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Kurzzusammenfassung/short summary
Inhaltsverzeichnis / table of contents
Einleitung
Schlußbetrachtung
Kurzzusammenfassung/short summary
Leon Battista Alberti (1404–72), Humanist und
Literat, war einer der Bedeutendsten Architekten der
italienischen Frührenaissance. Unbestritten ist zudem
sein Ruhm als Begründer der neuzeitlichen
Architekturlehre. Einen zentralen Stellenwert in seinem
architektonischen und architektur-theoretischen Werk nimmt
die Frage des Architekturdekors, des Bauornaments ein. Von
höchster Originalität der Erfindung und
sorgfältiger Ausführung, spiegelt es Albertis
intensives Antikenstudium, das ebenso in seinem
epochemachenden, in Anlehnung an das Vorbild Vitruvs
verfaßten Architekturtraktat seinen Niederschlag
fand.
Die vorliegende Studie unternimmt erstmals eine
systematische Analyse der spezifischen Qualitäten, die
Alberti dem Bauornament in Theorie und Praxis beimaß,
und stellt diese zugleich in den Zusammenhang der antiken
und neuzeitlichen Lehre von den Säulenordnungen.
Leon Battista Alberti (1404–72), a humanist und an
author, was one of the most important architects of the
early renaissance period in Italy. His claim to being the
founder of the modern school of architectural thought is
unchallenged. The question of architectural decoration
– building ornamentation – has a central
position in his architectural and his
architectural-theoretical work. Being of the highest
originality in the conception and of precision in the
making, it mirrors Albertis intensive study of the antique
period, which also can be found in his epoch-making treatise
on architecture, based on the Vitruvs model.
This study undertakes – for the first time –
a systematic analysis of the specific qualities which
Alberti considered – in theory and in practice –
for building ornamentation and brings these into correlation
with antique and modern schools of ordering columns.
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Inhaltsverzeichnis / table of contents
VORWORT
EINLEITUNG
ZUR ENTWICKLUNG DER SÄULENORDNUNGEN IM QUATTROCENTO
DAS DORISCHE (TUSKISCHE) UND DORISIERENDE KAPITELL
- 1 Das dorisierende Kapitell in der ersten Hälfte des Quattrocento
2 Theoretische und praktische Grundlagen in der Früh- und Hochrenaissance
3 Das dorische Kapitell in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Florenz, Palazzo Rucellai, unteres Fassadengeschoß
3.2 Die Kämpfer der Arkaden am Tempio Malatestiano in Rimini
3.3 Pienza, Palazzo Piccolomini, unteres Fassadengeschoß
3.4 Pienza, Dom, dorisierende Kapitelle der Kreuzpfeiler im Innenraum
- 4 Das dorische Kapitell in der römischen Quattrocentobaukunst
5 Zusammenfassung
DAS IONISCHE KAPITELL
- 1 Das ionische Kapitell im Quattrocento
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
3 Albertis Stellung zum ionischen Kapitell in der Baupraxis
4 Das ionische Kapitell in der römischen Quattrocentobaukunst
- 4.1 Die Kapitelle der ionischen Loggia im Cortile des Palazzetto Venezia
4.2 Die Kapitelle der Andreas-Memorie am Ponte Milvio
- 5 Zusammenfassung
DAS KORINTHISCHE KAPITELL
- 1 Voraussetzungen im frühen Quattrocento
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
3 Das korinthische Kapitell in der Baupraxis Albertis
- 3.1 Florenz, Cappella Rucellai
3.2 Florenz, S. Maria Novella, Halbsäulen am unteren Fassadengeschoß und Portalpilaster
3.3 Die korinthischen Kapitelle im Innenraum des Tempio Malatestiano in Rimini
- 4 Das korinthische Bossenkapitell
- 4.1 Florenz, Palazzo Rucellai, oberes Fassadengeschoß
4.2 Pienza, Palazzo Piccolomini, oberes Fassadengeschoß
4.3 Florenz, Loggia Rucellai
- 5 Zusammenfassung
DAS KOMPOSITKAPITELL
- 1 Das Kompositkapitell in der Baupraxis Michelozzos und Rossellinos
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
3 Das Kompositkapitell in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Ferrara, Arco del Cavallo
3.2 Die Kapitelle des Tabernakels von SS. Annunziata in Florenz
3.3 Ferrara, Borso-Monument
3.4 Ferrara, Domcampanile
3.5 Florenz, Palazzo Rucellai, Androne
3.6 Florenz, Palazzo Rucellai, Hof
3.7 Rimini, Tempio Malatestiano, Innenraum
- 4 Das Kompositkapitell in der römischen Quattrocentobaukunst
- 4.1 Die kompositen Vollblattkapitelle im unteren Geschoß der Vorhalle von S. Marco
4.2 Das Kompositkapitell toskanischer Herkunft im Palazzo Venezia
- 5 Zusammenfassung
DAS KANNELURENKOMPOSITKAPITELL
- 1 Herkunft des Typus
2 Das Kannelurenkompositkapitell im Umkreis Albertis
- 2.1 Florenz, S. Miniato, Cappella del Crocifisso
2.2 Florenz, S. Croce, Spinelli-Kreuzgang und Palazzo Rucellai, Androne
