Irene Plein

Die frühgotische Skulptur an der Westfassade der Kathedrale von Sens

Beiträge zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Renaissance
Band 12
Herausgegeben von Joachim Poeschke

2005, 552 Seiten, 368 Abbildungen, Harteinband
2005, 552 pages, 368 figures, hardcover

ISBN 978-3-930454-40-2
Preis/price EUR 66,–

17 × 24cm (B×H), 1270g

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Kurzzusammenfassung/short summary
Inhaltsverzeichnis / table of contents
Einleitung
Zielsetzung der Arbeit
Zusammenfassung
Résumé en Français


Kurzzusammenfassung/short summary

Die frühgotische Skulptur an der Westfassade der Kathedrale von Sens spielt eine zentrale Rolle innerhalb der Entwicklung der gotischen Plastik Frankreichs. Sie gilt heute zusammen mit Laon als das führende Bildhauerzentrum des antikisierenden Stils um 1200. Entscheidende Fragen des ikonographischen Programms, der internen Chronologie der Skulptur und ihres Verhältnisses zum Bildschmuck anderer gotischer Kathedralen blieben indes offen. Diesen Fragen geht die vorliegende Publikation in einer ausführlichen systematischen Abhandlung nach. Sie lüftet das Geheimnis des Reliquienzyklus in der äußeren Archivolte des Johannesportals und klärt die ursprüngliche Thematik des verlorenen Bogenfeldes sowie der noch vorhandenen Sockelreliefs am Mittelportal. Ferner befasst sie sich mit den unterschiedlichen Stilbefunden am linken Seitenportal und am Mittelportal sowie deren Voraussetzungen in der Skulptur jener Zeit. Dabei wird die bislang gültige interne Chronologie der Senser Portalskulptur korrigiert. Durch den Vergleich der Senser Skulptur mit derjenigen von Senlis, Mantes, Chartres, Paris und Laon ergeben sich neue Aufschlüsse über die Entwicklung der gotischen Skulptur Frankreichs. Für die Datierung der Kathedralskulptur in Sens ergeben sich neue präzise Anhaltspunkte. Auch zur Klärung der umstrittenen Chronologie der Chartreser Querhäuser trägt die Arbeit bei. Bei der Herleitung der Werkstatt des Johannesportals findet nun auch die einheimische Bildhauertradition Berücksichtigung. Die bislang in der Forschung vertretene Meinung, ganze Bildhauerateliers seien nach Beendigung eines Projekts geschlossen zur nächsten Baustelle gewandert, erweist sich als nicht zutreffend.

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Inhaltsverzeichnis / table of contents

Vorwort

Einleitung

Stand der Forschung

Zielsetzung der Arbeit

Stadtgeschichte

Bau- und Restaurierungsgeschichte

1 Vorgeschichte
2 Errichtung der gotischen Kathedrale
2.1 Historische Baunachrichten
2.2 Früheste Kapitellskulptur
2.3 Westfassade
3 Der Einsturz des Südturms und seine Folgen
4 Fortbau und Vollendung der Türme
5 Wiederherstellung und Instandhaltung
Portalstruktur

