Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzzusammenfassung/short summary
Inhaltsverzeichnis / table of contents
Einleitung
Schlußbetrachtung
Kurzzusammenfassung/short summary
Der Bildhauer Matteo di Giovanni Civitali
(1436–1501), der auch als Maler und Architekt bezeugt
ist, war der führende Künstler der
Frührenaissance in Lucca, erhielt aber auch
Aufträge entlang der Westküste Italiens zwischen
Pisa und Genua.
Civitali hat ein umfangreiches und bedeutendes Oeuvre
hinterlassen, dessen Wertschätzung in
ausführlichen Veröffentlichungen des
19. Jahrhunderts Ausdruck gefunden hat, wohingegen ihm
die auf die Kunst in Florenz konzentrierte spätere
Forschung vergleichsweise weniger Aufmerksamkeit
entgegenbrachte.
Diese Monographie mit Werkkatalog vermittelt ein
vollständiges Bild von Leben und Werk Civitalis. Seine
künstlerische Herkunft aus der Rossellino-Werkstatt in
Florenz wird geklärt, die im reifen und späten
Werk erkennbaren Beziehungen auch zu wichtigen
außerflorentinischen Kunstzentren (Rom, Lombardei)
werden aufgezeigt und Civitalis Stellung innerhalb der Kunst
des Quattrocento bestimmt.
The sculptor Matteo di Giovanni Civitali
(1436–1501), also renowned as a painter and architect,
was the leading artist of the Early Renaissance in Lucca. He
also received commissions along the Italien west coast from
Pisa to Genua.
Civitali left a large and noteworthy oeuvre behind which
was well honored in numerous publications in the
19th century, whereas later research – more
centered on the art works of Florence – showed him
relatively little attention.
This monograph, which includes a complete catalouge of
the artists works, shows a full picture of Civitalis life
and art. His artistic origin in the Rossellino workshop in
Florence is clarified, the obvious relationship to artistic
centers outside of Florence (Rome, Lombardia) in his mature
and late works is discussed, and his position in the art of
the Quattrocento is stipulated.
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Inhaltsverzeichnis
/ table of contents
VORWORT
EINLEITUNG
ZUR GESCHICHTE LUCCAS UND DER KUNSTTÄTIGKEIT IN LUCCA IM QUATTROCENTO
BIOGRAPHIE DES MATTEO CIVITALI
DAS OEUVRE DES MATTEO CIVITALI IN CHRONOLOGISCHER ABFOLGE
- 1 Das Grabmal des Pietro da Noceto im Dom zu Lucca
2 Die Madonna im Museo Nazionale di Villa Guinigi in Lucca
3 Der Sakramentsaltar im Dom zu Lucca
4 Die Fides im Museo Nazionale del Bargello in Florenz
5 Das Verkündigungsrelief im Museo Nazionale di Villa Guinigi in Lucca
6 Die Fußbodenerneuerung und die Chorschranken im Dom zu Lucca
7 Das Grabmal des Domenico Bertini im Dom zu Lucca
8 Die »Madonna Salutis Portus« an San Michele in Foro in Lucca
9 Der Tempietto in San Pellegrino in San Pellegrino in Alpe
10 Die Cappella del Volto Santo im Dom zu Lucca
11 Der Grabaltar des hl. Regulus im Dom zu Lucca
12 Die »Madonna della Tosse« in SS. Trinitá in Lucca
13 Das Sakramentstabernakel in S. Maria in Palazzo in Lucca
14 Das Tabernakel in San Frediano in Sassi in Garfagnana
15 Die Altäre im Dom zu Pisa
16 Das Relief am Lavabo in der Domsakristei in Pisa
17 Das Sakramentstabernakel in San Frediano in Lucca
18 Das Grabmal des hl. Romanus in San Romano in Lucca
19 Das Grabmal der hll. Avertano und Romeo im Oratorio della Madonnina in Lucca
20 Das Reiterdenkmal für König Karl VIII. in Pisa
21 Die Kanzel im Dom zu Lucca
22 Die beiden Weihwasserbecken im Dom zu Lucca
23 Das Sakramentstabernakel in SS. Giovanni e Reparata in Lucca
24 Der Statuenzyklus im Dom zu Genua
25 Das Sakramentstabernakel in SS. Jacopo e Maria in Lámmari
26 Das Säulenmonument des hl. Georg in Sarzana
WEITERE WERKE IN THEMATISCHER GRUPPIERUNG, DARUNTER AUCH AUSGESCHIEDENE ZUSCHREIBUNGEN
- 1 Die Schmerzensmann- und Ecce-Homo-Darstellungen
2 Die Sakramentstabernakel
3 Das Kruzifix im Museum der Schönen Künste in Budapest und das Kruzifix im Museo Nazionale di San Matteo in Pisa
4 Die Sebastiansstatuen
5 Die Verkündigungsmarien
6 Die Anbetenden Marien
7 Die Madonnendarstellungen
8 Die Himmelfahrt Mariä im Bode-Museum in Berlin
9 Drei Statuen in einer Schweizer Privatsammlung
10 Die Profilbildnisse und Portraitbüsten
DIE WERKSTATT DES MATTEO CIVITALI
MATTEO CIVITALI ALS MALER
MATTEO CIVITALI ALS ARCHITEKT
SCHLUSSBETRACHTUNG
KATALOG
- 1 Die Werke des Matteo Civitali und seiner Werkstatt
2 Ausgeschiedene Werke
Archive
Literatur
Abbildungsnachweis
Personenregister