2.3 Pienza, Palazzo Piccolomini
2.4 Pienza, Domfassade
2.5 Rimini, Tempio Malatestiano, Kapellenschranken
2.6 Florenz, S. Maria Novella, Kapitelle der Kantenpilaster
2.7 Ferrara, Domcampanile, Kapitelle der Kantenpilaster
2.8 Mantua, S. Sebastiano, Pilasterkapitelle der Fassade
- 3 Zusammenfassung
DAS KELCHVOLUTEN- UND KELCHPALMETTEN-KAPITELL
- 1 Das Kelchvolutenkapitell in der ersten Hälfte des Quattrocento
2 Albertis Stellung zu den kompositen Mischformen in Theorie und Praxis
3 Das Kelchvoluten- und Kelchpalmettenkapitell in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Florenz, Cappella Rucellai, Heiliges Grab
3.2 Reflexe der Kelchvolutenkapitelle des Heiligen Grabes im Palazzo Rucellai
3.3 Die Kelchvolutenkapitelle im Androne des Palazzo Rucellai
3.4 Die Kelchpalmettenkapitelle in der Apsis von S. Martino a Gangalandi
- 4 Das Kelchvolutenkapitell mit tiefliegendem Eierstab
- 4.1 Die Kapitelle des Hadriansmausoleums und ihre Reflexe in der Frührenaissance
4.2 Das Kelchvolutenkapitell mit tiefliegendem Eierstab im Werk Albertis
4.3 Pienza, Palazzo Piccolomini, Piano Nobile
- 5 Varianten des Kapitells mit S-Voluten in Pienza und Rom
- 5.1 Pienza, Palazzo Piccolomini, Gartenloggia
5.2 Rom, Kelchvolutenkapitelle im Komplex von S. Marco
- 6 Mantua, S. Andrea, Vorhalle
7 Zusammenfassung
DAS KOMPOSITE FASSADENKAPITELL DES TEMPIO MALATESTIANO
- 1 Beschreibung und Analyse
2 Die Reflexe des Fassadenkapitells im Innenraum des Tempio Malatestiano
3 Zusammenfassung
DIE BASIS
- 1 Die attische Basis in der ersten Hälfte des Quattrocento
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
- 2.1 Die dorische (attische) Basis
2.2 Die ionische Basis
2.3 Die Basis des Hadriansmausoleums
- 3 Die Basis in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Ferrara, Arco del Cavallo
3.2 Rimini, Tempio Malatestiano
3.3 Florenz, S. Maria Novella
3.4 Florenz, Palazzo Rucellai, Fassade
3.5 Pienza, Fassade des Palazzo Piccolomini und Dom
3.6 Florenz, Loggia Rucellai
3.7 Florenz, Cappella Rucellai, Sepolcro und S. Martino a Gangalandi
- 4 Schmuckbasen und ihre antiken Vorbilder
5 Zusammenfassung
DAS PIEDESTAL
- 1 Definition und Lokalisierung
2 Piedestalformen im Quattrocento
3 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
4 Das Piedestal in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 4.1 Florenz, Palazzo Rucellai
4.2 Florenz, S. Maria Novella
4.3 Rimini, Tempio Malatestiano
4.4 Der Dom von Pienza und S. Andrea in Mantua
- 5 Das Piedestal im römischen Quattrocento
6 Zusammenfassung
SÄULEN- UND PILASTERSCHAFT
- 1 Allgemeine Vorbemerkung
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
3 Der Säulen- und Pilasterschaft in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Der verzierte Säulen- und Pilasterschaft der Florentiner Frührenaissance
3.2 Ferrara, Arco del Cavallo, Borso-Säule und Domcampanile
3.3 Florenz, Palazzo Rucellai und Pienza, Palazzo Piccolomini
3.4 Rimini, Tempio Malatestiano, Fassade
3.5 Florenz, Cappella Rucellai und Sepolcro
3.6 Florenz, S. Maria Novella
3.7 S. Sebastiano und S. Andrea in Mantua
- 4 Zusammenfassung
DAS GEBÄLK
- 1 Der Gebälkgurt – ein Florentiner Motiv
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
- 2.1 Die dorische Ordnung
2.2 Die ionische Ordnung
2.3 Die korinthische Ordnung
- 3 Das Gebälk in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Ferrara, Arco del Cavallo und Borso-Monument
3.2 Die Grabmäler Bruni und Marsuppini in S. Croce
3.3 Die Gebälke der Fassaden des Tempio Malatestiano und des Palazzo Rucella
3.4 Das Gebälk im Innenraum des Tempio Malatestiano
3.5 Der Gebälkgurt der Cappella Rucellai
3.6 Das Gebälk des Heiligen Grabes in der Cappella Rucellai
3.7 Die Gebälke der Fassade von S. Maria Novella
3.8 Gebälk und Archivolten der Loggia Rucellai
- 4 Gebälke an den Bauten Rossellinos in Pienza
- 4.1 Die Gebälke des Palazzo Piccolomini
4.2 Die Gebälke des Domes
- 5 Gebälke der römischen Frührenaissance
6 Konsolengeisa und Konsolengebälke
- 6.1 Vorbemerkung
6.2 Das Konsolengeison des Palazzo Medici in Florenz
6.3 Florenz, Palazzo Rucellai
6.4 Der Palazzo Piccolomini und die Domfassade in Pienza
6.5 Die Hofloggien des Palazzo und Palazzetto Venezia in Rom
6.6 Florenz, S. Maria Novella, Giebel
- 7 Zusammenfassung
FRIESDEKOR UND VERWANDTES
- 1 Der Fries und sein Schmuck in der ersten Hälfte des Quattrocento
2 Theoretische Grundlagen bei Alberti
3 Friesdekor in der Baupraxis Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Die Grabmäler Bruni und Marsuppini in S. Croce
3.2 Der Rankendekor an der Fassade des Tempio Malatestiano in Rimini