Ikonographie

1 Johannesportal
1.1 Bogenfeld und Archivolten
Einführung
Bogenfeld
Archivolten
Resümee
1.2 Gewände und Sockelzone
2 Sockelzone des Mittelportals
2.1 Artes Liberales
2.2 Kalenderzyklus
2.3 Über Laster triumphierende Tugenden
2.4 Zodiakus(?)
2.5 Die Welt des Menschen nach dem Sündenfall und vor dem Zeitalter der Gnade
2.6 Jahreszeiten und Sapientia
2.7 Resümee
3 Obere Partien des Mittelportals und Skulptur vom Fassadenobergeschoß
3.1 Was beinhaltete das ehemalige Bogenfeld des Mittelportals?
3.2 Exkurs zur Entwicklung des Jüngsten Gerichts in der gotischen Kathedralskulptur von Saint-Denis bis zum Nordquerhaus in Reims
3.3 Obere Partien des Mittelportals
Das Christusbild
Archivolten
Türpfosten und Zwickelmedaillons
Gewändefiguren
3.4 Rekonstruktion des gesamten Mittelportalprogramms
3.5 Skulptur am Fassadenobergeschoß
3.6 Zusammenfassung
Skulpturenstil
1 Bogenfeld und Archivolten des Johannesportals
2 Mittelportalsockel
3 Sockel des Johannesportals
4 Obere Partien des Mittelportals
5 Zusammenfassung
Stilistischer Vergleich mit den Skulpturenkomplexen des letzten Viertels des 12. und ersten Viertels des 13. Jahrhunderts
1 Woher kam die Werkstatt des Johannesportals? Auf der Suche in Mantes, Senlis, Burgund, Châlons-en-Champagne und Sens
2 Der Brand der Kathedrale von Chartres und seine Bedeutung für die Datierung der Senser Portalskulptur – unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen dem Senser Johannesportal, dem Hiob-Salomo-Portal und dem Gerichtsportal in Chartres
3 Die Beziehungen zwischen dem Sockel des Pariser Weltgerichtsportals und der Skulptur der Senser Westfassade
3.1 Bezüge zum Mittelportalsockel
3.2 Bezüge zum Sockel des Johannesportals
3.3 Bezüge zu den oberen Partien des Senser Mittelportals
4 Die Kathedralskulptur von Sens und Laon und der jeweilige Einfluß der Antike
5 Verwandtschaft zwischen der Chartreser Querhausskulptur und den oberen Partien des Senser Mittelportals
Die Datierung der Senser Westportale

Anhänge

1 Saint-Pierre-le-Vif
2 Sainte-Colombe-lès-Sens
3 Katalog der Skulpturenfragmente
Zusammenfassung

Résumé en Français

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

Personenregister

Ortsregister

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EINLEITUNG (Auszug)

Unser bisheriges Bild von der gotischen Skulptur Frankreichs ist stark von Willibald Sauerländers Forschungen geprägt. Ihm ist es zu verdanken, daß wir das reiche Material heute relativ problemlos erschließen können, und zwar sowohl über das auch ins Französische und Englische übersetzte Standardwerk »Gotische Skulptur in Frankreich. 1140–1270« als auch über eine Vielzahl von Einzelpublikationen. Leider hat der leichte Zugang über die Literatur zu den Objekten die Forschung seither nicht etwa belebt – wie es wünschenswert gewesen wäre –, sondern fast gänzlich zum Erliegen gebracht. ...

Zu Sens und Laon, die von Sauerländer als die bedeutendsten Zentren des antikisierenden Stils um 1200 bezeichnet wurden und die seither als Ausgangspunkt der Chartreser Skulptur gelten, fehlt hingegen eine systematische Untersuchung und das, obwohl Sauerländer selbst eingestand, daß hier noch einige Fragen offen sind und diese sogar selbst formulierte. Vereinzelt wurden Magisterarbeiten zur Skulptur an den Westportalen der Kathedralen von Laon und Sens angefertigt ...