Ortsregister
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EINLEITUNG
(Ohne Anmerkungen)
Die vorliegende monographische Abhandlung befaßt
sich mit dem künstlerischen Gesamtwerk des Matteo di
Giovanni Civitali (1436–1501) aus Lucca, der vorrangig
als Bildhauer tätig war, aber auch als Maler und
Architekt bezeugt ist. In der Literatur wurden seinem Oeuvre
bislang sowohl übergreifende Betrachtungen im Rahmen
umfassender Reihen zur Florentiner Skulptur der Renaissance
als auch zahlreiche Einzeldarstellungen gewidmet. Im
19. Jahrhundert erschienen umfangreiche
Veröffentlichungen zum Leben und Werk Matteos, die
vorrangig auf intensivem Quellenstudium beruhen. Viele
seiner Zeitgenossen wurden in der Forschung zunächst
weniger, alsbald aber in erheblichem Umfang
berücksichtigt. Dagegen konnte sich Matteos Name nicht
lange in der Reihe der »großen«
Künstler der Renaissance behaupten, sondern wurde nur
noch am Rande mitgeführt – ein
Phänomen, das auf verschiedene Ursachen
zurückzuführen ist. Die zunächst
uneingeschränkte Wertschätzung Matteos
erklärt sich vor dem historischen Hintergrund des ab
1430 in Lucca einsetzenden kulturellen Niedergangs, von dem
sich im letzten Drittel des Jahrhunderts das umfangreiche
und qualitätvolle Werk Matteo Civitalis deutlich
abhebt. Auch die Forschung des 20. Jahrhunderts zollt
ihm überwiegend lobende Anerkennung, aber insgesamt
doch wenig Aufmerksamkeit entsprechend der allgemein
stiefmütterlichen Behandlung der Kunst der Westtoskana
– soweit man von Siena absieht. Das vorrangige
Interesse der Kunsthistoriker gilt Florenz.
Matteo Civitalis Wirkungskreis konzentrierte sich im
wesentlichen auf seine Heimatstadt Lucca und Umgebung sowie
in geringerem Umfang auf die Westküste Italiens bis
hinauf nach Genua. Um Aufträge aus Florenz scheint er
sich nicht bemüht zu haben, obwohl er zeitlebens
Kontakte zu Florentiner Künstlern aufrechterhalten hat.
Matteo verließ nach Beendigung seiner Ausbildung die
Kunstmetropole, um in seiner Heimatstadt zu wirken, wo er
die Wiederbelebung des brachliegenden Kunstschaffens
übernehmen und sich eine Monopolstellung schaffen
konnte, während in Florenz die Konkurrenz namhafter
Künstler der Frührenaissance groß war.
Matteo erlebte noch Donatello und Ghiberti in deren
Spätphase und dann die nachfolgende
Künstlergeneration, welche die zweite Phase der
Frührenaissance einleitete, z.B. Bernardo und Antonio
Rossellino, Desiderio da Settignano, Luca della Robbia, Mino
da Fiesole, schließlich Benedetto da Maiano,
Verrocchio und Pollaiuolo, um nur die wichtigsten Namen zu
nennen.
Die Durchsicht der zahlreichen Veröffentlichungen zu
Matteo Civitali vermittelt kein klares Bild. Neben einigen
hervorragenden, allerdings sehr knapp gehaltenen
Beiträgen fallen zunehmend Wiederholungen und
Widersprüche auf. In den Abhandlungen wird weder
Matteos Oeuvre im Ganzen erfaßt noch seine Stellung
innerhalb der zeitgenössischen Kunst
herausgearbeitet.
Die früheste und meistzitierte Erwähnung Matteo
Civitalis stammt von Vasari aus dem 16. Jahrhundert,
als die Kunstgeschichtsschreibung noch in der Entwicklung
begriffen war. Vasari widmete Matteo Civitali kein eigenes
Kapitel in der Reihe der von ihm verfaßten
Künstlerbiographien, die noch heute als wichtige Quelle
dienen, sondern erwähnte ihn nur kurz im Zusammenhang
mit Jacopo della Quercia. Vasaris Schilderung blieb
allgemein und es unterliefen ihm mehrere Fehler, die sich
hemmend auf spätere Darstellungen der Biographie und
des Gesamtwerks Matteos auswirkten, zumal Baldinucci dessen
Angaben getreu wiederholte und damit verfestigte. Vasari
bezeichnete Matteo als Schüler des Jacopo della
Quercia, obwohl Matteo bei dessen Tod erst zwei Jahre alt
gewesen war. Des weiteren datierte er die Cappella del Volto
Santo im Dom zu Lucca – eines der Hauptwerke
Matteos, entstanden 1482–84 – in das Jahr
1444, für nachfolgende Autoren Grund genug, dieses Werk
aus Matteos Oeuvre auszugliedern. Das Grabmal des Pietro da
Noceto im Dom zu Lucca schrieb Vasari erst Michelozzo und
dann Pagno di Lapo Portigiani zu, obwohl es von Matteo
signiert und auf 1472 datiert ist und damit sein
frühestes gesichertes Werk darstellt. Abgesehen von
diesen Irrtümern brachte Vasari den Arbeiten des Matteo
Civitali eine hohe Wertschätzung entgegen. Diese wurde
von nachfolgenden Autoren überhöht. So pries
Granucci 1574 die Statuen im Dom zu Genua als eines der
sieben Weltwunder.