3.3 Die Emblemfriese des Palazzo und der Loggia Rucellai in Florenz
3.4 Die Emblemfriese von S. Maria Novella in Florenz
3.5 Die Lilienbekrönung des Heiligen Grabes in der Cappella Rucellai
3.6 Der Inschriftenfries an der Fassade des Tempio Malatestiano in Rimin
3.7 Der Inschriftenfries des Heiligen Grabes in der Cappella Rucellai
3.8 Der Inschriftenfries an der Fassade von S. Maria Novella in Florenz
3.9 Der Inschriftenfries in der Apsis von S. Martino a Gangalandi
- 4 Zusammenfassung
DAS PORTAL
- 1 Das Portal in der Sakral- und Profanarchitektur der ersten Quattrocentohälfte
2 Theoretische Grundlagen bei Vitruv und Alberti
3 Das Portal an den Kirchenfassaden Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Rimini, Tempio Malatestiano
3.2 Portale der am Tempio Malatestiano tätigen Bauführer
3.3 Florenz, S. Maria Novella
3.4 Die Portale des Domes von Pienza
3.5 Mantua, S. Sebastiano, Vorhalle
3.6 Mantua, S. Andrea, Vorhalle
- 4 Das Portal an den Profanbauten Albertis und seines Umkreises
- 4.1 Florenz, Palazzo Rucellai
4.2 Die Portale des Palazzo Piccolomini und des Palazzo Vescovile in Pienza
4.3 Das Ost- und Nordportal des Palazzo Venezia in Rom
4.4 Revere, Palazzo Ducale
4.5 Tarquinia, Palazzo Vitelleschi
- 5 Zusammenfassung
DAS FENSTER
- 1 Vorbedingungen in der Florentiner Architektur des 14. und 15. Jahrhunderts
2 Das Fenster in der Sakralarchitektur Albertis und seines Umkreises
- 2.1 Theoretische Voraussetzungen bei Alberti
2.2 Florenz, Cappella Rucellai
2.3 Pienza, Dom
- 3 Das Fenster in der Profanarchitektur Albertis und seines Umkreises
- 3.1 Theoretische Voraussetzungen bei Vitruv und Alberti
3.2 Die Fenster des Palazzo Medici in Florenz und die mittelalterliche Tradition
3.3 Die Fassade des Palazzo Rucellai in Florenz
3.4 Die Fenster des Palazzo Piccolomini in Pienza und verwandte Formen
3.5 Römische Fenstertypen
- 4 Zusammenfassung
SCHLUSSBETRACHTUNG
Literatur
Abbildungsnachweis
Personenregister
Ortsregister
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EINLEITUNG
(Ohne Anmerkungen)
Im Mittelpunkt der vorliegenden formgeschichtlichen
Untersuchung steht das im architektonischen Oeuvre Leon
Battista Albertis zur Ausführung gelangte Bauornament,
das sowohl unter architektur- und ornamentgeschichtlichen
Gesichtspunkten als auch in seinem spezifischen Zusammenhang
mit Albertis großem architekturtheoretischen Werk De
re aedificatoria betrachtet wird. Umfassende
Detailrecherchen fehlen bislang nicht allein für die
Architektur der Frührenaissance, sondern sind auch
für die Baukunst des Cinquecento nach wie vor ein
Desiderat. Schlüsselpositionen auf diesem Gebiet nehmen
die Dissertation von Howard Saalman zu den Kapitellen
Brunelleschis und Martin Gosebruchs umfangreicher Aufsatz
»Florentinische Kapitelle von Brunelleschi bis zum
Tempio Malatestiano und der Eigenstil der
Frührenaissance« ein. Gosebruch befaßte
sich erstmals eingehend mit dem Kapitell bei Alberti. Wie
der Titel antizipiert, liegt das Verdienst dieser allgemein
zu wenig beachteten Arbeit in einer Betrachtung der Baukunst
Albertis im stilistischen Kontext der Florentiner
Frührenaissance. Die Stellung des Bauornamentes bei
Alberti fand jedoch auch daraufhin bis in die neueste Zeit
nur geringes Interesse, was im Hinblick auf seine intensive
Auseinandersetzung mit dem Ornament im Architekturtraktat
erstaunen mag. Ausnahmen bilden die Publikationen von Brenda
Preyer und Charles Randall Mack, die das Bauornament zwar in
ihre Analysen miteinbeziehen, ihm jedoch einen
vergleichsweise geringen Raum zuerkennen.
Die Hauptursache für die Vernachlässigung der
Bauzier liegt in der Tatsache begründet, daß
Alberti nie als ausführender, sondern stets als
entwerfender Architekt betrachtet wurde, daß er sich
also nicht, wie man es von Brunelleschi, Michelozzo oder
Bernardo Rossellino vermutete, als Bildhauer direkt mit der
Produktion der Bauornamentik befaßte. Sicher bestand
auch die Aufgabe der genannten Meister nicht in der
handwerklichen Mitarbeit, sondern beschränkte sich auf
die Anfertigung von Plänen, Zeichnungen und Modellen
und die Kontrolle des Baufortganges. Die Anfertigung von
Bauzier lag in den Händen von Steinmetzen,
scarpellatori, scarpellini oder lastraiuoli genannt. Eine
solche Spezialisierung auf die Herstellung von Bauornamentik
läßt sich beispielsweise für Albertis
Bauleiter der Fassadenneugestaltung von S. Maria
Novella, Giovanni di Bertino, und für die an der
Ausführung von S. Lorenzo beteiligten
scarpellatori nachweisen, welche man heute unter dem Begriff
der brunelleschiani zusammenzufassen pflegt.