Zu Beginn meiner Dissertation zur frühgotischen Skulptur der Senser Westfassade versprach ich mir sowohl in stilistischer als auch in ikonographischer Hinsicht neue Einsichten. Denn obgleich sich Sauerländer bereits mehrfach mit der Senser Portalskulptur auseinandergesetzt hat, näherte er sich ihr doch immer nur unter dem Blickwinkel einer speziellen Fragestellung an, die niemals Sens selber zum zentralen Thema hatte. Deshalb sind viele Aspekte bislang unbeachtet geblieben. Diesen im Rahmen einer Monographie nachzuspüren, war mein Ziel. Damals ahnte ich noch nicht, daß die Erkenntnisse, die ich dabei gewinnen sollte, es erforderlich machen würden, das derzeitige Bild von der Entwicklung der gotischen Skulptur Frankreichs zu korrigieren. Statt der linear voranschreitenden, parallellaufenden Entwicklungsstränge, wie sie Sauerländer z.B. von der Porte des Valois in Saint-Denis über das linke Westportal und das Bogenfeld des Mitteleingangs in Mantes zum Senser Johannesportal oder von den Senser Westportalen über die Chartreser Querhäuser und Burgund nach Straßburg rekonstruiert hat, nehme ich nunmehr eine zumindest temporäre Gleichzeitigkeit der Großprojekte von Sens, Paris, Laon, Mantes und der Chartreser Querhäuser an. Damit wird die Annahme, ganze Bildhauerateliers seien nach Abschluß eines Skulpturenensembles geschlossen zur nächsten Kathedralbaustelle gewandert, hinfällig. Vielmehr muß es bereits während der Ausführung der jeweiligen Skulpturenportale zu gegenseitigem Austausch zwischen den einzelnen Bildhauerwerkstätten gekommen sein, wie dieser auch immer geartet gewesen sein mag. Auf ein solches Vorgehen deutet auch der einzige dokumentierte französische Fall jener Zeit hin. ...

Wenn die Zusammenhänge im Stil einzelner Skulpturenensembles aber nicht durch die Wanderung arbeitslos gewordener Bildhauer bedingt sind, müssen diese auch nicht mehr wie bisher in 5- bis 10-Jahres-Schritten datiert werden. Extreme zeitliche Abstände, wie sie z.B. zwischen dem Westportal von Senlis und dem Hiob-Salomo-Portal in Chartres auftreten – trotz stilistischer Analogien sollen sie nach gegenwärtiger Ansicht über 50 Jahre auseinander liegen –, schrumpfen auf diese Weise wieder etwas zusammen.

Am Senser Johannesportal läßt sich die Handschrift eines Bildhauers nachweisen, der sich in der Gestaltung von Oberflächen und Gewändern als sehr flexibel erwies und neben anschmiegsame Kleidung, welche die Körperformen auf natürliche Weise herausarbeitet, von schematischen Stilformeln durchdrungene Gewänder setzte. ...

Von besonderem Interesse waren im Zusammenhang mit Sens die Beziehungen der Goldschmiedekunst und Buchmalerei des Maasgebietes zur Monumentalskulptur. Sauerländer schätzte die Bedeutung dieser Gattung als Inspirationsquelle für die Monumentalskulptur des achten und neunten Jahrzehnts des 12. Jahrhunderts sehr hoch ein. Die ältere Werkstatt des Senser Johannesportals soll ihr Vokabular im wesentlichen aus der Maaskunst bezogen haben. Den Impetus zum Stilwandel von den Archivolten des Johannesportals zu den oberen Partien des Senser Mittelportals vermutete Sauerländer, ohne es selbst nachweisen zu können, in der Glasmalerei der Senser Kathedrale. Geht man hingegen von der Gleichzeitigkeit verschiedener Werkstätten an unterschiedlichen Kathedralorten aus, so erklärt sich dieser Umschwung – wie vermutlich auch der von Sauerländer bemerkte aber nicht erklärte Stilwandel am Epiphanieportal in Laon – durch Einflüsse monumentaler Bildwerke an anderen Kathedralen. ...

Durch alle Untersuchungen hindurch blieb die Datierung der Senser Skulptur stets mein wichtigstes Anliegen. In der jüngeren Forschung hat Nurith Kenaan-Kedar aufgrund ikonographischer Beobachtungen am Johannesportal vorgeschlagen, es in die Amtszeit des Senser Erzbischofs Wilhelm von Champagne (1169–1176) vorzudatieren, und stützte ihre These mit einer Äußerung Jacques Henriets, nach der die Fassade bereits 1176, wenn auch vielleicht noch provisorisch, abschließbar gewesen sein muß. Die formale und stilistische Analyse der Bauplastik bestätigt diese Frühdatierung nicht! Sie verlangt vielmehr eine zeitliche Nähe zu den Chartreser Querhausportalen ...

