchgelehrsamkeit oder von
Schreib- bzw. Umschreibeprozessen.
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Henrike Manuwald:
Der Autor als Erzähler?
Das Bild der Ich-Figur in der Großen
Bilderhandschrift des Willehalm Wolframs von
Eschenbach
Im Zentrum von Henrike Manuwalds Untersuchung steht die
Frage nach der Identität und Funktion der dargestellten
Erzählerfigur in der in Fragmenten erhaltenen
Großen Bilderhandschrift des
Willehalm Wolframs von Eschenbach. Die
Erzählerfigur, die korrespondierend zu Ich-Aussagen im
Text erscheint, ist in der auctor-Funktion
konzipiert: In ihrer zentralen Mittelstellung demonstriert
sie mit ihren nach beiden Seiten weisenden Gesten bestimmte
Aspekte der Handlungsebene, stellt Sinnbezüge her und
übernimmt so eine Kommentarfunktion.
In der Gestaltung
entspricht die Figur zeitgenössischen
Wolfram-Vorstellungen. Sollte es sich bei dieser
vermittelnden Figur in den Bildern um Wolfram
– als Verkörperung der
Autorrolle – handeln, so wäre diese
Darstellung eines der frühesten erhaltenen Autorbilder
bei einem deutschen Text.
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Barbara Nitsche:
Konzeptionen mehrfacher Autorschaft in altfranzösischen
und mittelhochdeutschen illuminierten
Trojaroman-Handschriften
Wie der Beitrag von Barbara Nitsche verdeutlicht, werden die
in den volkssprachigen mittelalterlichen
Troja-Erzählungen geschilderten komplizierten
Textentstehungsgeschichten sowie die Konzeption bzw.
Suggestion mehrfacher Autorschaft und
Übersetzertätigkeit in den Handschriften auf
vielfältige Weise reflektiert.
In den
altfranzösischen und mittelhochdeutschen illuminierten
Handschriften wird der Autorschafts-Diskurs auf
unterschiedlichen Ebenen geführt: auf der Ebene des
Textes, durch paratextuelle Rubrizierungen sowie durch das
Bildprogramm. Er erschließt sich erst im Zusammenspiel
dieser unterschiedlichen medialen Register, d.h.
in der gesamten Materialität der medialen Differenzen
der jeweiligen Handschrift.
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Marion Wagner/Barbara Nitsche:
Narrativierung des Autors.
Autorfigurationen in illuminierten Handschriften und Drucken
des Buchs der Beispiele Antons von Pforr
Die Studie von Marion Wagner und Barbara Nitsche
befaßt sich mit Autorfigurationen in den illuminierten
Handschriften und Drucken des Buchs der Beispiele
Antons von Pforr, der deutschen Übersetzung eines
ursprünglich altindischen Fürstenspiegels. Im
Moment der Übertragung aus dem Lateinischen in die
Volkssprache werden Bilder zum konstitutiven Bestandteil
dieser Fabelsammlung.
Wie die Überlieferung des
Buchs der Beispiele zeigt, wird Autorschaft vor allem
dann visualisiert, wenn sie selbst schon als Teil der
Erzählung literarisch vermittelt ist, das Autorbild
also auf einen narrativ konstituierten Autor zu rekurrieren
vermag. Jenseits der Textebene ist hingegen unter
Umständen schon nach kurzer Zeit kein
Überleben mehr möglich, wie das
Verschwinden von Hinweisen auf den Autor der deutschen
Übersetzung bereits in der Frühphase der
Überlieferung zeigt.
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Wolf-Dietrich Löhr:
Tätige Trägheit.
Petrarca, Bembo, Sanvito und das Buch als Denkmal des
Autors
Mit Dante und seiner zentralen Rolle für Dichterkult
und Autorschaftsdiskurs an der Wende zur Frühen Neuzeit
setzt der Beitrag von Wolf-Dietrich Löhr ein. Anhand
des aus der Antike überlieferten, seit Petrarca neu
belebtem Topos von der Schriftkultur als einem monumentalem
Transkriptionsmedium, dem auch das Bild des Autors
unzerstörbar eingeschrieben ist, wird das
Verhältnis von Buchausstattung und sepulkraler
memoria untersucht.
Im Zentrum steht dabei der
Schreiber und Buchgestalter Bartolomeo Sanvito, aus dessen
Atelier im Kontext der paduanischen Dichter und
Antikensammler zwischen 1450 und 1500 innovative
Titelblätter hervorgehen. Diese verhandeln nicht nur
das Verhältnis der volkssprachigen Autoren zur Antike,
sondern bringen überhaupt aktuelle Konzeptionen von
Werk und Autorschaft zur Darstellung.
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Wolf-Dietrich Löhr:
Non per laudar me stesso.
Bernardino Corio und der Gelehrte im Gehäuse
Die zahlreichen Möglichkeiten der Rezeptionslenkung
durch die Einbindung des Autorbilds in die paratextuellen
Strategien des gedruckten Buches untersucht Wolf-Dietrich
Löhr am Beispiel der Patria Historia des
Mailänder Humanisten Bernardino Corio von 1503. Das
künstlerisch anspruchsvolle Holzschnittbildnis des
Historikers nimmt die in Norditalien besonders stark
ausgeprägte Tradition der studiolo-Ikonographie
auf, deren Konnotationen von asketischer Werkgenese sich mit
parallelen literarischen Anspielungen in Vorwort und
Haupttext vereinen.