Im 19. Jahrhundert erwarben sich Luccheser Autoren
das Verdienst, durch gründliche Quellenforschung
bislang tradierte Fehlannahmen korrigiert sowie Matteos
Oeuvre enger eingegrenzt zu haben. Es handelt sich hier
allerdings nicht um Kunstgeschichtsschreibung im heutigen
Sinne, sondern um Veröffentlichungen lokaler
Historiker. Die erste kritische Studie dieser Art
publizierte Trenta 1822, der bereits in seinem zwei Jahre
zuvor erschienenen Führer über Lucca auf Matteos
Werke im einzelnen eingegangen war. Besonders
ausführlich besprach dessen Oeuvre dann der Luccheser
Maler Enrico Ridolfi 1882 in seiner Studie über die
Kunst im Luccheser Dom. Er trug in einem gesonderten Kapitel
das ganze Wissen zu Matteo Civitali zusammen und publizierte
die dazugehörigen aufgefundenen Dokumente. Seine Arbeit
ist bis heute von grundlegender Bedeutung. Nennenswert sind
des weiteren die Ausführungen von Mazzarosa aus den
Jahren 1827 und 1843. Alle drei Autoren loben die Werke
Matteos in hohen Tönen mit leichtem, patriotisch
gefärbtem Übereifer. Sie riefen ein reges
Interesse an den Arbeiten Matteos hervor, das sich in einer
Vielzahl kleinerer Publikationen sowie Betrachtungen
innerhalb größerer Nachschlagewerke
äußerte, die aus der Feder internationaler
Autoren stammten und erstmals über den lokalen Rahmen
der Kunstbetrachtung hinausgingen. Bezeichnend für die
Literatur des 19. Jahrhunderts ist die Hervorhebung,
daß Matteo sich besonders durch seine Fähigkeit
auszeichne, in seinen Figuren dem wahren religiösen
Empfinden Ausdruck zu verleihen. Im Zuge des im vorigen
Jahrhundert erwachenden und zunehmend stärker werdenden
Interesses an der Kunst im Italien des Quattrocento, das
schließlich in der Veröffentlichung mehrerer
monographischer Abhandlungen über Florentiner
Künstler seinen Ausdruck fand, erschien im Jahre 1886
in Paris die aufwendig illustrierte und umfangreiche
Monographie von Yriarte über Matteo Civitali. Yriarte
faßte den bisherigen Wissensstand zur Lebensgeschichte
und zu den Werken Matteos, die er in chronologischer Abfolge
aufführte, zusammen. Er publizierte keine neuen
Urkunden und arbeitete keine neuen Fragestellungen heraus.
Vielmehr erhob er den Anspruch darauf, Matteos Oeuvre
vollständig aufgezeigt zu haben, und vermittelte den
Eindruck einer in sich geschlossenen, keine wesentliche
Frage mehr offenlassenden Abhandlung. Unsicherheiten
gäbe es nur bezüglich der Jugendjahre und der
Datierung des Genueser Zyklus – woraufhin der
damalige Rezensent dieser Monographie abschließend
bemerkte: »Die Akten über Civitali sind wohl
geschlossen.« Yriartes Veröffentlichung
entspricht jedoch nicht heutigen Maßstäben
kunstgeschichtlicher Forschung und ist daher kaum als
Ausgangsbasis für eine neue Arbeit zu verwerten.
Im 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche, mitunter
sehr wesentliche Einzeldarstellungen, die jeweils
Teilaspekten gewidmet sind. Es kam auch zur ersten negativen
Beurteilung von Matteos Werken, als Venturi ihn
folgendermaßen bezeichnete: »... un
provinciale che provò a vestirsi di fiorentine
eleganze, ricco e non signore, ricercato e non fine,
misurato e non profondo ...« und
»... l'arte sua perdette la limpidezza, la
freschezza, la rapidità del moto, come l'acqua d'una
chiara fonte che lascia di gorgogliare e stagna nella
valle.« Er stempelt Matteo hiermit zu einem
einfallslosen Imitator der florentinischen Kunst ab. Obwohl
die positiven Wertungen innerhalb der
Kunstgeschichtsschreibung in der Überzahl waren, wog
Venturis Wort schwer, veröffentlichte er seine
Beurteilung doch in seiner einschlägigen
elfbändigen »Storia dell'Arte Italiana« und
machte sie dadurch weiteren Kreisen zugänglich als es
die Publikationen zu Matteo in Einzeldarstellungen waren.