Mit dieser Dissertation stelle ich also ein neues Bild von der Entwicklung der gotischen Skulptur Frankreichs zur Diskussion und hoffe auf eine Wiederbelebung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser aufgrund der hohen künstlerischen Qualität ihrer Werke überaus interessanten Thematik. ...

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ZIELSETZUNG DER ARBEIT (ohne Anmerkungen)

Die vorliegende Arbeit versteht sich als die erste systematische Analyse der frühgotischen Skulptur der Senser Westfassade. Sie beschäftigt sich mit der Skulptur am Johannesportal, am Mittelportal und am Fassadenobergeschoß. Nicht berücksichtigt werden die Marienpforte sowie das Bogenfeld des mittleren Eingangs, weil beide nach dem Einsturz des Südturms im Jahr 1268 erneuert wurden.

Nach einer wissenschaftlichen Einführung in die Stadtgeschichte, welche dem Ortsfremden die notwendigen Grundkenntnisse vermitteln soll, gliedert sich die weitere Arbeit in vier Teile: die Bau- und Restaurierungsgeschichte der Westfassade, die Portalstruktur, die Ikonographie und den Skulpturenstil.

Im Kapitel zur Baugeschichte soll zunächst die frühe Kapitellskulptur aus dem Inneren der Kathedrale behandelt werden, um die unmittelbaren Voraussetzungen der Fassadenskulptur und ihre Eigenschaften zu ergründen. Der anschließende Teil ist der Architektur der Westfassade gewidmet, weil zu erwarten ist, daß sie Aufschlüsse über die Genese der Portale und ihrer skulpturalen Ausstattung liefert. Es gilt zu klären, ob der Stadtbrand von 1184 Spuren an ihr hinterlassen hat und damit tatsächlich als terminus post quem für die Entstehung der Portale in Frage kommt. Die ursprüngliche Architektur der Westfassade vor ihrer teilweisen Erneuerung Ende des 13. Jahrhunderts zieht damit zum ersten und sicherlich nicht zum letzten Mal das Interesse eines Wissenschaftlers auf sich. Erleichtert wird ihre Analyse durch neue, bislang unpublizierte Bauaufnahmen, mit denen Collette die jüngste Restaurierung vorbereitet hat. Dabei handelt es sich um zwei Grundrisse und einen Schnitt durch den Nordturm sowie um einen Aufriß der Westfassade. Dank Collette läßt sich auch die Restaurierungsgeschichte des 19. Jahrhunderts inzwischen ohne große Probleme nachvollziehen. Die von ihm wiederentdeckte Fassadenansicht des 18. Jahrhunderts spielt bei der Rekonstruktion des ursprünglichen Skulpturenprogramms am Fassadenobergeschoß eine große Rolle. Ergänzt wird sie um ein Photo des Mittelportalsockels vor seiner Restaurierung Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Archiv des »Centre des Monuments Nationaux« in Paris.

Im folgenden Kapitel wird die Struktur der frühgotischen Senser Westportale in ihr kunsthistorisches Umfeld eingegliedert und gezeigt, welche unterschiedlichen Traditionen in ihnen fortleben.

Die ikonographische Analyse konzentriert sich auf drei Fragen. Zuerst geht es darum, das Geheimnis des bislang nicht befriedigend ausgedeuteten Reliquienzyklus' in der äußeren Archivolte des Johannesportals zu lüften und die richtige Leserichtung des Portals aufzuzeigen, damit das Gesamtprogramm der Täuferpforte verständlich wird. Beim Mittelportal empfiehlt sich eine andere Form der Herangehensweise, weil die Fragestellungen komplizierter liegen. Unter Hinzuziehung bislang unbeachtet gebliebener historischer Beschreibungen werden die zum Teil stark beschädigten Darstellungen am Gewände- und Trumeausockel des Mittelportals rekonstruiert und gedeutet. Das alte Problem, ob der mittlere Sockelstreifen eine Kosmographie darstellt oder aber ihm eine moralische Thematik zugrunde liegt, soll geklärt werden.

