Zum Inhalt:
In der Neuzeit wird strittig, ob »Religion«
überhaupt ein menschliches Grundphänomen ist. Das
neuzeitliche Denken hat nämlich zugleich erstmals einen
Allgemeinbegriff für Religion gebildet und gleichzeitig
die aufgeklärte Religionskritik formuliert. Bis dahin
waren andere Begriffe wie z.B. Glaube (fides),
Frömmigkeit (pietas), Gottesverehrung (cultus
dei) bestimmend. Die aufgeklärte Religionstheorie
suchte erstmals das Gemeinsame aller Religionen in einer
humanen Naturanlage zu erfassen, einem
»religiösen Apriori«. Menschen sind danach
von Natur religiös. Von der Religiosität als
anthropologischen Datum sind freilich die konkreten,
geschichtlich gewordenen Religionen zu unterscheiden, die es
nur als »positive« Religionen im Plural gibt.
Die Religionskritik sucht hingegen Religion als
»Projektion« menschlicher Sehnsüchte und
Wünsche (F. Feuerbach, ihm folgend K. Marx) und als
»Illusion« (S. Freud) zu entlarven. Diese
Spannung zwischen Religion als fundamentalanthropologischer
Gegebenheit und der Bestreitung von Religion seitens der
Religionskritik wurde im 20. Jahrhundert exemplarisch in der
evangelischen Theologie theologisch reflektiert (K. Barth,
D. Bonhoeffer). Der Beitrag erörtert das
Spannungsverhältnis zwischen Offenbarung und Religion,
Evangelium und Religion, Glaube und Evangelium und fragt
nach den anthropologischen Voraussetzungen theologischer und
ideologischer Kontroversen um »Religion«.
Zum Autor:
Geboren 2. Mai 1934 in Ulm/Donau. Studium der
Evangelischen Theologie in Tübingen und Basel.
Promotion 1960 und Habilitation 1965 an der
Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität
Tübingen. Seit 1969 Professor für Sozialethik und
Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen
Fakultät der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 1988–1991
Präsident der Societas Ethica. Mitglied der
Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
seit 1979. Mitglied des Ethikbeirats beim Bundesministerium
für Gesundheit und der zentralen Ethik-Kommission bei
der Bundesärztekammer. Hauptarbeitsgebiete:
Evangelische Ethik, insbesondere Sozialethik mit
Schwerpunkten in der Wirtschaftsethik und in der
medizinischen Ethik; Fundamentaltheologische Probleme der
Ethik und des Kirchenverständnisses.
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