Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Kurzzusammenfassung / short summary:
Wenn am Donnerstag nach Aschermittwoch im Dom von Siena
das Chorbuch für die Feier der Messe aufgeschlagen
wurde, erblickten die Chorsänger in der Initiale des
Eingangsgesanges die Gestalt eines muskulösen nackten
Mannes, der auf einem Kahn übers Meer dahinstürmt
und einen Luftstrom hervorstößt. Diese
Bilderfindung des Malers Liberale da Verona (um
1445–1527/1529), die in der Forschung als
»Aquilone« (ital. Nordwind) bekannt ist, gibt bis
heute Rätsel auf.
Wie bei der Illuminierung liturgischer Handschriften
üblich, nimmt die Mehrzahl der historisierten Initialen
in den Sieneser Chorbüchern in Form einer kleinen
Bilderzählung auf die Evangelienperikope des
betreffenden Tages Bezug. Daher wird bislang angenommen,
auch Liberales Darstellung eines Sturmwindes aus dem Jahre
1470 beziehe sich, wenngleich in verdeckter Weise, auf das
Evangelium des Tages, die Erzählung von der
Krankenheilung in Kapernaum (Matth 8,5–13).
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es nachzuweisen,
daß in der Gestalt des »Aquilone« die
vorösterliche Buß- und Fastenzeit im Sinne der
patristischen Schiffsmetaphorik als eine stürmische
Meerfahrt verbildlicht wird. Des weiteren werden die
formalen Voraussetzungen der Darstellung untersucht, die
ebenso in der Kunst der Antike wie auch im Schaffen
zeitgenössischer Künstler in Siena und Florenz
gefunden werden können, und Verbindungen mit dem
Vorstellungskreis der »Fortuna maris« aufgezeigt.
In diese Zusammenhänge gestellt, erweist sich Liberales
einzigartige Darstellung des Sturmwindes als eine
Bildprägung von gedanklichem Reichtum und
phantasievoller, ausdrucksstarker Formgestaltung und als ein
Höhepunkt der Buchmalerei der Renaissance.
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Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Zur Darstellungstradition der Winde in Siena und
Florenz
3. Die Windgestalt (»Aquilone«) des Liberale da
Verona
- 3.1. Nachwirkungen der Begegnung mit antiken
Kunstwerken
3.2. Anregungen durch stilprägende Künstler in Siena und
Florenz.
- 3.2.1. Antonio Federighi
3.2.2. Francesco di Giorgio
3.2.3. Donatello
3.3. Das Haargebilde des »Aquilone«
3.4. Die Seelandschaft im Hintergrund
4. Der gedankliche Horizont
- 4.1. Der Sturmwind als Wirkkraft des Bösen in Bibelexegese
und patristischer Schiffsmetaphorik
- 4.2. Fortuna maris und der Vorstellungskreis der
gefahrvollen Lebensreise
5. Schlußbetrachtung
Index
Verzeichnis der Abbildungen
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