Das Programm der oberen Mittelportalpartien ist hingegen eng mit der Skulptur am Fassadenobergeschoß verbunden, weshalb beides gemeinsam betrachtet werden muß. Die entscheidende Frage lautet, ob das ursprüngliche Tympanon des Mittelportals einst ein Jüngstes Gericht oder eine Heiligenthematik darstellte. In diesem Zusammenhang spielen drei Punkte eine entscheidende Rolle: 1) die zu Beginn des 13. Jahrhunderts einsetzende Zergliederung eines vielschichtigen Gottesbildes in der Art des Saint-Deniser Mittelportals in verschiedene, axial übereinander angebrachte Gottesbilder, die jedes für sich eine bestimmte Eigenschaft des Gottes versinnbildlichen. Am perfektesten ist diese Idee an der südlichen Fassade des Chartreser Querhauses umgesetzt, doch auch in Sens scheint es Ansätze dazu gegeben zu haben. 2) Die Unterscheidung zwischen gegenwärtiger und endzeitlicher Eschatologie und 3) das im 18. Jahrhundert eingeschmolzene, jedoch per Zeichnung überlieferte, goldene Altarantependium der Senser Kathedrale, in dem sich ein Abbild des ursprünglichen Fassadenprogramms erkennen läßt.

Abschließend wird das Skulpturenprogramm des Mittelportals noch einmal zusammengefaßt und mit den Darstellungen an den Seitenportalen und dem Fassadenobergeschoß die Gesamtbotschaft der Westfassade rekonstruiert.

In der Stilanalyse steht zunächst die interne Chronologie der Senser Portalskulptur im Vordergrund. Nachdem die Skulptur charakterisiert und ihre Veränderungen aufgezeigt worden sind, wird sie mit den Skulpturenkomplexen des letzten Viertels des 12. und ersten Viertels des 13. Jahrhunderts verglichen. Um die Herkunft der Werkstatt des Johannesportals zu ermitteln, werden Vergleiche mit den Westportalen der Manter Kollegiatskirche, der Kathedrale von Senlis, burgundischen Bildwerken, dem Kreuzgang aus Châlons-en-Champagne und sechs Säulenfiguren im Senser Museum geführt. Dabei zeigt sich, daß die bisherige Ableitung der Senser Werkstatt aus Mantes nicht haltbar ist und statt dessen die Portale beider Kirchen streckenweise gleichzeitig geschaffen worden sein müssen. Dies widerspricht der weit verbreiteten Theorie, die Beziehungen zwischen den gotischen Skulpturenportalen seien durch wandernde Werkstätten zustande gekommen und die Portale müßten in linearer Abfolge nacheinander geschaffen worden sein. Vergleiche der Senser Portalskulptur mit dem Sockel des Pariser Weltgerichtsportals und den Chartreser Querhäusern führen zu derselben Erkenntnis.

Da in Chartres mit dem Brand der Kathedrale im Jahr 1194 der einzige Fixpunkt zur Entstehung eines Skulpturenkomplexes jener Zeit gegeben ist, muß das Senser Ensemble aus dem Vergleich mit Chartres heraus datiert werden. Deshalb nimmt er besonders viel Raum ein. Anschließend wird die daraus gewonnene Datierung unter Hinzuziehung einer schriftlich überlieferten Reliquientranslation, der Siegelabdrücke zweier Senser Erzbischöfe, der Schlußweihe von Notre-Dame in Senlis, der Reimser Skulptur, für die durch den Brand der Kathedrale 1210 eine weitere sichere Untergrenze existiert, und einiger italienischer Bauten, wie dem Baptisterium in Parma, überprüft. Am Ende erscheint nicht nur die Senser Portalskulptur, sondern auch diejenige von Chartres in neuem Licht.