Venturis Kritik wurde in der Folgezeit entschärft, im
Grunde genommen aber nur umgemünzt in die Betonung von
Matteos starker Abhängigkeit von der Florentiner Kunst,
verbunden mit dem Lob, daß er die Vorbilder gekonnt
verarbeitet habe, – eine zweifelhafte
Ehrenrettung trotz der guten Absicht einer erneuten
Aufwertung von Matteos Oeuvre. Diese Betrachtungsweise ist
aber zu einseitig. Sie hat ihren Ursprung in der
»Kunstkritik« des vorigen Jahrhunderts, die
Matteos Stil in völliger Abhängigkeit vom
florentinischen Kunstschaffen darstellt. Dagegen wurde der
Hinweis von Mazzarosa und Ridolfi auf Parallelen zwischen
der Kunst Roms – wobei sie allerdings nur auf die
Antike verweisen und nicht auf das Quattrocento –
und den Werken Matteos nicht zu einer weiter ausgreifenden
Interpretation genutzt. Seymour drückt seine
Geringschätzung der Eigenleistung Matteos deutlich aus
und bespricht ihn zusammen mit Andrea della Robbia und
Benedetto da Maiano in dem Kapitel »Regionalism and
Eclecticism«. Pope-Hennessy gesteht Matteo immerhin
Originalität zu und bezeichnet ihn als den einzigen
bedeutenden Künstler seiner Zeit außerhalb von
Florenz. Die Beobachtung, daß sich der Stil Matteos
trotz aller Affinität zur florentinischen Kunst nicht
ausschließlich durch deren Einfluß erklären
läßt, konnte auf Dauer nicht nur am Rande
erwähnt oder gar außer acht gelassen werden. In
der Forschung wurde mehrfach auf Einflüsse aus Rom, aus
der Lombardei und aus dem Veneto verwiesen. Erst in der
kunsthistorischen Fachliteratur der 70er und 80er Jahre
wurden diese zaghaften Ansätze zu einer
differenzierteren Herleitung der Kunst Matteo Civitalis
aufgegriffen. Auf dem Kongress, der 1975 in Pistoia unter
dem Titel »Egemonia fiorentina ed autonomie locali
nella Toscana nord-occidentale del primo Rinascimento: vita,
arte, cultura« abgehalten wurde, widmete Negri Arnoldi
seinen Beitrag Matteo Civitali. Er regte die Diskussion
darüber an, ob sich die norditalienische Komponente,
die er und andere bei Matteos Skulpturen zu erkennen
glauben, über lombardische Künstler in Rom (Bregno
und Werkstatt), über Werke in der Lombardei (Certosa,
Pavia) oder im Veneto erklären ließen. Die
Erörterung dieser Zusammenhänge ging aber
über knappe Feststellungen und Mutmaßungen nicht
hinaus. Überzeugende stilistische Vergleiche zur
Untermauerung der jeweiligen These wurden nicht
durchgeführt. Ein Beitrag Middeldorfs diente der
Beweisführung, daß die seines Erachtens
unflorentinischen Proportionen und die unflorentinische
Gewandbehandlung der Skulpturen Matteos mit einer Schulung
außerhalb von Florenz zusammenhingen. Drei von ihm
publizierte Statuen aus Schweizer Privatbesitz erachtet
Middeldorf als Beleg dafür, daß Matteo seine
Lehrzeit in der Westtoskana verbracht habe und zwar in der
Guardi-Werkstatt in Pisa. Erst im Anschluß an diese
Ausbildung sei er nach Florenz gegangen, wo sein Stil eine
tiefgreifende Wandlung erfahren habe. Bei seinen
späteren Werken seien daher keine guardesken Merkmale
mehr festzustellen. Die wichtige Frage nach Matteos
Beziehung zur antiken und zeitgenössischen Kunst Roms
griff Petrucci auf. Um ihre These einer Schulung Matteos in
Rom zu stützen, verknüpft sie einerseits
sämtliche seiner gesicherten Werke mit
Vergleichsbeispielen aus dem römischen Kunstkreis und
vertieft sich andererseits in die humanistische Literatur
und in das politisch-kulturelle Programm der Kurie, dem
Matteos Kunst entspräche. Petruccis vielversprechendem
Ansatz folgt jedoch keine überzeugende Ausführung.
Ihre Vergleiche erwecken den Eindruck, daß die
spezifischen Merkmale der Kunst Matteos kompromißlos
in ein vorgegebenes Schema gepreßt wurden, um die
These der Autorin zu belegen. In Matteos Oeuvre gibt es
tatsächlich Hinweise auf einen Romaufenthalt. Diese
sind aber nicht von Anbeginn seines Schaffens festzustellen,
sondern erst gegen Ende der 70er Jahre. Die genannten
Autoren haben Matteos Stellung innerhalb der Kunst des
Quattrocento nicht herausgearbeitet, sondern Einzelaspekte
aufgegriffen. Zu einer fundierten Neueinschätzung der
Kunst Matteos ist es dabei nicht gekommen.