Die Ansicht, die Gestaltung des Architekturdetails sei
den Bauleitern Albertis – Bernardo Rossellino,
Giovanni di Bertino, Matteo de' Pasti und Luca
Fancelli – überlassen worden, führte
dazu, die Architekturornamentik weit von Albertis
Einflußbereich abzurücken. Ludwig Heinrich
Heydenreichs vielzitierte Worte, die er gelegentlich der
Behandlung der Cappella Rucellai von S. Pancrazio
äußerte, sind symptomatisch für diese
Haltung: »Wir müssen den Begriff der
künstlerischen Autorschaft wie den des Individualstils
im Hinblick auf Leone Battista Alberti grundsätzlich
anders fassen als etwa bei Meistern wie Brunelleschi,
Michelozzo oder Giuliano da Sangallo, deren Bauten immer
eine gleichsam »manuelle Signatur« besitzen, die
sich aus dem praktischen Mitschaffen des Architekten
erklärt. Dieses Signet der
»Eigenhändigkeit« dürfen wir bei
Alberti's Werken niemals erwarten.« Martin Gosebruchs
Bemerkung – beiläufig in einer Fußnote
des Kapitellaufsatzes erwähnt –, die
handwerkliche Qualität der Rucellai-Fassade könne
nicht nur durch die Bauleitung Bernardo Rossellinos
erklärt werden – eine vorsichtige Vermutung
also, Alberti habe auf die Ausführung Einfluß
genommen – fand dagegen in der Literatur kaum
Beachtung. In eine ähnliche Richtung zielte Paatz,
indem er »die trockene Ausführung der Details,
vor allem des Laubwerks der Kapitelle« in der
Rucellai-Kapelle mit dem größeren bildhauerischen
Reichtum der Palastfassade verglich und letzteren einem
stärkeren Einfluß Albertis zuschrieb. Ebenso hob
Brenda Preyer im gleichen Zusammenhang die besondere
Qualität der Ornamentik als Zuschreibungskriterium
hervor. Und auch Paul von Naredi-Rainer knüpfte an
diesen Gedanken an; indes geht seine Behauptung zu weit,
daß gewisse Details der Bauten Albertis, wie z.B. die
Basen, »eine nahezu millimetergenaue Übersetzung
von Albertis Beschreibung« im Architekturtraktat
seien, wohingegen in anderen Fällen starke Abweichungen
konstatiert werden könnten. Abgesehen davon, daß
letztere Fälle überwiegen, scheint es Alberti an
seinen Bauten, wie zu zeigen sein wird, gerade nicht um eine
wörtliche Umsetzung des im Traktat
Geäußerten gegangen zu sein. Dies vorauszusetzen,
hieße, ihn mit den Maßstäben unserer Zeit
zu messen.
Eine Beurteilung der Architekturornamentik im Werk
Albertis ist eng verknüpft mit der Schwierigkeit,
seinen Stil zu definieren. Preyer erklärte das durch
die Vielfalt seiner Werke. Diese Vielfalt ist mitbedingt
durch die wechselnden Bauführer, die für Alberti
vor Ort den Fortgang der Arbeiten überwachten. So
schränkte Erich Hubala aufgrund der Unterschiede
zwischen den Mantuaner Bauten und seinem übrigen Oeuvre
Albertis dessen Anteil auf die Gesamtkonzeption der Fassade
von S. Andrea ein und sprach ihm eine
Einflußnahme auf die Gestaltung der Ornamentik
gänzlich ab.
Die Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit soll anhand
folgender, im weiteren noch zu klärender Fragen
präzisiert werden:
1. Gibt es bereits vor Albertis Erstlingswerk, dem Tempio
Malatestiano, Reflexe seiner Architekturtheorie in der
Baukunst? Um diese Frage beantworten zu können,
müssen auch Werke anderer nach Brunelleschi
tätiger Baumeister und Bildhauer des Quattrocento
beleuchtet werden.
2. Welche Stellung nehmen die Bauten Albertis innerhalb
der Architektur seiner Zeit ein? Inwiefern unterscheidet er
sich als »Theoretiker« von seinen
Zeitgenossen?
3. Gibt es Merkmale, durch die sich sein Einfluß
auf das Bauornament nachweisen läßt? Der
Architekturtraktat, insbesondere die
Bücher VI–VIII, sind dabei zu Rate zu
ziehen. In diesem Zusammenhang muß die oben
angesprochene These Heydenreichs zur Diskussion gestellt
werden. Die Qualität und der Erfindungsgeist im Entwurf
sind als Zuschreibungskriterien herauszukristallisieren.
4. Wie kann Albertis Haltung zur antiken Architektur und
Architekturtheorie definiert werden? In welcher Weise
verändert sich durch ihn das Verhältnis der
Frührenaissancearchitektur zur Antike? Themen, Typen
und Einzelmotive einerseits und strukturelle
Veränderungen andererseits sind zu beachten.
5. Gleichzeitig muß das Verhältnis zwischen
Albertis eigenem theoretischen und praktischen Werk erneut
einer Prüfung unterzogen werden. Wo gibt es Parallelen,
wo Divergenzen? Dabei sollen nicht nur gemeinsame Motive und
Architekturthemen gesucht werden. Vielmehr ist der Umgang
mit der Antike – in der Theorie mit dem Traktat
Vitruvs, in der Praxis mit den römischen Bauwerken und
ihrem Ornament – zu prüfen und den eigenen
theoretischen Formulierungen und dem eigenen praktischen
Vorgehen gegenüberzustellen.