Parallelen zur Goldschmiedekunst und zur Glasmalerei werden nur dort berücksichtigt, wo sie entsprechend interessant sind, weil sich z.B. die Verwendung der gleichen Musterbuchvorlage nachweisen läßt. Vor allem zeigen die Vergleiche, daß sich die Steinbildhauer mit sehr viel komplizierteren Problemen auseinandergesetzt haben als die Kleinkünstler, weshalb ihr Hauptausgangspunkt immer die ältere Monumentalskulptur gewesen sein muß.

Um die Kathedralskulptur nicht wie sonst üblich vor allem im Kontext der mittelalterlichen Großbauten zu betrachten, sondern auch ihre Verwurzelung in und ihren Einfluß auf die nähere Umgebung zu zeigen, soll im Anhang überdies die Skulpturenausstattung der beiden verschwundenen Abteikirchen der Stadt, Sainte-Colombe und Saint-Pierre-le-Vif, rekonstruiert werden. Abschließend werden in einem Verzeichnis sämtliche bekannten von der Kathedrale stammenden oder mit ihrer Portalplastik verwandten Skulpturenfragmente zusammengetragen, um zukünftiger Forschung den Zugang zu diesen über alle Welt verstreuten Kunstwerken zu erleichtern.

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ZUSAMMENFASSUNG (Auszug – ohne Anmerkungen)

Die vorliegende Untersuchung zur frühgotischen Skulptur an der Westfassade der Kathedrale von Sens befaßt sich mit einem klassischen Thema der französischen Gotik, spielt doch die Kathedrale von Sens eine zentrale Rolle innerhalb der Entwicklung der gotischen Plastik Frankreichs. Wenngleich die Thematik auch in der neueren Forschung wiederholt behandelt wurde, so blieben doch bis heute entscheidende Fragen, insbesondere hinsichtlich des ikonographischen Programms, der internen Chronologie der Skulptur und ihres Verhältnisses zum Bildschmuck anderer gotischer Kathedralen offen. Diesen Fragen in einer ausführlichen systematischen Abhandlung nachzugehen, war das Ziel dieser Arbeit.

Beabsichtigt war unter anderem, das Geheimnis des bislang nicht befriedigend ausgedeuteten Reliquienzyklus in der äußeren Archivolte des Johannesportals zu lüften und die richtige Leserichtung des Portals aufzuzeigen. Am Mittelportal galt es, die ursprüngliche Thematik des verlorenen Bogenfeldes sowie der noch vorhandenen Sockelreliefs zu klären. Zum Abschluß sollte das Gesamtprogramm des Skulpturenschmucks der Fassade entschlüsselt werden. In der Stilanalyse war vorgesehen, dem noch ungeklärten Problem der unterschiedlichen Stilbefunde am linken Seitenportal und am Mittelportal sowie deren Voraussetzungen in der Skulptur jener Zeit nachzugehen. Ferner war beabsichtigt zu prüfen, inwieweit Einflüsse aus der Goldschmiedekunst und der Glasmalerei in der Kathedralskulptur wirksam geworden sind. Da die Skulptur in Sens in enger Beziehung zu den Skulpturenportalen in Senlis, Mantes, Paris, Laon und Chartres steht, war zu erwarten, daß sich durch die Gewinnung präziser Daten für die Senser Skulptur auch neue Aufschlüsse über die Werkstattzusammenhänge innerhalb dieses umfangreichen Skulpturenkomplexes ergeben würden.

Dem Hauptteil der vorliegenden Untersuchung gehen ein Abriß über den Forschungsstand, ein Ausblick auf die Stadtgeschichte sowie ein Überblick über die Baugeschichte der Kathedrale einschließlich ihrer Vorgeschichte voraus. Außer auf die historischen Baunachrichten wird dabei auf die früheste Kapitellskulptur im Chorumgang der Kathedrale eingegangen. ...