Die erste Veröffentlichung aus jüngerer Zeit,
die sich um eine umfassende Darstellung und Bewertung der
Kunst des Matteo Civitali bemüht, ist die Dissertation
von Bule. Anhand einer ausführlichen Analyse vier
gesicherter Werke Matteos gibt er einen Abriß
über die Entwicklung seiner Kunst und deren spezifische
Merkmale. Das umfangreiche Gesamtwerk läßt er
jedoch unberücksichtigt. Auch die Problematik der
Schulung und des Frühwerks Matteos bringt er einer
Lösung nicht näher. In seiner jüngsten
Veröffentlichung zur Skulptur der Renaissance in
Italien hat Poeschke die wichtigsten Werke des Matteo
Civitali im Überblick dargestellt und drei Werke
stellvertretend besprochen. Er zeigt Matteos
künstlerische Entwicklung auf, die – nachdem
dieser wahrscheinlich in der Werkstatt der Gebrüder
Rossellino in Florenz ausgebildet worden sei –
anfänglich eine enge Anlehnung an die florentinische
Kunst offenbare, in den 80er Jahren jedoch Hinweise auf
einen Kontakt mit der römischen Kunst gäbe. Der
Charakter der Ornamentik, die insbesondere derjenigen des
Andrea Bregno verwandt sei, ließe vermuten, daß
sich Matteo um 1480 in Rom aufgehalten habe.
Der vorstehende Überblick erlaubt die Behauptung,
daß die Forschungslage zu Matteo Civitali insgesamt
nicht befriedigt. Aus dieser Situation heraus entstand die
hier vorgelegte Arbeit, die versucht, eine Gesamtdarstellung
des Oeuvres Matteo Civitalis zu geben. Es soll die Frage
nach Matteos Schulung und Frühwerk beantwortet und sein
Gesamtwerk von unhaltbaren Zuschreibungen befreit werden, um
seine Stellung in der Kunst seiner Zeit und seine
beträchtliche schöpferische Eigenleistung zu
bestimmen sowie deren Grenzen aufzuzeigen.
Im Rahmen der Vorarbeiten zu dieser Monographie wurde in
den betreffenden Archiven in sämtliche bekannte
Dokumente Einsicht genommen. Die im Laufe von zwei
Jahrhunderten mit Matteo in Verbindung gebrachten Werke
wurden nahezu ausnahmslos im Original aufgesucht und
studiert, um eine möglichst authentische
– von falscher Überlieferung und
verfälschenden Fotografien
unabhängige – Grundlage für eine
kritische Gesamtdarstellung zu gewinnen.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei
Hauptbestandteile: den Textteil und den Katalogteil. Im
Textteil werden sämtliche Werke, die im Laufe der
Forschung mit Matteo Civitali in Zusammenhang gebracht
worden sind, in chronologischer Abfolge beziehungsweise in
thematischer Gruppierung untersucht. Im Katalog sind die
Werke in alphabetischer Reihenfolge nach ihrem aktuellen
beziehungsweise ihrem zuletzt bekannten Standort
aufgelistet, wobei die gesicherten Werke und die haltbaren
Zuschreibungen gesondert von den ausgeschiedenen
aufgeführt werden.
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SCHLUSSBETRACHTUNG
(Ohne Anmerkungen)
Lucca war im 15. Jahrhundert die einzige Stadt neben
Florenz und Siena, die eine eigenständige
künstlerische Produktion aufzuweisen hatte, auch wenn
diese in Umfang und Bedeutung nicht mit derjenigen der
beiden anderen Städte gleichgestellt werden kann.
Führenden Anteil an dieser Produktion hatte Matteo di
Giovanni Civitali (1436–1501), der das
künstlerische Schaffen in Lucca und Umgebung im letzten
Drittel des 15. Jahrhunderts zu einer neuen Blüte
brachte. Es wurden ihm mannigfaltige Aufgaben zugewiesen,
die er eigenhändig und in Zusammenarbeit mit seiner
Werkstatt ausführte. Matteo arbeitete als Bildhauer
vorrangig in Marmor, aber auch in Holz und Terrakotta und
hinterließ ein umfangreiches und bedeutendes Oeuvre.
Er war nachweislich auch als Maler tätig und wurde als
Architekt für städtebauliche Maßnahmen
herangezogen. Bislang wurde aber keines seiner Gemälde
aufgefunden, und seine Begabung als Architekt wird
ausschließlich über seine Werke der
Kleinarchitektur vermittelt, wie etwa die Cappella del Volto
Santo im Dom zu Lucca (Abb. 26), die einen Zentralbau
antik-römischer Prägung darstellt.
Seine Schulung als Bildhauer hat Matteo in der
Rossellino-Werkstatt in Florenz erfahren. Dies wurde in der
Forschung immer wieder vermutet, konnte aber erst in
vorliegender Arbeit belegt werden, denn das früheste
nachweisbare Werk des Matteo Civitali ist ein Madonnenrelief
in S. Vincenzo in Prato (Abb. 13), das in den
frühen 60er Jahren in der Rossellino-Werkstatt
entstanden ist. Die Darstellung der Maria als
Dreiviertelfigur, die mit beiden Händen das auf einem
Kissen auf ihrem Schoß sitzende Kind hält, geht
auf ein verlorengegangenes Relief von Antonio Rossellino
zurück, das in zahlreichen Kopien des
15. Jahrhunderts überliefert ist. Diese
überwiegend aus Terrakotta und Stuck gefertigten
Andachtsbilder variieren untereinander nur geringfügig.