In Zielsetzung und Methode knüpft diese Arbeit an
jene Untersuchungen an, die in neuerer Zeit der Ornament-
bzw. Kapitellforschung im Bereich der italienischen
Frührenaissancearchitektur entscheidende Impulse
gegeben haben. Es sind dies vor allem die schon
erwähnten Arbeiten von Martin Gosebruch und Howard
Saalman. Letzterer faßte seine Ergebnisse mit den
Worten zusammen: »Striking illustrations of stylistic
consistency between larger design and detail ornament,
Brunelleschi's capitals reflect his total architectural
conception during every stage of his development.«
Damit ist der wichtigste Aspekt seiner Analysen getroffen:
die Entdeckung gleicher Strukturprinzipien im Detail und in
der Gesamtgestalt eines Bauwerkes. Übertragen auf das
Thema der Architekturornamentik Albertis, lautet die
Aufgabe, die Strukturprinzipien seiner Bauten und seines
Architekturtraktats im kleinen wie im großen zu
erfassen, um das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis
neu zu beleuchten und weitere Erkenntnisse über
Planungs- und Bauvorgänge zu gewinnen. Gleichzeitig
sollen seine Aussagen zu den Säulenordnungen und zum
Baudetail untersucht und ihr Verhältnis zu den
ausgeführten Bauten herausgearbeitet werden.
Gerade im Zusammenhang mit Albertis Werk erhält die
Methode der Detailanalyse ihre Legitimation,
berücksichtigt er doch bei seinen theoretischen
Ausführungen die antike Architektur bis in ihre
Einzelheiten, ja gerade das Detail hat für ihn
größte Bedeutung. Es ist daher sinnvoll, die ihm
zugeschriebenen Bauten unter den im Traktat vorgegebenen
Gesichtspunkten zu betrachten. Seine Auffassung von der
Säule als ornamentum, seine Vorstellung von den
Ordnungen im einzelnen wird daher die Gliederung der
vorliegenden Arbeit bestimmen.
Die Grundlage für die hier angewandte Systematik
bildet demnach Albertis 7. Buch des
Architekturtraktats. Die Bauzier wird in Säule und
Gebälk und diese Elemente wiederum in Kapitell, Schaft,
Basis und Postament sowie Gebälk und Friesdekor
gegliedert. Dieses Verfahren bringt den Nachteil mit sich,
daß die Bauten im Detail betrachtet und entgegen ihrer
chronologischen Abfolge behandelt werden müssen und
daß auch ihr Ornament nur im Ausschnitt analysiert
wird, kurzum daß Zusammengehöriges
auseinandergenommen und wieder zusammengefügt wird. Den
Blick auf das Ganze nicht zu verlieren, ist daher geboten.
Einerseits genügt es nicht mehr, an Albertis Bauten das
Kapitell als stellvertretend für die Säule zu
betrachten, andererseits verbietet sich eine Systematik der
Ordnungen, da diese in Albertis Theorie nur ansatzweise, in
der Praxis noch gar nicht vorhanden sind. Alberti nimmt in
dieser Hinsicht eine vermittelnde Stellung zwischen der
ersten Quattrocentohälfte und dem Cinquecento ein.
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SCHLUSSBETRACHTUNG
(Ohne Anmerkungen)
Der Grad der Einflußnahme Leon Battista Albertis
auf die ihm zugeschriebenen Bauten und auf ihr Baudetail
kann durch die Einzeluntersuchungen der Ornamentformen
präzisiert werden. War früher Albertis Einwirken
auf den Architekturdekor grundsätzlich in Frage
gestellt oder wenig berücksichtigt worden, so muß
heute diesbezüglich zwischen seinen Projekten
stärker differenziert werden. Die Beurteilung der
Bauten und ihrer Zierformen wird durch die Tatsache
erschwert, daß nur in drei Fällen, für die
Malatesta-Kirche in Rimini sowie für S. Sebastiano
und S. Andrea in Mantua, seine Planung durch Quellen
belegt ist und darüber hinaus allein vom Tempio
Malatestiano der Entwurf eines Kapitells von ihm
überliefert ist. Es muß jedoch davon ausgegangen
werden, daß die Vorgehensweise, einen Bau zu planen
und zur Ausführung zu bringen, bei seinen übrigen
Projekten nicht grundlegend von den genannten Unternehmungen
abwich.
Für die Annahme, daß in Fragen des Baudekors
genaue Vorschriften von Albertis Seite existierten, welche
die Bauführer umzusetzen hatten, sprechen zudem seine
Bemerkungen im Architekturtraktat über Modelle (moduli)
und Vorzeichnungen (perscriptione modo et pictura):
- Iccirco vetus optime aedificantium mos mihi quidem
semper probabitur, ut non perscriptione modo et pictura,
verum etiam modulis exemplariisque factis asserula seu
quavis re universum opus et singulae cunctarum partium
dimensiones de consilio instructissimorum iterum atque
iterum pensitemus atque examinentur, priusquam quid aliud
aggrediare, quod impensam aut curam exigat.
Und weiter unten führt er aus, wie man sich diese
Modelle vorzustellen habe; vor allem sollten sie von
einfacher Gestalt sein:
- Quare modulos velim dari non exacto artificio perfinitos
tersos illustratos, sed nudos et simplices, in quibus
inventoris ingenium, non fabri manum probes.