In dem Kapitel über die Beschädigung und Wiederherstellung der Westfassade werden auch die am Skulpturenschmuck der Fassade vorgenommenen zerstörerischen und restauratorischen Eingriffe rekonstruiert. Mit den bislang wiedergewonnenen Skulpturenfragmenten der Kathedrale, einer bislang unveröffentlichten Fassadenansicht aus dem Jahr 1726 sowie der ebenfalls unpublizierten Dokumentation des Chefrestaurators Bernard Collette zur Restaurierung der Westfassade in den Jahren 1989 bis 1998 finden dabei gänzlich neue Unterlagen Berücksichtigung.

Mit der Analyse der Portalstruktur beginnt der Hauptteil der Arbeit. Es wird herausgearbeitet, daß eine von burgundisch-champagnesken Wurzeln ausgehende Werkstatt, welche die oberen Teile des Johannesportals schuf, sich mit fortschreitender Zeit zunehmend dem Stil der Île-de-France öffnete. ...

Bei der Untersuchung des ikonographischen Programms ergeben sich neue Lesarten einzelner Figuren bzw. Szenen sowie eine neue Gesamtinterpretation des Programms. ...

Durch die Einordnung des hier rekonstruierten Bildprogramms in die allgemeine Entwicklung der Gerichtsthematik an den gotischen Kathedralfassaden ergibt sich die Neuartigkeit der Ikonographie in Sens. ...

Eine ausführliche Analyse des Skulpturenstils ergibt eine Korrektur der bislang gültigen internen Chronologie der Senser Portalskulptur. ...

Der Vergleich der Senser Skulpturen mit der Kathedralskulptur in Senlis, Mantes, Paris, Laon und Chartres ergibt neue Aufschlüsse über die Entwicklung der gotischen Skulptur Frankreichs. ...

Bei Vergleichen mit den Bildhauerarbeiten der anderen großen Kathedralen jener Zeit zeigt sich ferner, daß die bislang in der Forschung vertretene Meinung, ganze Bildhauerateliers seien nach Beendigung eines Projekts geschlossen zur nächsten Baustelle gewandert, nicht zutrifft. ...

Die Datierung der frühgotischen Skulptur an der Senser Westfassade kann nur rückwirkend aus dem Vergleich mit den Chartreser Querhäusern erfolgen, ...

Die Anhänge über die skulpturale Ausstattung der Senser Abteikirchen Saint-Pierre-le-Vif und Sainte-Colombe sowie der ausführliche Katalog aller mit ihnen oder der Kathedrale in Zusammenhang stehenden mittelalterlichen Skulpturenfragmente geben einen umfassenden Überblick über die innerstädtische Skulpturenproduktion jener Zeit. ...

Insgesamt sind die neuen Aufschlüsse über die Ikonographie und den Stil der Senser Skulptur als die wichtigsten Erkenntnisse dieser Untersuchung zu erachten. Übergreifend ist die Korrektur des bisher bevorzugten Modells von der Entwicklung der gotischen Skulptur Frankreichs von hoher Relevanz. Es wäre wünschenswert, daß diese Erkenntnisse die Diskussion über die gotische Skulptur Frankreichs neu beleben, handelt es sich doch aufgrund der hohen Qualität der Werke und ihrer engen Verflechtung miteinander um eine überaus interessante Thematik.

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RÉSUMÉ EN FRANÇAIS (extrait)

La présente étude est consacrée à un thème classique de l'art gothique français: les sculptures ornant la façade ouest de la cathédrale de Sens, édifice ayant joué un rôle central dans le développement de la statuaire gothique en France. Bien que ce thème eût été abordé à plusieurs reprises par des scientifiques dans les dernières décennies, certains aspects fondamentaux – notamment l'iconographie, la chronologie des portails et leur relation avec les œuvres ornant d'autres cathédrales gothiques – sont restés jusqu'à présent dans l'ombre. Faire la lumière sur ces points de manière systématique et complète: tel est le but de la présente étude.