Das Relief in Prato hebt sich aufgrund der Verwendung
kostbaren Marmors und der gekonnten Bearbeitung des Steins
von dieser Serienproduktion ab. Zwar verleugnet es
keineswegs seine starke Orientierung an Antonio Rossellino,
dem es in der Forschung auch mehrfach zugeschrieben worden
ist, aber stilistisch zeigt es nicht minder die Handschrift
des frühen Matteo, wie durch einen Vergleich mit dem
ihm zweifelsfrei zuzuerkennenden Madonnenrelief im Museo
Nazionale di Villa Guinigi in Lucca (zweite Hälfte
60er Jahre; Abb. 12) sowie mit der als Werk
Matteos gesicherten Madonna im Tondo des Noceto-Grabmals im
Luccheser Dom (1469–72; Abb. 11) deutlich wird.
Diese drei Werke zeigen Matteos zunehmende
künstlerische Eigenständigkeit und
allmähliche Loslösung von den Vorbildern seiner
Lehrzeit in der Rossellino-Werkstatt. Bernardo Rossellino
(1407/10–1464) leitete diese bedeutende Werkstatt
für Bildhauerei und Bauausführung, in der auch
sein jüngerer Bruder Antonio Rossellino
(1427–1479/80) und wohl auch Desiderio da Settignano
(um 1430–1464) tätig waren. Matteo Civitali hat
sich während seiner Ausbildung mit Antonio Rossellino
angefreundet, dessen Skulpturen insbesondere für seine
frühen Werke von Bedeutung waren. Die beiden
Künstler hielten ihren Kontakt auch aufrecht, nachdem
Matteo die Rossellino-Werkstatt verlassen hatte, und zogen
sich gegenseitig zur Begutachtung ihrer Werke heran.
Ende der 60er Jahre kehrte Matteo Civitali in seine
Heimatstadt Lucca zurück. Die ersten Werke, die er hier
schuf, zeigen eine starke Orientierung an den Florentiner
Vorbildern der beiden letzten Jahrzehnte, nämlich an
Werken der Gebrüder Rossellino, des Desiderio da
Settignano und des Mino da Fiesole, und zwar sowohl im
Figürlichen als auch im architektonischen Aufbau und
der Ornamentik. Matteos erstes dokumentarisch gesichertes
Werk ist das Grabmal des Pietro da Noceto im Dom zu Lucca,
das spätestens 1469 begonnen worden ist und 1472
vollendet war (Abb. 1). Er griff hier den
florentinischen Typus des Wandnischengrabmals auf, hielt
sich aber mit der dekorativen und figürlichen
Ausstattung zurück. In der Auffassung des
Figürlichen knüpfte er besonders eng an Antonio
Rossellino an, der in Abkehr vom späten Donatello, von
Desiderio und Mino eine Vorliebe für die rundplastische
Ausarbeitung der Skulpturen entwickelt hatte, wie sein
1461–66 entstandenes Grabmal für den Kardinal von
Portugal in S. Miniato al Monte in Florenz zeigt.
Matteos profunde Kenntnis dieses Grabmals äußert
sich auch am Sockelfries des Noceto-Grabmals (Abb. 3)
sowie bei den Engeln seitlich des Sakramentsaltars
(1473–76; Abb. 17, 18) im Dom zu Lucca. Es darf
mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden,
daß Matteo im Anschluß an seine Ausbildung, und
bevor er sich immerhin erst im Alter von über
30 Jahren in Lucca als Bildhauer niedergelassen hat,
als Mitarbeiter Antonio Rossellinos an der Ausführung
des Grabmals in S. Miniato al Monte beteiligt gewesen
war.
Obwohl Matteos Werke der späten 60er Jahre und
der ersten Hälfte der 70er Jahre ausnahmslos eine
starke Orientierung an florentinischen Vorbildern
offenbaren, sind sie doch gleichzeitig von seinem
persönlichen Stil geprägt und unterscheiden sich
vor allem durch eine geringere Prachtentfaltung sowohl im
Dekor als auch im Figürlichen. Gegen Ende der
70er Jahre vollzieht sich dann ein stilistischer und
motivischer Wandel in Matteos Werk, der sich nicht mehr mit
dem Florentiner Einfluß erklären läßt.
Die in jener Zeit von Matteo und seiner Werkstatt
ausgeführten Chorschranken im Dom zu Lucca
(Abb. 19, 20) zeigen im Dekor erstmals Gemeinsamkeiten
mit der Bauplastik des Palazzo Ducale in Urbino und mit
zeitgenössischen Werken in Rom. Die Motive der an einer
Schnur aufgefädelten Fruchtsträuße, der
Schilde, Tierschädel usw. finden sich insbesondere an
den Werken, die Andrea Bregno und Mino da Fiesole in den
70er Jahren in Rom geschaffen haben, und die Arabesken
mit tütenartigen Blättchen gehen auf antike
Pilaster der römischen Kaiserzeit zurück und sind
im 15. Jahrhundert sowohl in Urbino als auch in Rom als
Dekorationselement aufgegriffen worden. Auch die wenige
Jahre nach den Chorschranken entstandene Cappella del Volto
Santo (1482–84) und der Regulus-Grabaltar (1484) im
Dom zu Lucca weisen sowohl im Architektonischen als auch im
Dekor einen engen Bezug zu antik-römischen und
zeitgenössischen römischen Werken auf. Die
Cappella (Abb. 26) erinnert an antike Rundtempel, ihre
kannelierten Säulen, die das voll ausgebildete
Gebälk tragen, verweisen auf antike Architektur, und
das Maskenmotiv im Fries hat Vorläufer in Urbino,
dessen Dekorationsformen frühzeitig auf römische
Werke Einfluß genommen haben und besonders von Andrea
Bregno und Mino da Fiesole aufgegriffen worden sind. An die
römischen Werke Andrea Bregnos und seiner Werkstatt in
den 70er Jahren erinnert am Regulus-Grabaltar
(Abb. 32) einerseits die strenge Rahmenarchitektur,
andererseits der Dekor, der sich in seiner Mannigfaltigkeit
und in zahlreichen Motiven auffällig von der Dekoration
des Noceto-Grabmals (Abb. 1) unterscheidet. Matteo
Civitali muß folglich Ende der 70er Jahre in Rom
gewesen sein und sich besonders an den Werken des Andrea
Bregno orientiert haben.