Desweiteren schlägt er vor, sie zu kopieren, um sie
verschiedenen Fachleuten zukommen zu lassen: »Totam
rem et ipse tec[t]um« pensites et una peritos
consulas, exemplaribus ad modulos diductis.
Die Auseinandersetzung mit Fachleuten (periti) nahm
für ihn als Dilettanten – und dieses
Prädikat ist hier im genauen, d.h. positiven Wortsinn
zu verstehen – eine vorrangige Bedeutung im
Bauprozeß ein. Der den Tempio Malatestiano betreffende
Briefwechsel zeigt anschaulich, wie Alberti in der Praxis
verfuhr. Er gab von Rom aus genaue Anweisungen und rief die
Bauführer zu sich, wenn schwerwiegendere Probleme
auftraten, um diese mit ihnen zu diskutieren.
Im Prolog der »Zehn Bücher über die
Baukunst« zeichnet er eingangs das Bild eines
Architekten, das nicht der Vorstellung um die Mitte des
Quattrocento entsprach:
- Non enim tignarium adducam fabrum, quem tu summis
caeterarum disciplinarum viris compares: fabri enim manus
architecto pro instrumento est. Architectum ego hunc fore
constituam, qui certa admirabilique ratione et via tum mente
animoque diffinire tum et opere absolvere didicerit,
quaecunque ex ponderum motu corporumque compactione et
coagmentatione dignissimis hominum usibus bellissime
commodentur. Quae ut possit, comprehensione et cognitione
opus est rerum optimarum et dignissimarum. Itaque huiusmodi
erit architectus.
Alberti geht hierbei von seiner eigenen Erfahrung aus.
Die Auffassung von der Zusammenarbeit des Architekten, der
den Plan entwirft, mit dem Handwerker (faber)
– gemeint ist der scarpellino oder
marmorario –, der denselben durch seine
praktische Arbeit zur Ausführung bringt, entsprach
seiner Methode. Als Vermittler muß man sich im
Baubetrieb der von Alberti geleiteten Projekte darüber
hinaus die maestri di scharpello – oder seltener
einfache scarpellini – wie Bernardo Rossellino,
Matteo de' Pasti, Matteo Nuti, Giovanni di Bertino und Luca
Fancelli vorstellen, jene Bildhauer, die zugleich Baumeister
waren und eigenständig Projekte durchführten. Im
Quattrocento war es die Regel, daß Architekten als
Bildhauer begannen, wie z.B. Brunelleschi, Michelozzo und
Rossellino, oder zuerst als Maler tätig waren, wie
später noch Bramante. Von diesen unterschied sich
Alberti durch seine Herkunft und die ihm ermöglichte
Ausbildung. Als Gelehrter nahm er daher seinen Auftraggebern
gegenüber eine besondere, nahezu gleichberechtigte
Stellung ein. Seine Arbeitsweise, der Entwurf und die
Planung von Bauten, werden sich jedoch in der Praxis nicht
grundsätzlich von der Brunelleschis oder anderer
Architekten der Zeit unterschieden haben, wohl aber die
theoretische Auseinandersetzung mit den gestellten Aufgaben,
wie aus der Diskussion im Briefwechsel um S. Francesco
in Rimini zu erschließen ist. Und dieses
Zusammenwirken von Theorie und Praxis unterstreicht auch
Vasari mehrmals, wobei er allerdings Albertis theoretische
Arbeiten höher einschätzt als die von ihm
geleiteten Bauprojekte, die er mitunter sogar
ausdrücklich tadelt:
- Lasciò i suoi libri scritti di maniera, che per
non essere stato fra gli artefici moderni chi le abbia
saputo distendere con la scrittura, ancorchè infiniti
ne siano stati più eccellenti di lui nella pratica,
e'si crede comunemente (tanta forza hanno gli scritti suoi
nelle penne e nelle lingue de'dotti) che egli abbia avanzato
tutti coloro che hanno avanzato lui con l'operare.
Albertis herausragender Status im Kreise der toskanischen
Künstler bedingte auch, daß man ihm besondere
Bauaufgaben übertrug. Nicht allein seine
persönliche Vorliebe für die Fassade
begründet seine Beschäftigung mit diesem Thema.
Vielmehr war für die jeweiligen Auftraggeber von
Bedeutung, einen angesehenen Architekturtheoretiker und
ausgewiesenen Antikenkenner mit der Planung der
repräsentativen Partien eines Baues zu betrauen. So
kann etwa die Rucellai-Kapelle die Annahme bestätigen,
daß er sich speziell mit der im Zentrum stehenden
Bauaufgabe beschäftigte. Dort ist das Heilige Grab der
Mittelpunkt; sein Gehäuse hingegen, der zur Zeit der
Errichtung des Sepolcro schon existente Kapellenraum, hatte
demgegenüber eine untergeordnete Bedeutung, weshalb er
– vermutlich nach der Festlegung des
Grundkonzeptes durch Alberti – von einer
florentinischen Bauhütte ausgeführt wurde.
Es fällt auf, daß man Alberti häufig
unfertig liegengebliebene Projekte zur Vollendung bzw.
Umgestaltung überließ, daß man
offensichtlich sein Einfühlungsvermögen in bereits
Vorhandenes besonders schätzte, jene Haltung also, die
sich im 3. Buch des Architekturtraktates
ausdrückt:
- Et interea dedecet profecto non parcere veterum
laboribus et consulere civium commodis his, quae assuetis
maiorum suorum laribus capiant; quando et perdere et
prosternere et funditus convellere quaeque ubique sunt, ex
arbitrio semper relictum sit. Itaque pristina velim serves
integra, quoad nova illis non demollitis attolli nequeant.