L'objectif initial était notamment de percer le secret de l'histoire des reliques représentée dans la voussure externe du portail Saint-Jean-Baptiste, et de déterminer le sens de lecture de ce portail dans son ensemble. En ce qui concerne le portail central, l'objectif était de présenter le thème du tympan aujourd'hui disparu, ainsi que celui des bas-reliefs du soubassement ayant été conservés. Dans un troisième temps, l'étude devait viser à déchiffrer l'ensemble des sculptures de la façade. L'analyse stylistique devait se consacrer quant à elle à une question jamais élucidée jusqu'alors: les différences de style entre le portail gauche et le portail central. L'étude devait également considérer les influences qu'ont pu avoir l'orfèvrerie et les vitraux gothiques sur la statuaire de la cathédrale. Les sculptures de Sens étant en étroite relation avec celles des cathédrales de Senlis, Mantes, Paris, Laon et Chartres, on pouvait s'attendre à ce que les données précises recueillies sur Sens permettent de nouvelles découvertes quant aux rapports entre les ateliers de sculpteurs de l'époque gothique.

La partie centrale de l'étude est précédée d'un chapitre sur l'état des recherches et d'un résumé de l'histoire de la ville et de la cathédrale. Ce survol historique utilisant des documents écrits présente également l'ornementation des chapiteaux du déambulatoire du chœur, qui fut influencée tant par la sculpture bourguignonne que par celle d'Île-de-France.

Un chapitre spécial est consacré aux dégradations et à la restauration des sculptures gothiques de la cathédrale de Sens. Ce chapitre prend en compte non seulement divers fragments ayant été retrouvés, mais aussi plusieurs sources inédites, notamment une vue de la façade en 1726 et divers documents rassemblés par Monsieur Bernard Colette, inspecteur général des Monuments historiques et responsable des travaux de restauration entre 1989 et 1998.

La partie centrale de l'étude débute par une analyse de la structure des portails. On y met en évidence le fait que l'atelier bourguignon-champenois ayant réalisé les œuvres de la partie supérieure du portail Saint-Jean-Baptiste s'ouvrit progressivement aux influences venues d'Île-de-France. ...

L'étude iconographique fournit de nouvelles clés de lecture pour certains détails et permet une nouvelle interprétation de l'ensemble. ...

La comparaison des sculptures de Sens avec celles des cathédrales de Senlis, Mantes, Paris, Laon et Chartres donne de nouvelles indications sur l'évolution de la statuaire gothique en France. ...

La comparaison avec la statuaire d'autres cathédrales gothiques dément par ailleurs l'idée communément acceptée selon laquelle des ateliers complets seraient allés travailler d'une cathédrale à l'autre. En ce qui concerne la chronologie, cela signifie notamment que les grands projets sculpturaux n'ont pas été réalisés les uns après les autres, mais parfois en parallèle. ...

Les sculptures de la façade ouest de la cathédrale de Sens se caractérisent par leurs emprunts fréquents à l'Antiquité, cette particularité s'étant sans cesse affirmée durant les travaux. ...

Les annexes consacrées aux abbayes de Sainte-Colombe et Saint-Pierre-le-Vif, de même que le catalogue présentant les fragments de sculptures médiévales en rapport avec ces églises ou la cathédrale, donnent une vue d'ensemble de la production de l'atelier de Sens à l'époque qui nous intéresse.

D'une manière générale, les résultats les plus importants de cette étude sont les découvertes concernant l'iconographie et le style de la statuaire de Sens. Il est ainsi possible de corriger l'idée que l'on avait jusqu'alors de l'évolution de la sculpture gothique en France. Du fait de la haute valeur des œuvres étudiées et des rapports étroits qui existent entre elles, on peut espérer que ces découvertes vont relancer la discussion sur la sculpture gothique française, thème d'une richesse considérable.

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Rezensionen:

»[...] ce travail démontre une rare maîtrise et comble une grosse lacune.«

Jean Wirth, Online-Rezension in www.sehepunkte.de

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