Neben der hinzugewonnenen Kenntnis der römischen
Kunst bleibt für Matteo weiterhin die
Auseinandersetzung mit der Florentiner Kunst wesentlich.
Auch nach seiner Rückkkehr nach Lucca hat er den
Kontakt zu den Florentinern aufrecht erhalten und nahm an
den fortschrittlichsten Entwicklungen seiner Zeit teil. Der
florentinische Einfluß konzentrierte sich seit den
80er Jahren aber in erster Linie auf Matteos
Figurenstil. Während die Kuppel der Cappella und ihre
Verkleidung mit bunten Majolikaschuppen auf Brunelleschis
Architektur, auf Michelozzos Cappella del Crocifisso in
S. Miniato al Monte (1448) und auf Luca della Robbias
Ausstattung der Kapelle des Kardinals von Portugal in
S. Miniato al Monte verweisen, verrät die an einer
Außenwand der Cappella plazierte Sebastiansstatue
(Abb. 28) erneut Matteos Orientierung an Antonio
Rossellino, und zwar an dessen Sebastian in Empoli (um
1475). Wie seine Florentiner Zeitgenossen hat Matteo
Aktstudien betrieben, bemühte sich aber in den
späten 70er Jahren im Gegensatz zu Antonio
Rossellino und Pollaiuolo noch nicht um die Darstellung der
vielfältigen, kraftvollen Ausdrucksmöglichkeiten,
die der nackten menschlichen Figur innewohnen.
Beim Regulus-Grabaltar griff Matteo auf den
zweigeschossigen Aufbau von Donatellos Coscia-Grabmal
(1421–27) im Florentiner Baptisterium zurück, um
sowohl der Doppelfunktion als Altarretabel und Grabmal
gerecht zu werden als auch genügend Raum für die
figürlichen Bestandteile zu gewinnen. Während die
kandelaberhaltenden Jünglinge (Abb. 33) dem
Vorbild Desiderios verpflichtet sind und die Predellareliefs
(Abb. 29–31) Gemeinsamkeiten mit den frühen
Reliefs Benedetto da Maianos besitzen, weisen die drei
Standfiguren der Heiligen (Abb. 34) einerseits auf
Donatellos Campanile-Propheten zurück, andererseits
aber auch, durch ihre Plastizität und
Monumentalität, auf die Entwicklung der Skulptur um die
Wende zum 16. Jahrhundert voraus.
Für die Skulptur des frühen Quattrocento
interessierte sich Matteo aufgrund deren monumentaler
Formensprache, die der Wiederbelebung der
großfigurigen Plastik in den letzten Jahrzehnten des
Jahrhunderts wesentliche Anregungen zu geben vermochte. Kein
zweiter toskanischer Bildhauer der Zeit hat eine
vergleichbare Anzahl großplastischer Werke geschaffen
wie Matteo Civitali. Seine drei lebensgroßen Statuen
am Regulus-Grabaltar im Dom zu Lucca kündigen sein
monumentales Spätwerk im Dom zu Genua an. Die
Bewegtheit und die Unmittelbarkeit des energischen Ausdrucks
der sechs Genueser Statuen (Abb. 48–55) geht mit
Werken des Pollaiuolo und des Verrocchio einher. Die
auffälligste Figur des Genueser Zyklus ist Habakuk
(Abb. 55). Seine Expressivität im Gebaren und in
der Mimik weisen auf Donatellos »Zuccone« und
»Jeremias« zurück, während der extrem
bewegte Körper, der gründliche Anatomiestudien
verrät, insbesondere an Werke Pollaiuolos erinnert. Die
Gestalt des Adam (Abb. 53) in ihrer cinquecentesken
Körperlichkeit und Monumentalität dagegen ist vor
allem mit Benedetto da Maianos hl. Sebastian in der
Misericordia in Florenz (um 1497) vergleichbar. Das Studium
des menschlichen Körpers und seiner vielfältigen
Ausdrucksmöglichkeiten verbindet Matteos späte
Werke mit den florentinischen Bestrebungen der beiden
letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts. Am
nächsten steht Matteo dem späteren Benedetto da
Maiano (1442–1497), der ebenfalls aus der Werkstatt
des Antonio Rossellino hervorgegangen ist. Beide
Künstler verliehen ihren Werken mehr Schlichtheit
anstelle des dekorativen Reichtums und der Formenvielfalt
eines Desiderio. Sie setzten das Bestreben des Antonio
Rossellino fort, das plastische Volumen der Figuren zu
steigern, und erreichten in ihren späten Werken die
Vorstufe zur Hochrenaissance. Sie schufen robustere
Gestalten anstelle der verfeinerten Werke der Florentiner.