Die Appellstrukturen, mit denen das Buch
Auffassung und Interpretation des Publikums
beeinflußt, nehmen den gesamten Leseprozeß in
Anspruch, um durch eine komplex verwobene Abfolge von Text-
und Bildverweisen – Epigrammen, Episteln,
Dedikationen, Motti sowie Wappen, Architekturrahmung und
Portrait – die historiographischen Kompetenzen
des Verfassers vor Augen zu führen.
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Georg Satzinger:
Dürers Bildnisse von Willibald Pirckheimer
Der Beitrag von Georg Satzinger analysiert einen intimen
Sonderfall des Autorbildes. Dürers Profilzeichnung
Willibald Pirckheimers ist nicht Vorstudie, sondern erweist
sich im Kontext anderer Portraits mit offiziellen oder
familiär-memorialen Funktionen als ein vollendetes,
wenngleich ins Private orientiertes Werk.
Sie nimmt formal
auf das noble, spezifisch humanistische Bildnismedium der
Medaille bezug und betreibt zugleich eine schonungslose
Darstellung des lächelnden Gelehrten. Indem dieser
seine Reaktion schriftlich, nämlich als typisch
humanistische, griechische Invektive von derbem Witz auf der
Zeichnung festhält, wird das graphische Portrait in
einen Dialog einbezogen, der die sprachliche Autorität
Pirckheimers ebenso unterstreicht, wie er die
künstlerische Autorschaft Dürers kommentiert und
zum Thema des Gelehrtengesprächs erhebt.
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Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer:
Herrscherruhm und Dichterwürde.
Bilder der poetae laureati Maximilians I.
Der Aufsatz von Stephanie Altrock und Gerald Kapfhammer
widmet sich den poetae laureati zur Zeit Kaiser
Maximilians I. Der im italienischen
Renaissancehumanismus beheimatete Brauch der
Dichterkrönung wurde im 15. Jahrhundert durch
Kaiser Friedrich III. auch im deutschsprachigen Raum
eingeführt. Dabei verpflichtete sich der vom Herrscher
für seine poetischen Leistungen ausgezeichnete Dichter
wiederum zum Herrscherlob.
Der Lorbeerkranz als wichtigster
Bestandteil der Auszeichnung findet sich in zahlreichen
Autorbildern wieder. Er verweist nicht nur auf das besondere
Verhältnis von Herrscher und Dichter, sondern kann als
besonderes Merkmal einer Autor-auctoritas dienen.
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Gerald Kapfhammer:
Inszenierung von Authentizität.
Johannes Pauli und die Veröffentlichung der Predigten
Geilers von Kaysersberg
An der Überlieferung der Predigten Geilers von
Kaysersberg zeigt Gerald Kapfhammer die Funktion eines
Herausgebers. Dieser war nötig geworden, da Geiler
verstorben war und selbst kaum etwas veröffentlicht
hatte.
Da sich mehrere zu dieser Aufgabe berufen
fühlten, entstand ein Streit um das richtige
Werkverständnis, der sich anhand der unterschiedlichen
Formen der Textlegitimierung in den einzelnen Drucken
nachvollziehen läßt. Besonders umfangreich sind
dabei die Strategien des Franziskaners Johannes Pauli zur
Authentisierung der von ihm veröffentlichten Werke.
Dies spiegelt sich in einem Holzschnitt wider, der in
einmaliger Weise einen Herausgeber, nämlich Johannes
Pauli, zusammen mit dem Autor Geiler zeigt. Das Bild wird
dadurch zu einem bedeutsamen Argument im Streit um den
authentischen Text.
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Peter Glasner:
Ein geschrift zu ewiger gedechtnis ....
Das erinnernde Ich bei Hermann von Weinsberg
(1518–1597) in der Medialität von Schrift und
Bild
Mit dem Boich Weinsberch und dem Gedenkboich
führt Peter Glasner eine im Anspruch ungewöhnliche
Familienchronik des 16. Jahrhunderts vor. Im
Mittelpunkt seiner Darlegungen steht der Kölner
Bürger Hermann von Weinsberg, der in dritter Generation
einer Aufsteigerfamilie versucht, seine Familiengeschichte
zu begründen und für die kommenden Generationen
festzuhalten.
Neben Aspekten der Familiengeschichte bietet
die Chronik durch die Beigabe von Bildern aus der Hand des
Autors, von denen einige Selbstbildnisse sind, einen
Einblick in die Geschichte der Individualität in der
Frühen Neuzeit. Der besondere Reiz von Boich
Weinsberch und Gedenkboich liegt in der
Möglichkeit, der Selbstbespiegelung eines Autors in
Wort und eigenen Bildern nachzugehen und dabei leitende
Vorbilder, die zur Konstruktion des eigenen Ichs
führen, aufzudecken.
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