Bei der Ummantelung der mittelalterlichen Klosterkirche
S. Francesco in Rimini, bei welcher der alte Bau fast
gänzlich erhalten blieb, bei der Gestaltung der
Palastfassade der Rucellai, die eine inhomogene
Häuserreihe zu einer Einheit zusammenfaßte und
ihr ein repräsentatives Äußeres verlieh, und
bei dem Umbau der Schauseite von S. Maria Novella, bei
der er auf den mittelalterlichen Inkrustationsdekor Bezug
nahm, stellte er diese Fähigkeit eindrucksvoll unter
Beweis.
Nicht zuletzt Albertis intensive Auseinandersetzung mit
dem Schmuck der Sakral- und Profanbauten im 6. und
7. Buch von »De re aedificatoria«, die in
erster Linie von der Säule als dem ornamentum der
Architektur handeln, spricht dafür, daß er seinen
eigenen Bauvorhaben eine umfassende und detaillierte
Vorbereitung zukommen ließ. Wenn auch aus diesen
theoretischen Äußerungen eine Planung des Details
in der Praxis gefolgert werden muß, so werfen die
Bauten an sich aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit Probleme in
der Bewertung und Zuschreibung auf. Zudem bildet das
Architekturdetail der Alberti zugewiesenen Bauten keine
homogene Gruppe. Die bis zu einem gewissen Grade von den
Bauführern und Steinmetzen abhängigen
Qualitätsunterschiede betreffen in der Regel nur die
Ausführung und sind von sekundärem Belang. Wichtig
sind in erster Linie der Entwurf, die Originalität der
Idee, die Charakteristika der Komposition und die
Maßverhältnisse, die Beziehung zu antiken
Vorbildern und deren Verarbeitung, durch die sich die
Formerfindungen Albertis von denen seines Umkreises
differenzieren lassen. Für Albertis Architekturglieder
ist die stets einheitliche und klare Komposition
bezeichnend, die den oft reich dekorierten
Binnenflächen der Wandintervalle eine feste Rahmung
geben. Spannungsreich organisiert und dabei maßvoll
gestaltet sind auch die Detailformen.
Daß sich auch die scarpellini mit den Ideen
Albertis befaßten, daß er sie bei ihren
Entwürfen in bestimmten Fragen beriet, nicht zuletzt um
diese auf seine eigenen Kompositionen abzustimmen, geht aus
der Rezeption gewisser für ihn charakteristischer
Motive, wie z.B. des Zwei-Faszien-Architravs, hervor. Dies
ist sowohl in der Cappella Rucellai als auch im Innenraum
des Tempio Malatestiano zu beobachten. In beiden Bauten ist
die Formensprache des von den Bauführern geplanten
Gliederungssystems und Dekors eine von Albertis Stil
deutlich verschiedene. In der Cappella Rucellai ist das
Kompositionsprinzip der membre e ossa und die konsequente
Verwendung des korinthischen Kapitells noch Brunelleschi
verpflichtet, während das schwere Gebälk bereits
eine Auseinandersetzung mit der antiken Architektur
verrät. Analog ist im Innenraum des Tempio Malatestiano
das kleinteilige und vielgestaltige Gliederungssystem ein
Werk der zuständigen Bauführer, wohingegen die
Verwendung antiker Steinsorten und die römische
Vorbilder voraussetzende Komposition der Kapitelle den
mittelbaren Einfluß Albertis erkennen lassen.
Während Alberti im Architekturtraktat bereits
ansatzweise zu einer Vorstellung von der Säulenordnung
gelangte, war das Ornament seiner Bauten noch dem Stil des
15. Jahrhunderts verpflichtet. Über einem
Einheitsschaft einer Säule oder eines Pilasters
variiert allein das Kapitell, welches von einem
Gebälkgurt überfangen wird. Auch letzterer wird
noch nicht auf die Ordnung des Kapitells abgestimmt. An
Kapitelltypen bevorzugte Alberti schmuckvolle Mischformen,
obwohl er in der antiken römischen Architektur auch die
Dorica, Ionica und Corinthia studiert hatte. Albertis
Vorliebe für komposite Formen half bei der
Überwindung der Vorherrschaft von Brunelleschis
korinthischer Säule. In manchem Detail jedoch blieb er
jenem verpflichtet. Ein Vergleich mit den im
Architekturtraktat dargestellten antiken Vorbildern erweist,
daß es Alberti nie um ein Kopieren der Prototypen
ging. Stets modifizierte er sie dem Gesamtkonzept seines
Entwurfes entsprechend. Zu Beginn des 3. Buches seines
Architekturtraktats betont er die Bedeutung der Einheit
eines Baues, die Wichtigkeit des Zusammenstimmens aller
Teile (integra counitaque constructio) und der
Herausarbeitung von Schwerpunkten (primariae partes)
innerhalb einer Komposition:
- Omnis astruendi operis ratio hac una in re versatur
atque consumitur, ut pluribus ordine congestis et arte
compactis rebus, seu sint illi quidem quadrati lapides seu
cementa seu materia seu quid aliud vis, solida ex eis et,
quoad eius fieri possit, integra unitaque constructio
perducatur. Integra counitaque ea dicentur, quorum partes a
partibus neque resectae neque disiunctae neque non suis
insitae locis sint, sed toto linearum tractu cohereant atque
consequantur.