Ihre Werke nehmen innerhalb der Skulptur des späten
Quattrocento eine vergleichbare Stellung ein.
Neben dem florentinischen und dem römischen
Einfluß offenbart Matteos Spätwerk auch seine
Kenntnis oberitalienischer Werke. Innerhalb des Genueser
Zyklus erinnern etwa die vom Alter gezeichnete Figur der
Elisabeth (Abb. 51) und vor allem die mächtige,
von einem stoffreichen Manteltuch verhüllte Gestalt des
Isaias (Abb. 50) an Werke des Niccolò dell'Arca
(um 1435–1494), der in Bologna tätig gewesen war.
Die Werke der Gebrüder Mantegazza und des Giovanni
Antonio Amadeo als Hauptrepräsentanten der Kunst der
Lombardei, deren Einfluß in der Forschung häufig
die unflorentinischen Merkmale der Kunst Matteos
erklären sollte, dienten hingegen nicht als Vorbild. Im
Dekor, der in Oberitalien stets besonders reich
ausgeprägt war, hat Matteo sich nicht an die
lombardische Kunst der Zeit angelehnt. Vielmehr zeichnen
sich seine Werke durch eine Reduktion des Dekors aus.
Trotz der Orientierung an florentinischen, römischen
und norditalienischen Vorbildern zeigt sich Matteo als
eigenständiger Künstler, der an den Neuerungen der
Kunst seiner Zeit mitwirkte und einen persönlichen Stil
entwickelte. Sein künstlerisches Schaffen unterlag
keinen auffälligen Schwankungen und
Entwicklungsschüben, wenn auch Ende der 70er Jahre
im Dekor und im Architektonischen der neu hinzugewonnene
römische Einfluß deutlich wird. Matteo beschritt
kontinuierlich den Weg zur großfigurigen,
ausdrucksstarken Skulptur, die im 16. Jahrhundert ihren
Höhepunkt im Werk Michelangelos erreichen sollte.
Matteo leitete eine große Werkstatt, deren
Mitglieder teilweise namentlich ermittelt werden konnten.
Seine Nachfolger erreichten aber nicht das
künstlerische Niveau, das sämtliche
eigenhändigen Werke Matteos auszeichnet. Er fand
bereits zu Lebzeiten hohe Anerkennung. Dies belegen seine
Kontakte zu anderen Künstlern, die ihn als Gutachter
bestellten und ihrerseits seine Werke hoch schätzten,
sowie die ununterbrochene Reihe der ihm erteilten
Aufträge, die er nicht nur in Lucca, sondern auch
entlang der Westküste bis nach Genua erhielt. Sein
Einfluß auf die Zeitgenossen und die nachfolgende
Generation blieb allerdings außerhalb des Luccheser
Gebietes gering.
Matteo Civitali war eine vielseitig interessierte
Persönlichkeit. Als Künstler befaßte er sich
mit der Skulptur, der Malerei und der Architektur, daneben
bewirtschaftete er eigenes Land mit Olivenanbau. Er pflegte
die Freundschaft zu zeitgenössischen Humanisten,
interessierte sich für Literatur und richtete die erste
Buchdruckerei in Lucca ein. Des weiteren sammelte er
Antiken. Im frühen Quattrocento besaß bereits
Lorenzo Ghiberti eine eigene Antikensammlung, aber erst seit
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind auch
weitere Künstler als Sammler von Antiken bezeugt. Zu
ihnen gehörten insbesondere Andrea Bregno, der
zahlreiche antike Skulpturen besaß, und wohl auch
Pollaiuolo.
Aufgrund seiner vielfältigen Begabung war Matteo
Civitali ein »Universalkünstler«, wie ihn
Alberti gefordert hat. Während es im frühen
Quattrocento noch ungewöhnlich war, auf mehreren
Gebieten gleichzeitig tätig zu sein
– Donatello konzentrierte sich fast ganz auf die
Bildhauerei –, gab es im fortgeschrittenen
Quattrocento mehrere Künstler, die sich verschiedenen
Aufgabenbereichen gleichzeitig widmeten, wie z.B. Verrocchio
und Francesco di Giorgio. Matteos vielseitige Veranlagung
und das umfangreiche und bedeutende Oeuvre, das er
hinterließ, kennzeichnen ihn nicht nur als den
führenden Bildhauer in Lucca und Umgebung, sondern
verleihen ihm innerhalb der Kunst des Quattrocento einen
Rang, der demjenigen des Benedetto da Maiano ebenbürtig
ist.
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Rezensionen:
»The book is valuable as a comprehensive discussion
of the work of a significant and talented though not major
artist«.
Christine Meek, in: Renaissance Quarterly 55,
Heft 1 (1999), S. 235–237.
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