- In structura igitur considerasse oportet, quaenam in ea
primariae sint partes et quae partium lineae atque ordines.
Trotz der verbreiteten Annahme, im Detail seiner Bauten
werde Albertis Eigenstil nicht offenbar, muß auf
Qualitätsunterschiede zwischen seinen Architekturen und
denen seiner Bauführer hingewiesen werden, die
über die handwerkliche Ausarbeitung hinausgehen und die
Formerfindung, Proportion und Linienführung betreffen.
Spätestens der Vergleich zweier Fassaden, des Palazzo
Rucellai in Florenz und des Palazzo Piccolomini in Pienza
– er ergab einen offensichtlichen Rangunterschied
in der Gesamtdisposition wie auch im Detail und
bestärkte Zweifel an der häufig postulierten
Zuschreibung der Ornamentgestaltung beider Werke an
Rossellino –, muß der Betitelung Albertis
als »architect without architecture« den Boden
entziehen.
Demnach sind im Oeuvre Albertis und in seinem Umkreis
verschiedene Kategorien von Bauten zu unterscheiden: Es gibt
Werke im Zentrum und an der Peripherie seines
Wirkungsbereiches. Zur ersten Gruppe sind der Mantelbau des
Tempio Malatestiano, die Fassade des Palazzo Rucellai und
das Heilige Grab von S. Pancrazio zu zählen.
Für die Authentizität ihrer Zierformen gibt es
sichere Anhaltspunkte und sie setzen die Maßstäbe
zur Einordnung aller weiteren Werke. Daneben gibt es
Beispiele, deren Position in Albertis Schaffen schwerer zu
orten ist. Dazu gehören die Fassaden von S. Maria
Novella in Florenz und von S. Sebastiano in Mantua.
Während in beiden Fällen der Gesamtentwurf
unbestritten Alberti zugeschrieben werden muß und auch
das Baudetail die kompositionellen Eigenarten seines Stiles
aufweist, wurde auf die Ausführung nicht die gleiche
Sorgfalt verwandt, wie sie den erstgenannten Projekten
zugekommen war. Eine dritte Gruppe bilden die Werke, welche
allgemein mit Alberti in Verbindung gebracht werden, die
sich bei näherer Betrachtung allerdings als von seinen
Bauführern in eigener Regie und unter Verarbeitung
seines Motivrepertoires realisiert erweisen. Es handelt sich
dabei um den Rucellai-Palast im Inneren, die Ausstattung des
Schiffes und der Kapellen im Tempio Malatestiano, den
Innenraum der Cappella Rucellai und die Loggia Rucellai.
Zitieren diese zwar vereinzelt Motive der Architektur
Albertis, so zeigen sie sich insgesamt der Formensprache
ihrer nächsten Umgebung verpflichtet. In Rimini
bedeutet dies eine Abhängigkeit von Venedig, in Florenz
eine Prägung durch das Architektursystem Brunelleschis,
das bis gegen Ende des Quattrocento den florentinischen
Baustil bestimmte. Die Auseinandersetzung mit Alberti kann
auch an der Bildhauerarchitektur um 1450 festgestellt
werden, doch handelt es sich dort um erste Auswirkungen
seiner im Architekturtraktat niedergelegten Antikenstudien.
Eine Ausnahmestellung nehmen zwei Werke ein, welche die
zeitlichen Randpunkte seines Schaffens markieren: der Arco
del Cavallo in Ferrara, ein wegen seiner partiellen
Erneuerungen schwer zu beurteilendes Werk, das alle
Charakteristika der Florentiner Bildhauerarchitektur des
vierten Jahrzehnts aufweist und dessen Detailformen einen
Einfluß Albertis vermuten lassen, und die Fassade von
S. Andrea in Mantua, die zwar erst nach seinem Tod zur
Ausführung gelangte, die jedoch alle Kennzeichen seines
Spätstiles besitzt. Zu den Werken an der Peripherie
gehören auch einige römische Bauten der zweiten
Jahrhunderthälfte, insbesondere im Komplex von
S. Marco. Ein direktes Mitwirken Albertis am
Baugeschehen in der Papststadt ist jedoch nicht
nachzuweisen. Vielmehr handelt es sich auch hier um eine
weniger klar definierte und schwer greifbare
Auseinandersetzung mit seinem Gedankengut, insbesondere mit
den Antikenstudien. Zuletzt sind die eigenständigen
Werke seiner Bauführer zu nennen, die in unserem
Zusammenhang vor allem zu einer Herausarbeitung ihres Stiles
herangezogen wurden.
Albertis Stellung als Architekt, Architekturtheoretiker
und Antikenkenner ist im Quattrocento singulär. Wenn
auch seine Bauten keine direkte Nachfolge gefunden haben, so
beeinflußten die in »De re aedificatoria«
niedergelegten Gedanken die Zeitgenossen in ihrem
Verhältnis zur Antike nicht unwesentlich. Seine Ideen
bildeten für die Architekturtheoretiker des
16. Jahrhunderts die Grundlage zur Entwicklung einer
Theorie der Säulenordnungen.
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Rezensionen:
»Um es philologisch auszudrücken: Candida
Syndikus hat zwar keine Syntax, aber ein ebenso umfassendes
wie kritisches Vokabular der Ornamentik Albertis erarbeitet.
Es wird sich als unentbehrlich erweisen wie alle guten
Wörterbücher.«
Andreas Tönnesmann, in: Zeitschrift für
Kunstgeschichte 61, Heft 3 (1998), S.
446–448.
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